Was taugt Fotovoltaik? Die Winterlücke wird verdreifacht.
Original in Weltwoche-Grün Nr. 4, 25. August 2022
Die Energiestrategie des Bundes umfasst zwei wichtige Schritte: erstens den Ausstieg aus der Kernenergie und zweitens den massiven Ausbau erneuerbarer Energien wie Solar und Wind. Die Folgen eines solchen Umbaus werden nur sichtbar, wenn das Stromsystem wie hier in der Grafik in Stundenwerten dargestellt wird.

A Die Grafik ganz unten zeigt in Blau den Stromertrag der Schweizer Kernkraftwerke für jede Stunde des Jahres 2019. Die Atomkraftwerke erbrachten ständig eine zuverlässige und geregelte Leistung in der Grössenordnung von etwa 3000 Megawatt (MW). Im Sommer, wo der Verbrauch kleiner ist, wurde sie reduziert.
B Die mittlere Grafik zeigt, was die Solarenergie 2019 lieferte: Die Höhe der Leistungssäulen jeder Stunde flattert hier unregelmässig im Takt der Sonne. Nachts war die Leistung null, in Spitzenstunden etwas über 1000 MW.
C Nun spielen wir die Energiewende durch: Die oberste Grafik simuliert, was Solar künftig leisten müsste, um die gesamte Strommenge, die mit dem Wegfall der Kernkraftwerke verloren geht, zu ersetzen. Gegenüber 2019 müssten die Solaranlagen um das Zwölffache ausgebaut werden – die Grafik zeigt das Resultat: Sommerliche Höchstwerte um 18 000 MW kontrastieren mit Winterhöchstwerten um 3000 MW, mit ständigen nächtlichen Nullwerten dazwischen. Dieser saisonale Schwankungszyklus führt in diesem Modell zu einer Vergrösserung der heutigen Winterstromlücke auf das Dreifache. Dies allein wegen der Substitution der Kernkraftwerke durch Fotovoltaik. Und mit Zwischenspeichern? Wollte man es mit Batterien versuchen, wäre die zwanzigfache Weltproduktion an Lithium-Batterien nötig. Und bei Pumpspeicherwerken müsste man 440 Werke des Typus Linth-Limmern bauen. Kosten über 900 Milliarden Franken.
Für Leute, die Grafiken lesen können sehr anschaulich und überzeugend – aber leider nur für diese. Aber danke, Martin!
Fragen/Bemerkungen zu „Flatterstrom
1. Beinhaltet die eindrückliche Grafik in „Weltwoche-Grün“ die Speicher-, Übertra-
gungs- , Umspann-, Pump- , Turbinierungs- und weitere Verluste ? Da effeltiv die
Sonnenscheindauer < 7 Std./Tag bei einer PV-Intensität (auf Peak bezogen)< 50% beträgt.
2. Könnten Sie mal die während 7 Std. zu pumpende Wassemenge (m3/s) darstellen,
um die PV=0 -Flaute zu überwinden ?
Die Abflussmenge der Aare in SO (ca. 180 m3/s) müsste wahrscheilich vervielfacht
werden bei einer mittleren Pumphöhe von ∆h = 600 m.
3. Wo im System würde die Messung zur Fakturierung vorgenommen und wer be-
zahlt die Verluste bezüglich der Elektrizitätmenge ab PV-Anlage ?
Mit bestem Dank und freudlichen Grüssen
In diesem Modell von 2019 habe ich für jede Stunde des Jahres den realen Input aus der Wasserkraft (plus den kleinen „konventionell-thermisch-erneuerbaren“ Rest) und dem Solar-Flatterstrom dem Verbrauch gegenübergestellt. Die gesamten Brutto-Defizite im Winterhalbjahr ergeben 12,4 TWh. Ohne Verluste.
Die theoretische Pumpspeicherlösung mit Linth-Limmern sieht so aus: Einmal Linth-Limmern voll turbinieren ergibt 0.033 TWh. Man müsste also (12,4:0.033) = 375 solche Werke haben. Weil hier aber Verluste von etwa 20 Prozent anfallen habe ich mit 440 Werken gerechnet. Kosten für eines davon: 2,1 Milliarden Franken.
Der mahnende Artikel “Flatterstrom ” gibt dem Leser sehr eindrückliche und wichtige Informationen. Die Umweltkommission des Ständerates kennt diesen guten Artikel sehr wahrscheinlich leider nicht. Die Umweltkommission des Ständerats (Urek-S) will angesichts des drohenden Strommangels extrem beim Ausbau der Fotovoltaik vorwärts machen. Die Kommission (Urek-S) beschloss vor wenigen Tagen, eine rechtliche Grundlage für die schnelle Realisierung von Freiflächen-Solaranlagen zu schaffen. Bei Neubauten sollen ab 2024 Solaranlagen zur Pflicht werden. Hat die Kommission (Urek-S) eine kurz-, mittel- und langfristige Energiestrategie? Fotovoltaik kann ja nur ein Teil der Lösung sein.