Energie Klima Politik

Dunkelflaute in Deutschland: Kohle und Gas statt Wind und Sonne

Img 4598

Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 62“ im Online-Nebelspalter vom 19. Dezember 2022 zu lesen.

Was ist eine Dunkelflaute? Das ist typischerweise eine Zeit im Winter, in der der Wind nicht bläst und die Sonne nur spärlich scheint. Solche Abschnitte können einige Stunden, aber auch mehrere Tage bis Wochen dauern. Bei einer Elektrizitätsversorgung, die stark auf Wind- und Solarstrom baut, sind solche Zeiten verheerend, wie das Beispiel Deutschland in diesem Monat zeigt.

Was wichtig ist:

– Deutscher Wind- und Sonnenstrom deckt bei Dunkelflauten oft weniger als zehn Prozent des Verbrauchs ab.
– Der Leistungsanteil von erneuerbarem Strom am installierten Kraftwerkspark beträgt aber beinahe 60 Prozent.
– Die dadurch entstehenden Lücken müssen mit Kohle- und Gaskraftwerken überbrückt werden, die zeitweise mehr als zwei Drittel des Stroms liefern.

Der deutsche Kraftwerkspark besteht zu knapp 60 Prozent aus Wind- und Solaranlagen. Im ganzen Jahr 2022 bis zum 16. Dezember haben diese grünen Anlagen aber nur 35 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland gedeckt. Diese schlechte Bilanz ist der Unberechenbarkeit dieser Stromquellen geschuldet. Und wie immer, wenn es um den Stromertrag der neuen Erneuerbaren geht, ist eine solche Jahresgesamtrechnung noch stark beschönigend.

Nur 15 Prozent des Stroms kam von Wind und Sonne

Denn wenn man den aktuellen Monat Dezember betrachtet, erzeugen die Wind- und Solaranlagen nur noch knapp 15 Prozent des Verbrauchs – also ein Viertel ihres eigentlichen Leistungspotenzials. Aber auch darauf ist nicht jederzeit Verlass, denn die Produktion schwankt von Stunde zu Stunde, diktiert von den wechselnden Wetterverhältnissen.

Wie das in Echtzeit im Dezember 2022 aussieht, kann man aus der folgenden Grafik ablesen, die von der Webseite «Energy-Charts» des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme stammt (siehe hier). Auf dieser interaktiven Seite wird das Stromsystem verschiedener europäischer Länder in Stundenwerten dargestellt. Die Grafik zeigt den Verbrauch sowie den Input aus Wind und Solar in Deutschland vom 1. bis zum 16. Dezember um 10 Uhr morgens.

Die Verbrauchs- oder Lastkurve (oben schwarz) zeigt die typischen Tagesmuster: Steigender Bedarf von 5 bis 8 Uhr morgens, erste Tagesspitze um 11 Uhr, zweite Spitze um 18 Uhr, ab 20 Uhr sinkender Bedarf bis Mitternacht. Zudem gibt es klare Unterschiede zwischen den fünf Werktagen und dem Wochenende.

Wind und Sonne brachten im Dezember nur 2 bis 15 Prozent ihrer Leistung

Im unteren Teil der Grafik ist der Strominput aus Solar (gelb) sowie aus Offshore und Onshore Wind (dunkel- und hellgrün) eingetragen. Beim maximalen Ertrag (blauer Strich, von mir eingefügt) haben Wind und Sonne am 7. Dezember um 11.15 Uhr 35 Prozent der Last gedeckt. Minimal war die grüne Produktion am 8. Dezember um 20.15 Uhr mit 4 Prozent (roter Strich). Die dort eingetretene Windflaute dauerte fünf Tage.

Eine solche Echtzeitanalyse hat den Vorteil, dass man auf der vertikalen y-Achse die Leistung zu jedem Zeitpunkt ablesen kann (hier in Megawatt, MW). Dies lässt einen Vergleich mit dem installierten Leistungspotenzial der verschiedenen Energieträger zu. Für Wind und Sonne betrug dieses Potenzial im Dezember 2022 131’000 MW.

Das ist rund doppelt so viel, wie in diesem Monat durchschnittlich verbraucht wurde. Und trotzdem konnten Wind und Sonne diesen Bedarf nur zu 4 bis gut 30 Prozent decken.

