Energie Politik

Beim Winterstrom helfen Kernkraftwerke. Sie liefern zuverlässiger als Solaranlagen.

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Die Erneuerbaren geniessen weithin einen hervorragenden Ruf. Allerdings werden sie ihm in dem Moment nicht mehr gerecht werden, in dem Strom am Dringendsten gebraucht wird: in der Heizungsperiode.

Dieser Beitrag ist als Gastkommentar in der NZZ vom 13. November 2023 erschienen. Die über 230 Kommentare nach einem Tag zeigen, wie aktuell und umstritten das Thema ist.

Ein häufig gegen Kernkraftwerke vorgebrachter Vorwurf ist, dass sie grundsätzlich unzuverlässig seien, weil es zu Ausfällen komme – etwa wie letztes Jahr in Frankreich. Und viele behaupten, der beste Ersatz dafür seien die neuen Erneuerbaren, bei uns vor allem die Solarenergie. Eine Analyse der Schweizer Verhältnisse zeigt aber, dass Kernkraftwerke viel zuverlässiger Energie liefern als Solaranlagen.

Der Ausfall eines Kernkraftwerks ist für die Sicherheit unserer Stromversorgung nur im Winter eine Bedrohung. Denn in dieser Jahreszeit haben wir den höchsten Verbrauch, gleichzeitig aber erzeugen die Flusskraftwerke weniger Strom als im Sommer. Dieses Auseinanderdriften von Angebot und Nachfrage kann zwar teilweise durch Strom aus Speicherseen kompensiert werden, aber die Versorgungssicherheit hängt in dieser Zeit besonders stark vom Einsatz der Kernkraftwerke ab.

Im Winter unerlässlich

Mit Daten des Bundesamtes für Energie lässt sich zeigen, wie gross der Anteil des Nuklearstroms an der Nettoerzeugung in den vier kritischen Wintermonaten November bis Februar ist. Im Zeitraum von 1990 bis 2023 haben die Kernkraftwerke durchschnittlich in dieser Winterperiode 45 Prozent der gesamten Stromerzeugung unseres Landes produziert. Damit liegt ihr Anteil im Winter sogar 10 Prozent höher als im ganzen Jahr: Dies unterstreicht die Bedeutung der Kernkraftwerke für den Winter.

Von den untersuchten 33 Winterperioden gab es nur zwei, in denen mehr als ein Werk ausgefallen ist. Der Ausfall von Beznau 1 von März 2015 bis März 2018, zusammen mit Problemen in Leibstadt, hat dazu geführt, dass im Winter 2016/17 und 2017/18 nur 33 beziehungsweise 35 Prozent Strom aus Kernkraftwerken kamen. Dieser Kernkraftanteil sogar in den schlechtesten Wintern übertrifft jedoch das, was aus den Solaranlagen kommt, noch immer bei weitem.

Seit kurzem findet man Stundenwerte über unser Stromsystem auf der Website von Swiss Energy-Charts. Weil es diese Daten noch nicht lange gibt, gehe ich nur auf den letzten Winter ein. Von November 2022 bis Februar 2023 haben die Solaranlagen insgesamt 1,8 Prozent zur Stromerzeugung des Landes beigetragen, die Kernkraftwerke jedoch 44,9 Prozent. In einem Winter, der vom Bund als besonders kritisch eingestuft wurde, haben die Kernkraftwerke also 25-mal so viel Strom geliefert wie die bestehenden Solaranlagen – und dies notabene bei einer installierten Leistung, die um ein Drittel kleiner war als diejenige der Fotovoltaikanlagen.

Bandenergie ist entscheidend

Und selbst dieses Resultat ist beschönigend für die Solaranlagen, weil mit einem Zeithorizont von vier Monaten ihr volatiler Input noch immer «geglättet» wird. Nimmt man nur den Januar 2023, haben die Kernkraftwerke 59-mal so viel zur Erzeugung beigetragen wie die Solarpanels. Und selbst wenn dabei der Ausfall zweier Kernkraftwerke eingerechnet würde, ist es immer noch 30-mal so viel.

Viele Politiker und Politikerinnen glauben die Winterstromlücke mit einem massiven Solarausbau füllen zu können. Inzwischen hofft man auf alpine Anlagen, die aber auch keine Bandenergie liefern werden. Stattdessen gebietet eine rational-technische Sicht auf das Stromsystem, dass wir dafür sorgen, die bestehenden Kernkraftwerke möglichst lange sicher laufen zu lassen. Und neue zu planen.

Martin Schlumpf ist pensionierter Musikprofessor und Komponist sowie Daten-Kolumnist beim „Nebelspalter“ und Expertenbeirat bei Energie Club Schweiz.

3 Kommentare zu “Beim Winterstrom helfen Kernkraftwerke. Sie liefern zuverlässiger als Solaranlagen.

  1. Arturo Romer
    Arturo Romer

    Dieser informationsreiche und perfekt dokumentierte Artikel von Prof. Martin Schlumpf verdient Dank und Anerkennung. Prof. Schlumpf unterstreicht mit sachlichen Argumenten die Notwendigkeit der Bandenergie. Die moderne Kernenergie eignet sich hervorragend als Bandenergie. Es handelt sich nicht um eine Energie des Teufels. Stopp den vielen Lügen, Stopp der Panikmache, Stopp der Hysterie.

  2. Niklaus Bischofberger
    Niklaus Bischofberger

    Nüchtern und sachlich die Sache durchrechnen, basierend auf Zahlen aus dem realen Leben, und nicht aus Modellrechnungen, das ist die Leistung von Martin Schlumpf. Er macht das, was die Vernunft gebietet und läuft damit auf Konfrontationskurs mit den grünen und roten Apologeten, deren Narrative je nach Blickwinkel ideologisch oder (pseudo-)religiös motiviert sind. Dass Martin Schlumpfs Aussagen das Glaubensbekenntnis von Rotgrün vollständig in Frage stellen sagt viel aus über den Realitätsgehalt ihrer Träumereien.

  3. Hanspeter Vogel
    Hanspeter Vogel

    Kopie meines Kommentars auf der NZZ-Leserseeite:

    Hanspeter Vogel
    vor 1 Tag
    Schlumpf kombiniert (wie immer) amtliche Statistiken, physikalische Gesetze und gesunden Menschenverstand. Sec und unpolemisch. Seine Herleitungen sind klar und für jedermann nachvollziehbar. Ohne Luftschlösser zu bauen und Aengste zu bewirtschaften, wie das bei den Grünen üblich ist.

    Er schwärmt nicht (wie zB die ARA Uetendorf), wie viele Haushalte eine PV-Anlage bei (Sonnenschein (und nur dann) versorgen kann, sondern konzentriert sich auf die allein massgebende Winterstromlücke.

    Theoretisch könnte man sich eine Lösung mit Unmengen von PV-Anlagen vorstellen, von denen ein Teil nur im Winterhalbjahr genutzt würde, um täglich Wasser in Speicherseen zu pumpen, von denen es im übrigen nicht genug gäbe.

    Die Kosten wären horrend und die Abhängigkeit von China total (über 1 Mio Panels müssten jährlich ersetzt werden).

    Und Energie und Umwelt? Panels (und erst recht Batterien) benötigen jede Menge Metalle und seltene Erden, die heute mit grossem Energieaufwand und einer meist katastrophalen Umweltverschmutzung gewonnen werden.

    Eigentlich wäre es an den Grünen, diese Kosten durchzurechnen und Wege zur Zertifizierung eines saubern Bergbaus zu entwickeln.

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