Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 63“ im Online-Nebelspalter vom 9. Januar 2023 zu lesen.
In meinem letzten Beitrag (Grafik 62 «Dunkelflaute in Deutschland», siehe hier) habe ich gezeigt, wie eine dreiwöchige Windflaute bis Mitte Dezember 2022 den Stromertrag aus Wind und Solar so stark reduziert hat, dass bis zu drei Viertel des deutschen Verbrauchs mit Kohle- und Gaskraftwerke gedeckt werden mussten.
Was wichtig ist:
– Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck will die Wind- und Solarkraft massiv ausbauen. Die installierte Leistung soll bis 2032 auf etwa das Dreifache steigen.
– Doch bei Dunkelflauten wie in der ersten Hälfte des Dezembers würde der erneuerbare Strom trotzdem bei weitem nicht reichen, um den Bedarf zu decken.
– Bei windigen Verhältnissen aber würde massiv zu viel Strom erzeugt, für den es keine Verwendung gibt.
– Deutschland könnte trotz des gewaltigen Ausbaus nicht auf Kohle- und Gaskraftwerke verzichten.
Was plant die deutsche Ampelregierung, um in solchen Mangelsituationen nicht mehr in grossem Mass klimaschädliche fossile Kraftwerke als Backup einsetzen zu müssen? Sie will den Ausbau der neuen Erneuerbaren stark beschleunigen. Robert Habeck, gleichzeitig Energie-, Wirtschafts- und Klimaminister (Grüne) will den Anteil des erneuerbaren Stroms aus Wind und Sonne bis 2030 auf mindestens 80 Prozent steigern (siehe hier). Im letzten Jahr lag er bei 47 Prozent.
Zuerst viel zu wenig, dann viel zu viel Windstrom
Was eine solch forcierter Ausbau der Wind- und Solaranlagen für Deutschland bedeutet, zeigen die beiden folgenden Grafiken. Als Betrachtungszeitraum wähle ich den soeben zu Ende gegangenen Dezember 2022. Die erste Grafik zeigt den Stromverbrauch sowie die Stromerzeugung aus Wind und Sonne in Deutschland – selbstverständlich wieder in zeitnaher Auflösung, damit alle Fluktuationen zu sehen sind.
Dieses Mal verwende ich Grafiken, die von Rolf Schuster für «Vernunftkraft Hessen», einem Bündnis von Bürgerinitiativen, hergestellt worden sind (siehe hier). Vor vielen Jahren habe ich eine Grafik von Schuster gesehen, bei der ich zum ersten Mal begriffen habe, warum wir das Stromsystem mit den flatterhaften Erneuerbaren quasi in Echtzeit anschauen müssen. Schuster benutzt für seine Grafiken die Daten der Europäischen Netzbetreiber-Gesellschaft Entso-e (siehe hier).
Als braune Fläche sieht man in dieser Grafik den Stromverbrauch (Load) Deutschlands für jede Viertelstunde vom 1. bis zum 31. Dezember 2022, gemessen in Megawatt (MW). Es fällt auf, dass der Verbrauchsverlauf, einem typischen Wochentakt folgend, sehr gleichmässig ist: Neben den Tag/Nacht-Schwankungen wird er durch einen Minderverbrauch an Wochenenden und während der Ferien (nach dem 24. Dezember) geprägt.
Wind- und Solaranlagen nur zu 13 Prozent ausgelastet
Die blaue Fläche unten stellt die Windstrom-Einspeisung, die gelben Spitzen (darüber gestapelt) den erzeugten Sonnenstrom dar. Zusätzlich sieht man im Hintergrund eine hellblau markierte Fläche, die bis zum roten Strich bei 131’000 MW reicht: Damit ist das gesamte installierte Leistungspotenzial aller Wind- und Solaranlagen dargestellt, das sich zu gleichen Teilen auf die beiden Träger verteilt.
Somit kann man in einer solchen Grafik sehr anschaulich verfolgen, wie gut einzelne Energieträger ihr Leistungspotenzial in tatsächlich erbrachte Arbeit (in Form von Strom) umgesetzt haben. In unserem Fall liegt der Mittelwert der Einspeiseleistung, die Wind und Solar im Dezember erbracht haben, bei 17’400 MW: Ihre mittlere Arbeitsauslastung lag also bei nur 13 Prozent. Das ist eine schlechte Bilanz. Die Durchschnittszahl verschleiert aber, dass im Minimum sogar nur 1 Prozent des Potenzials auch tatsächlich umgesetzt wurde.
