Bevölkerungsentwicklung der Welt von heute bis 2100
Damit man sinnvolle Angaben über die prognostizierte Weiterentwicklung der Weltbevölkerung machen kann, muss man die heutige Situation genau kennen. In „Weltbevölkerung wohin? Teil 1“ habe ich die Geschichte der drei Schlüsselkriterien Fruchtbarkeitsziffer, Kindersterblichkeitsrate und Lebenserwartung von 1800 bis heute skizziert. Dabei haben wir gesehen, dass durch eine massiv reduzierte Kindersterblichkeit der Weg frei wurde für eine Fruchtbarkeitsziffer von weltweit 2.5, womit wir schon heute sehr nahe bei einer Stabilisierung der Gesamtzahl von Menschen auf dieser Welt sind.
Der wichtigste Faktor, der zu einer solchen Stabilisierung beiträgt, ist die Anzahl Kinder, die weltweit leben: nimmt diese Zahl zu, trägt das direkt zum Wachstum der Bevölkerung bei. Und hier nun kommt die vielleicht hoffnungsvollste Nachricht, die im Zusammenhang mit unserem Thema zu geben ist: wir stehen heute am Punkt, wo das Wachstum der Kinder unter 15 Jahren sein Ende gefunden hat, wir haben „Peak child“ erreicht!
Quelle dieses Diagramms ist der Bericht „World Population Prospects: The 2015 Revision“ der Population Division der Vereinten Nationen. Von den verschiedenen Wegen, die diese weltweit wohl qualifiziertesten Experten für die kommende Entwicklung von 2015 bis 2100 beschrieben haben, liegt hier das mittlere Szenario „Medium fertility variant“ zugrunde.
Im Diagramm, das die Zahl der Gesamtbevölkerung sowie der Segmente „0-14 Jahre“ und „über 65 Jahre“ der Welt in Dekadenschritten von 1950 bis 2100 zeigt, ist erkennbar:
- Die Anzahl Kinder unter 15 Jahren (rote Balken) nimmt bis heute auf etwa 2 Milliarden zu und bleiben dann konstant (Peak child);
- Die Anzahl der alten Leute über 65 Jahren (grüne Balken) nimmt kontinuierlich zu und übertrifft schliesslich das Segment der Kinder;
- Die Gesamtbevölkerung (blaue Balken) nimmt weiterhin relativ stark zu, ihr Wachstum flacht aber mehr und mehr ab.
Ein vermeintlicher Widerspruch ist hier zuerst zu klären: Wie ist es möglich, dass die Gesamtzahl der Menschen weiterhin wächst, wenn doch nicht mehr Kinder auf die Welt kommen? Das hängt davon ab, dass heute die Anzahl alter Menschen noch immer klein ist (wie aus dem Diagramm ersichtlich), und deshalb viel weniger Menschen sterben, als neu geboren werden. Erst wenn dieses Verhältnis der Neugeborenen zu den Sterbenden einigermassen ausgeglichenen ist, wird eine reale Stabilisierung eintreten können. Und dies ist erst auf das Ende diese Jahrhunderts zu erwarten, bei geschätzen gut 11 Milliarden Menschen.