Schauen wir nun, wie die Lücken, die wegen der neuen Erneuerbaren entstanden sind, gefüllt wurden. Wie die nächste Grafik von der gleichen Webseite zeigt, wird der fehlende Strom durch Kernenergie, Braun- und Steinkohle sowie Erdgas gedeckt.

Von unten nach oben sehen wir konstanten Bandstrom aus Kernenergie (rot) von 4’000 MW, leicht nach Tagesrhythmen geregelten Braunkohle- (hellbraun) und Steinkohle-Strom (dunkelbraun) im Umfang von 16’000 und 12’000 MW, sowie zuoberst (orange) stark regulierten Erdgas-Strom, der zwischen 10’000 und 20’000 MW schwankt.

Drei Viertel des Dezember-Stroms aus fossilen Quellen und Kernkraft

Deutschland ist also imstande, den in Dunkelflauten fehlenden Winterstrom aus eigener Kraft zu ersetzen. Das Land tut dies aber mit den von der Politik geächteten Energieträgern Kernkraft, Kohle und Gas – aus denen es ja gänzlich aussteigen will. Und die Dimensionen sind gewaltig: Drei Viertel des Bedarfs – 40’000 bis 53’000 MW – kamen über Wochen von diesen Backup-Kraftwerken.  

Das hat zur Folge, dass der CO2-Fussabdruck der deutschen Stromproduktion einer der schlechtesten in Europa ist. Auf der Webseite «Electricity Maps» (siehe hier) kann die Kohlenstoff-Intensität aus der Stromerzeugung weltweit verglichen werden. Die nächste Grafik zeigt einen 30-Tage-Durchschnitt bis zum 15. Dezember 2022.

Unter den europäischen Ländern hat Deutschland mit 647 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde den dritthöchsten Wert (dunkelbraun). Nur Polen und Rumänien sind noch schlechter (schwarzbraun). Frankreich mit seinen Kernkraftwerken liegt mit 136 Gramm weit darunter (grüngelb). Die Schweiz gehört mit 138 Gramm ebenfalls zur Spitzengruppe bezüglich tiefer CO2-Intensität, die von Norwegen und Schweden angeführt wird (grün).

Rasche Abnahme des Gases in den Speichern

Zudem sind in dieser Periode von Dunkelflauten die Handelspreise an der Strombörse gestiegen. Nachdem sie im Oktober und November noch zwischen 100 und 250 Euro pro Megawattstunde lagen, ist ihre Bandbreite Ende November, als die Dunkelflauten begannen, und im Dezember auf 250 bis 500 Euro gestiegen.

Und schliesslich hat sich wegen des massiven Einsatzes der Gaskraftwerke das Erdgas in den Speichern, das wegen des Ukraine-Krieges besonders wertvoll ist, überdurchschnittlich rasch geleert.

Es ist kaum zu glauben, dass die deutsche Politik noch immer davon überzeugt ist, mit einem massiven Ausbau von Wind und Solar könne die Stilllegung aller Kohle- und Kernkraftwerke kompensiert und ein stabiles und umweltfreundliches Elektrizitätssystem gebaut werden. Denn auch ein solcher Ausbau wird nichts daran ändern, dass bei Dunkelflauten kein Windrad dreht und Solaranlagen kaum etwas bringen. Das deutsche Stromsystem unter diesen Bedingungen als «grün» und nachhaltig zu bezeichnen, ist absurd.