Grosser Regulierungsbedarf bei fossilen Backup-Kraftwerken
Und ebenso versteckt bleibt bei der Durchschnittszahl, dass die Auslastung in den beiden Monatshälften sehr unterschiedlich war: extrem tief bis zum 15. Dezember, danach stark steigend, vor allem gegen Ende des Monats – ausgerechnet dann, als der Bedarf deutlich kleiner war. Für die Netzwerkbetreiber, die ein ausbalanciertes Elektrizitätssystem garantieren müssen, sind solche Schwankungen ein Albtraum. Denn sie mussten die Einspeiseleistung der Kohle- und Gaskraftwerke, die für das Auffüllen der sichtbaren braunen Fläche in der Grafik eingesetzt werden müssen, in der zweiten Monatshälfte extrem herunterregulieren: von ca. 45’000 MW auf etwa 10’000 MW.
Habeck-Plan: Ausbau von Wind und Sonne um das Dreifache
Gehen wir jetzt zur Frage, ob ein massiver Ausbau von Wind und Solar die Mangelsituation, wie sie in der ersten Hälfte Dezember geherrscht hat, entschärfen könnte. Rolf Schuster hat zu diesem Zweck eine Grafik erstellt, in der die installierte Leistung von Wind und Solar um gut das Dreifache auf 400’000 MW erhöht ist. Das entspricht einem Ausbauschritt, wie er in etwa in den Szenarien des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme für das Jahr 2032 vorgesehen ist (siehe hier). Wenn man sich vergegenwärtigt, dass Deutschland aktuell aber maximal 72’000 MW Einspeiseleistung benötigt, ist ein derart grosses Leistungspotenzial von 400’000 MW – zu dem ja noch dasjenige aus Wasserkraft, Biomasse und Müllverbrennung hinzukommt – eigentlich völlig absurd.
Diese zweite Grafik geht vom gleichen Verbrauch von Dezember 2022 aus (braun eingerahmt), nun aber mit einem in jeder Viertelstunde um den Faktor drei erhöhten Input aus Wind (jetzt offshore hellblau und onshore dunkelblau) sowie Solar (gelb gestapelt).
Keine Verwendung für den vielen Überschussstrom
Sofort wird klar, dass sogar mit diesem Extremausbau der Bedarf bei schwachem Wind in keiner Weise gedeckt werden kann: Tagelang gäbe es Lücken in der Grössenordnung von bis zu zwei Dritteln des Bedarfs. Ein Grossteil der fossilen Backup-Kraftwerke müsste also weiterbetrieben werden.
Noch fast widersinniger aber wäre die Situation bei guten Windverhältnissen: Allein der Input aus Wind und Solar würde tageweise dem Doppelten des Verbrauchs entsprechen. Eine so grosse Menge an Überschussstrom wäre aber weder von den Netzkapazitäten her zu verkraften, noch gäbe es in irgendeiner Weise eine sinnvolle Verwendung dafür. Auch exportieren liessen sich solche Mengen sicher nicht, weil die Exportkapazitäten schon heute bis an ihre Grenzen ausgelastet sind.
Deutschland wird seine Klimaziele verfehlen
Ein grosser Teil der Windkraftanlagen müsste also während Tagen abgeriegelt, das heisst vom Netz genommen werden. Dasselbe gilt übrigens auch für die Solaranlagen im Sommer. Dabei fragt sich, wie eine solche Stromproduktion ins Nichts wirtschaftlich tragbar gestaltet werden könnte – umso mehr, als auch die Börsenstrompreise bei solchen Windüberschüssen jeweils gegen Null oder sogar unter Null tendieren. Die Strompreise Deutschlands, die schon heute die höchsten Europas sind, würden wohl nochmals kräftig steigen.
Auch nach einem massiven und teuren Ausbau der neuen Erneuerbaren wird Deutschland auf fossile Backups angewiesen sein.
Schliesslich ist aus Schweizer Sicht zu beachten, dass der Energieträger, auf den wir (fast) alle unsere Hoffnungen setzen – die Solarenergie – im betrachteten Monat Dezember praktisch keinen Ertrag bringt. Tatsächlich betrug die durchschnittliche Einspeiseleistung der deutschen Solaranlagen in diesem Monat 829 MW (vergleiche die erste Grafik). Das ist gerade mal 1,3 Prozent ihrer Nennleistung. Damit konnte nur 1,5 Prozent des Verbrauchs gedeckt werden.
Auch nach einem massiven und teuren Ausbau der neuen Erneuerbaren wird Deutschland also auf fossile Backups angewiesen sein. Das Land braucht somit weiterhin Kohle- und Gaskraftwerke. Die Klimaziele sind unerreichbar.
Zu dem Thema und dem genannten Zeitraum gibt es einen relativ ausführlichen Artikel, der sich bezüglich Lieferung von Energie aus dem Ausland nach Deutschland, auch auf die Schweiz bezieht.
Vielleicht auch für Herrn Rehsche lesenswert, denn da geht es um Zahlen. das Einzige, was am Ende zählt.
https://klimanachrichten.de/2023/01/20/das-scheitern-der-deutschen-energiewende-am-wetter-im-november-dezember-2022/
Ob diese Argumentation zutreffend ist, sei für Deutschland dahin gestellt. Für die Schweiz gilt sie aber ganz sicher nicht. Es heisst bei den Klimanachrichten:
«Wasserkraft: 5,7 GW. Das ist ca. eine 15%ige Steigerung gegenüber heute. Und dann praktisch alles, was die Topographie der BRD halbwegs sinnvoll hergibt.» Jetzt frage ich Sie: Wieviel beträgt schon heute die Leistung der Wasserkraft hierzulande? Wenn Sie dann die rund 10mal kleinere Bevölkerung in der Schweiz mitberücksichtigen, sehen Sie plötzlich: Hierzulande wären unter sonst ähnlichen Vorgaben (anteilsmässig höherer Ausbau der Solarenergie und geringerer der Windenergie) eine Vollversorgung mit Erneuerbaren möglich. M.a.W. für die Schweiz gilt exemplarisch: WWS (Wasser, Wind, Sonne) heisst das Dreamteam einer eneuerbaren, CO2-freien Energieversorgung!
Sie haben recht, was den höheren Anteil an Wasserkraft in der Schweiz betrifft (über 50%). Aber gerade weil das so ist, ist das Potential an Wasserkraft auch nicht mehr ohne Weiteres um zig Prozent steigerbar. Einiges ist sicher drin (und sollte gemacht werden). Aber den „Rest“ mit Solar? Selbst in den Bergen (wo die Preise für Solarenergie wegen der schweren Zugänglichkeit hoch sind!) kann das Wetter einmal mehrere Tage schlecht sein. Und was dann? Wind? In einem Binnenland? Generell schwach und – entgegen den Behauptungen – eben nicht immer verfügbar, wenn keine Sonne da ist, nicht mal an der Küste. Die Daten zeigen es. Steigt dann noch der Bedarf (Digitalisierung, Elektrifizierung des Verkehrs und des Wärmesektors) sind sie schnell im kritischen Bereich. Und wer liefert dann? Deutschland, das exakt dasselbe Problem in grösserem Ausmass zur gleichen Zeit hat? Oder Frankreich/Tschechien mit ihren KKW? Italien mit seinen geplanten Gaskraftwerken? Falls die alle etwas übrig haben, was D. dann nicht „abzieht“ – s. Artikel. Das Land hätte einen gigantischen Bedarf aufgrund seiner Grösse. Man kann die Erneuerbaren ausbauen, wo das wirtschaftlich vernünftig ist. Sofortige Zustimmung! Aber sie werden um einige regelbare Kraftwerke in Zukunft nicht herumkommen. Welche auch immer das sind. Und die Stromversorgung muss bezahlbar bleiben. Für die Bürger und für die Industrie. Machen Sie bitte(!) – und das meine ich ernst, weil mir etwas an der Schweiz liegt – nicht dieselben Fehler wie D.
Eine der Kernaussagen in diesem Beitrag lautet, dass es für eine so grosse Menge an Überschussstrom keine sinnvolle Verwendung gäbe. Dies zu lesen, schmerzt ungemein! Lässt sich denn aus dieser „Rendite“ kein mittelbarer Nutzen ziehen? Warum wird keine der zahlreichen Möglichkeiten, das Produkt Überfluss-Energie umzuwandeln (z.B. in Wasserstoff) angesprochen? Wäre denn eine entsprechende Installation technisch abwegig, zu wenig ausgereift und/oder ökonomisch unvernünftig?
Erneuerbare Technologien sind Zukunft! Die Energieagentur hat den „Energy Technology Perspectives 2023“ Report veröffentlicht. Quelle: https://www.pv-magazine.de/unternehmensmeldungen/internationale-energieagentur-erneuerbare-technologien-sind-die-zukunft/
Wenn alle Christen einen ebenso festen Glauben an Gott hätten, wie sie an den Klimawahn und die Energiewende, dann müßten wir Kirchen bauen.
Ihre Kirchen sind ja wohl Atomkraftwerke – und wenn alle auf der Welt so rückwärtsgewandt und realitätsverweigernd wie Sie und Ihresgleichen auf dem C-C-Portal denken würden, wäre es wahrlich schlecht um die Welt bestellt. Aber zum Glück sind das nur einige Hinterwäldler aus der CH-Provinz – im Weltmassstab sieht es ganz anders aus, siehe IEA-Report!
Ignoranz ist die Dummheit der Intell..enten.
Diese leicht verständliche Darstellung der unsinnigen Energiewende in Deutschland sollte noch ergänzt werden um die Netzstabilität. Die Leistungen der Wind- und Solarstromanlagen werden vom Wetter gesteuert. Sie sind nicht planbar und nicht regelbar. Sie können kein stabiles Stromnetz aufbauen und halten. Dazu sind Kraftwerke erforderlich mit ihren großen rotierenden Massen. Ein stabiles Netz erfordert mindestens 40 % Grundlast von Kraftwerken. Eine Stromversorgung mit 80 % sogenannter regenerativer ist eine Utopie.
Prof. Dr. Hans-Günter Appel
Stromverbraucherschutz NAEB e.V.