Aber ob die Zukunft sich in etwa so entwickelt, hängt auch noch von ökonomischen, politischen und sozialen Bedingungen der einzelnen Länder und Kontinente ab. Natürlich besonders stark von den Ländern mit der grössten Bevölkerung:
in Mio | 1960 | 2015 | 2050 | 2050/2015 in % | 2100 | 2100/2015 in % | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 China | 667 | 1'376.0 | 1'348.0 | -2.0% | 1'004.4 | -27.0% | |
2 Indien | 450 | 1'311.0 | 1'705.3 | 30.1% | 1'659.8 | 26.6% | |
3 USA | 181 | 321.8 | 388.9 | 20.9% | 450.4 | 40.0% | |
4 Indonesien | 88 | 257.6 | 322.2 | 25.1% | 313.6 | 21.7% | |
5 Brasilien | 73 | 207.8 | 238.3 | 14.7% | 200.3 | -3.6% | |
6 Pakistan | 45 | 188.9 | 309.6 | 63.9% | 364.3 | 92.9% | |
7 Nigeria | 45 | 182.2 | 398.5 | 118.7% | 752.2 | 312.8% | |
8 Bangladesh | 48 | 160.9 | 202.2 | 25.7% | 169.5 | 5.3% | |
9 Russland | 120 | 143.5 | 128.6 | -10.4% | 117.4 | -18.2% | |
10 Mexiko | 38 | 127.0 | 163.8 | 29.0% | 148.4 | 16.9% | |
11 Japan | 93 | 126.6 | 107.4 | -15.2% | 83.2 | -34.3% | |
12 Philippinen | 26 | 100.7 | 148.3 | 47.3% | 168.6 | 67.4% | |
13 Äthiopien | 22 | 99.4 | 190.7 | 91.9% | 242.6 | 144.1% | |
14 Vietnam | 35 | 93.4 | 112.8 | 20.8% | 105.0 | 12.4% | |
15 Ägypten | 27 | 91.5 | 151.1 | 65.1% | 200.8 | 119.5% | |
16 Deutschland | 73 | 80.7 | 74.5 | -7.7% | 63.2 | -21.7% | |
17 Iran | 22 | 79.1 | 92.2 | 16.6% | 69.6 | -12.0% | |
18 Türkei | 28 | 78.7 | 95.8 | 21.7% | 87.9 | 11.7% | |
19 DR Kongo | 15 | 77.3 | 195.3 | 152.7% | 388.7 | 402.8% | |
20 Thailand | 27 | 67.9 | 62.5 | -8.0% | 41.6 | -38.7% |
Diese Tabelle zeigt die zwanzig bevölkerungsreichsten Länder in der Reihenfolge von heute. Verfolgt man die Projektionen der UN bis 2100 fällt folgendes auf:
- Indien übernimmt mit grossem Abstand die Spitze von China, dessen Bevölkerung ab 2050 abnimmt;
- Die Länder mit der weitaus grössten prozentualen Zunahme bis 2100 kommen alle aus Afrika: DR Kongo (+403%), Nigeria (+313%), Äthiopien (+144%) und Ägypten (+120%);
- Am Ende des Jahrhunderts wird Nigeria mit 752 Millionen die USA von Platz 3 verdrängt haben, danach folgt auf dem 5. Platz bereits die DR Kongo mit 389 Millionen, Äthiopien rückt auf Platz 8 und Ägypten auf Platz 9 vor.
Damit ist bereits angedeutet, wie sich der Anteil der Kontinente in diesem Jahrhundert verändern wird. Während heute Asien mit 4.39 Milliarden mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ausmacht, folgen Afrika mit 1.19, die beiden Amerikas mit 0.99 und Europa mit 0.71 Milliarden. Vereinfacht gesagt hat Asien 4, die drei übrigen Kontinente je 1 Milliarde. Bis 2050 wachsen sowohl Asien wie auch Afrika um je eine weitere Milliarde, danach stagniert die asiatische Zahl bis 2100, während Afrika um weiter 2 Milliarden zulegt! Die beiden Amerikas und Europa verändern sich dagegen nur marginal.
Das Bild der 11 Milliarden Menschen am Ende unseres Jahrhunderts sieht also so aus: Asien 5, Afrika 4, beide Amerikas und Europa je 1 Milliarde. Dabei ist Europa das alleinige Schlusslicht, mit gerade noch 0.65 Milliarden – 2.5 mal kleiner als Indien, und sogar hinter Nigeria zurück. Allein damit wird die Rolle Europas in der Welt entscheidend verändert.
Um eine Stabilisierung der Zahl der Weltbevölkerung in einem ähnlichen wie dem geschilderten Rahmen zu erreichen sein, wird also fast alles von der Entwicklung Subsahara-Afrikas abhängen. Davon, inwieweit es uns gelingt, die noch immer in Armut und Entbehrung lebenden Menschen dieser Region aus ihrem Elend zu befreien, und ihnen den Pfad des Wohlstandes zu ermöglichen. Fraglos eine Herkulesaufgabe, deren Lösung aber angesichts der Entwicklungen der letzten fünfzig Jahre nicht unmöglich erscheint.
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