7 Kommentare zu “Dunkelflaute in Deutschland: Kohle und Gas statt Wind und Sonne

  1. Torsten Gürges
    Torsten Gürges

    Thema „Speicherung“: Mir ist es wichtig, dass es nicht darum geht, Personen zu kritisieren. Das bringt nichts für die Sachdiskussion. Es geht einzig darum, das Dreieck aus „Versorgungssicherheit“, „Ökologie“ und „Kosten“ entsprechend zu erörtern.
    Sind die Kosten etwas höher (10%, 15%), kann das hingenommen werden, wenn die beiden anderen Bereiche besser aussehen. Aber Wasserstoff?
    Prod. im eigenen Land: Elektrolyseanlagen, die im Bereich von um die 100 GW (D+CH) Überschüsse aufnehmen können. Das passiert selten, kann aber vorkommen. Sonst sind die Anlagen unausgelastet.
    Speicher für Wasserstoff (sehr verlustreiche Speicherung) oder Anlagen zur Umwandlung in Ammoniak/Methan/… in derselben Grössenordnung, die aber meist stillstehen (s. o.).
    Rückverstromungsanlagen im Bereich von ebenfalls ca. 100 GW (D+CH), die ebenfalls oft im Teillastbereich laufen.
    Prod. im Ausland: Alle Anlagen dort, Rückverstromungsanlagen in D/CH + „Carrier“, s. z.B. hier ab Min. 15.56:
    https://vimeo.com/761934482
    Und die ganzen Erneuerbaren hier und dort noch „on top“. Und das ist dann günstig? Und die Materialschlacht dafür ökologisch?
    Nein! Kann es nicht sein! Selbst wenn man einmal den sehr positiven „Africa Energy Outlook“ der IEA von 2022 ansetzt, kommt man kaum unter 3 US$/Kilogramm H2 (als Ammoniak transportiert, sonst teurer) OHNE Rückverstromung (nur Prod.+Transport). Und das halte ich angesichts der oben dargestellten Problematik für zu gering angesetzt. Zudem: Die Rückverstromung müsste aufgrund der hohen Lastwechselgradienten hauptsächlich mittels Gasturbinen erfolgen (Wirkungsgrad unter 50%, Thermodyn. ist unerbittlich).
    Kosten kann dann jeder selbst ausrechnen. Das sind keine 10%, 15% mehr. Sondern 400%, 500% mehr. Bei gleichzeitig fragwürdiger Ökologie. Ist das akzeptabel?
    Und: Die 3 wöchige Flaute in D. benötigte ca. 23 TWh Residuallast in 3 Wochen. Bedeutet (Wirkungsgrad!): Von den 130 TWh H2, die für Deutschland gedacht sind, sind um die 50 TWh in diesen 3 Wochen „weg“.

    • Jörg Hofstetter
      Jörg Hofstetter

      Ich sehe Probleme von Wasserstoff natürlich auch. Ganz sicher darf/kann er nicht für Autos eingesetzt werden!!! (wie Porsche dies tun möchte)
      In der von mir zitierten Studie zur Schweiz wurde mit folgenden Kosten gerechnet:
      „grünen Wasserstoff wird mit 6-8 CHF/kg (210 CHF/MWh) heute, ca. 5-6 CHF/kg (165 CHF/MWh) 2030, ca. 3-4 CHF/kg (105 CHF/MWh) 2040 und ca. 2-3 CHF/kg (75 CHF/MWh) im Jahr 2050 erwartet. Für blauen Wasserstoff, d.h. inklusive CO2-Abtrennung bei der ErdgasDampfreformierung, wurde ein Preis von 79 CHF/MWh im Jahr 2050 (bei 90% Abscheideeffizienz von CO2“ – deckt sich mehr oder weniger mit Ihren Zahlen.

      Diese hohen Kosten sind nur vertretbar, weil die Technik nur für den Teil der Versorgung eingesetzt wird, der anders kaum abgedeckt werden kann.

      Sehe sie eine bessere Alternative?

  2. Jörg Hofstetter

    Merci für Agorameter-Quelle, interessant!
    was etwas auffällt: bio nimmt von heute nach 2040 sogar ab? Geothermie wird nicht erwähnt?
    Sicher sind gegenüber heute auch in der PV Produktion an Randzeiten/Winter
    noch Optimierungen möglich (Ost/West Ausrichtung, Vertikal bifazial, PV in Höhenlagen).

    Trotzdem bleibt natürlich eine Lücke. Ich denke es ist allgemein bekannt, dass die technische Herausforderung nicht in der Produktion sondern der Speicherung liegt:
    – lokale Speicher, z.B. Salzspeicher im Keller
    – Nutzung der Auto-Akkus (im eingebauten Zustand oder nach einem Wechsel in einer Akku-Zentrale)
    – Speicherseen und Pumpspeicher
    etc. da werden sicher auch noch andere Technologien auf dem Markt erscheinen.

    In der von mir zitierten Studie geht man übrigens davon aus, dass in der Schweiz im Jahr 2050 ca. 13 TWh/Jahr via Wasserstoff oder andere synthetische Gase erzeugt wird. Ein Teil davon wird wohl mit Sommerstrom, der andere Teil wird wohl importiert werden (Für Deutschland wohl ungefähr Faktor 10).

    • Torsten Gürges
      Torsten Gürges

      Ja, die Biomasse soll abnehmen, da die Maismonokulturen für Biogasproduktion sehr schädlich und bodenauslaugend sind und auch mit den Flächen für Wind und PV konkurrieren. Geothermie ist eher ein Nischenprodukt. Im Moment sind unter 20 MW(!) installiert. Zu Preisen, über die wir lieber nicht sprechen. Da längst nicht alle Gebiete dafür geeignet sind, ist eine Steigerung in erforderlichem Maßstab nicht möglich bzw. würde mit den anderen Ausbauzielen kollidieren.
      Die ganzen schönen „Tricks“ wie Lastabwürfe bei Industrieunternehmen, bidirektionale Lade-/Entladestellen für die E-Autos, Abschalten von Wärmepumpen, etc. sind bei Agora schon berücksichtigt (daher „Zukünftige Nachfrage flexibilisiert“).
      Der Punkt ist: Es reicht nicht. Selbst nach diesem „Monsterausbau“ und all diesen Tricks nicht annährend. Und Studien hin oder her: Man brauche eine niet – und nagelfeste Energieversorgung auch während 3 Wochen mit schlechtem, kaltem Wetter. Die Studie, die das realistisch und zu bezahlbaren Preisen anhand realer Wetterdaten von zurückliegenden 15, besser 20 oder 25 Jahren, darstellt, die habe ich noch nie gesehen. Für D. ohnehin nicht. Aber auch für die Schweiz – mit den besseren Ausgangsbedingungen – wird das extrem „eng“. Wasserstoff ist da der Retter? Das bezweifele ich sehr. Nicht technisch. Aber finanziell. S. nächster Post.

  3. Roland Klaus
    Roland Klaus

    Danke für die Interessante Grafik. Meine Frage: musste die fehlende Energie, das Delta zwischen Produktion und Verbrauch, z.B am 1. Tag rund 10’000MW (weisse Fläche) mittels Import gedeckt werden? Wenn das stimmt, wäre noch interessant zu wissen, woher und mit welchem Rohstoff? Wahrscheinlich würde die Bilanz dadurch noch ungünstiger. Die kleine Überproduktion vom 7.12. wurde dann wohl exportiert? besten Dank für eine Präzisierung.

  4. Jörg Hofstetter

    Ich interessiere mich eher für die Schweiz und die Zukunft…
    Im neusten Bericht des VSE hat es sehr abschauliche stündliche Grafiken, wie wir im Jahr 2050 in einer typischen Winterwoche unseren Strom produzieren können (S. 39, Abb. 14)
    https://www.strom.ch/de/dokument/energiezukunft-2050-die-energieversorgung-der-schweiz-bis-2050

    Aber ich gebe zu, wir in der Schweiz haben es mit unserer Wasserkraft und den Stauseen schon einfacher als Deutschland.

    • Torsten Gürges
      Torsten Gürges

      Richtig. Die Schweiz hat eine deutlich bessere Ausgangslage als D.
      Allerdings: Das, was die dt. Regierung veranstaltet, hat direkte Auswirkungen auf die Schweiz (und alle anderen Nachbarländer). Schauen Sie sich einmal das Zukunfts- „Agorameter“ an:
      https://www.agora-energiewende.de/service/agorameter/chart/future_power_generation/28.11.2022/17.12.2022/future/2040/
      Die Daten sind von den europ. Netzbetreibern. Das Tool simuliert den Ertrag von erneuerbaren Quellen in D. im Jahr 2040(!) mit Ausbaustufen von 300GW PV, 140 GW Wind onshore und knapp 60 GW Wind offshore mit dem Wetter aus 2022. Da steht vom 28.11 bis etwa 17.12 eine „Wand“ aus Residuallast, die D. irgendwoher braucht! Sehr vorsichtig überschlagen sind es mehr als 20.000 GWh in diesen 3 Wochen. Das sind mehr als 2 mal ALLE Speicherseen und ca. ein Drittel der heutigen el. Jahresenergieproduktion der Schweiz.
      Durchschnittliche Wochenanalysen auf Modellannahmen sind schön und gut. Aber es muss auch klappen, wenn wir nicht im Durchschnitt sind. Und Windenergie? Schauen Sie sich den 9.12. bis 13.12 im obigen Diagramm an: Fast nichts. Und bei „onshore“ sind in D. Niedersachsen, Brandenburg, Meck. Vorpommern, also Bereiche mit Küstenlinien mit dabei, wo der Wind stärker weht. Und trotzdem: Am 11.12. um 0.00 Uhr (demenstprechend auch keine PV!) 2,76 GW Wind aus 140 GW Peakleistung onshore, mithin unter 2%.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert