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Fukushima: Einleitung des Kühlwassers ins Meer ist ungefährlich

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 80“ im Online-Nebelspalter vom 4. September 2023 zu lesen.

Tepco, die Betreiberin der drei havarierten Kernkraftwerke in Fukushima Daiichi, hat vor wenigen Tagen zum ersten Mal mehrfach behandeltes Wasser ins Meer eingeleitet (siehe hier). Dieses Wasser stammt aus der Kühlung der Werke, die 2011 beim Kernschmelzunfall beschädigt wurden. Weil die Kapazität der grossen Tanks, in denen das Wasser gelagert wurde, langsam zu Ende ging, muss dieses Wasser nun entsorgt werden.

China und Südkorea haben die Einleitung des kontaminierten Wassers ins Meer stark kritisiert. China hat daraufhin sogar ein Einfuhrverbot von Fischereierzeugnissen aus der betroffenen Region angeordnet. Solche Reaktionen entbehren aber jeder vernünftigen Grundlage.

Was wichtig ist:

– Alle radioaktiven Substanzen mit Ausnahme von Tritium sind aus dem gespeicherten Kühlwasser in Fukushima herausgefiltert worden.
– Die Konzentration von Tritium im Wasser, das ins Meer abgelassenen wird, liegt mehr als 250-mal unter dem entsprechenden Grenzwert.
– Würde man täglich drei Liter vom Wasser trinken, das in Fukushima ins Meer eingeleitet wird, würde man weniger als ein Tausendstel der durchschnittlichen Strahlendosis der Schweiz erhalten.

Im April 2021 hat die japanische Regierung entschieden, dass das in Fukushima gelagerte Kühlwasser nach einer speziellen Reinigung innerhalb von dreissig Jahren ins Meer eingeleitet werden soll. Unmittelbar darauf hat die Regierung die Internationale Atomenergie Agentur (IAEA) ersucht, die Sicherheit dieser Lösung zu evaluieren. Nach aufwändigen Untersuchungen hat die IAEA 2023 einen umfassenden Bericht veröffentlicht (siehe hier), in dem sie bestätigt, dass die vorgesehene Einleitung des Kühlwassers allen internationalen Sicherheitsstandards entspricht.

Eine spezielle Anlage filtert alle gefährlichen Nuklide aus dem Wasser

Die folgende IAEA-Grafik zeigt die sechs Stationen des Reinigungsprozesses in Fukushima Daiichi, die das kontaminierte Wasser von den Lagertanks bis zur Einleitung ins Meer durchläuft.

Quelle: IAEA

Das Wasser, das für die permanente Kühlung der beschädigten Reaktoren gedient hat (1), wird in Tanks eingelagert (2). Der Grossteil der Radionuklide, mit denen dieses Wasser kontaminiert ist, wird mit dem sogenannten ALPS-System (Advanced Liquid Processing System) praktisch vollständig herausgefiltert – mit Ausnahme von Tritium (3). Das Wasser in den nachfolgenden Tanks erfüllt deshalb alle Sicherheitsvorgaben für Stoffe, ausser für Tritium (4). Um auch die Vorgaben für Tritium einhalten zu können, wird das Wasser mit angepumptem Meerwasser um ein Vielfaches verdünnt (5). Danach liegt die Tritium-Konzentration bei weniger als einem Siebtel des Wertes, den die Weltgesundheits-Organisation (WHO), als Grenzwert für Trinkwasser definiert hat.

Tritium wird in der Atmosphäre ständig neu gebildet

Das verdünnte Wasser wird schliesslich über einen ein Kilometer langen Tunnel ins Meer geleitet (6).  Die Einleitung erfolgt in einem Gebiet, wo der Fischfang verboten ist. Wie in der Grafik vermerkt, begleitet und überwacht die IAEA den gesamten Prozess.

Tritium ist ein radioaktives Wasserstoff-Isotop mit einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren. Es zerfällt also relativ rasch. Seine Betastrahlen sind äusserst energiearm und können deshalb nicht in den Körper eindringen.

Tritium wird in der oberen Atmosphäre auf natürliche Art ständig neu gebildet. Dies geschieht, wenn kosmischen Strahlung auf Atome der Luft trifft. Das Tritium gelangt durch den Regen auf die Erdoberfläche und dort meistens ins Meer.

In welchem Verhältnis steht nun die Menge des in Fukushima ins Meer eingeleiteten Tritiums zur Menge des natürlich produzierten Tritiums? Genaueres weiss der Kernphysiker Walter Rüegg, der sich als Chefphysiker der Schweizer Armee vor allem mit Strahlenbiologie beschäftigt hat. Nach seinen Angaben entstehen pro Jahr auf natürliche Weise etwa 140’000 Terabecquerel (TBq) Tritium (das ist eine 14 mit 16 Nullen). In Fukushima sind in den über Tausend Tanks total rund 800 TBq gelagert (das ist eine 8 mit 14 Nullen).

Grenzwert um das 280-fache unterboten

Weil Tepco diese Gesamtfracht aber über 30 Jahre verteilt ins Meer einleiten will, muss die jährliche Menge berechnet werden. Berücksichtigt man dabei noch den radioaktiven Zerfall von Tritium, wird in Fukushima jährlich rund 9000-mal weniger von diesem Stoff ins Meer abgegeben als global auf natürliche Weise neu entsteht.

Sogar ausgiebiges tägliches Trinken des Wassers, das in Fukushima ins Meer gelangt, wäre in keiner Weise gesundheitsgefährdend.

Auch die international gültigen Richtwerte zeigen, dass die Einleitung des Kühlwassers in Fukushima gefahrlos ist. Hier ist zuerst der Grenzwert für die Einleitung von Tritium ins Meer zu beachten. Die International Commission on Radiological Protection ICRP (siehe hier) setzt diesen Wert bei 60’000 Bq (Becquerel) pro Liter an. Die IAEA zeigt in ihrem Monitoring täglich, wieviel aktuell eingeleitet wird (siehe hier). Am letzten Freitag (1. September) waren es 208 Bq pro Liter. Das liegt gut 280-mal tiefer als der Grenzwert.

Fukushima-Reaktoren haben im Betrieb doppelt so viel Tritium abgegeben

Und dann gibt es noch den strengeren Richtwert für die erlaubte Belastung durch Tritium im Trinkwasser. Hier definiert die WHO eine Grenze von 10’000 Bq pro Liter: Die gemessenen 208 Bq liegen fast 50-mal darunter.

Tritium entsteht aber nicht nur auf natürliche Weise, sondern auch während des ordentlichen  Betriebs von Nuklearanlagen. Ein Bericht von 2020 des Japanischen Wirtschaftsministeriums (siehe hier) listet die Abgabe von Tritium verschiedener Kernkraftwerke auf der ganzen Welt auf. Rückwirkend für 2010 beträgt der Wert für einen Reaktor in Fukushima Daiichi 3,7 TBq Tritium pro Jahr, das ins Meer und in die Luft ging. Die sechs Blöcke, die dort früher in Betrieb waren, haben zusammen also jährlich 22 TBq Tritium abgegeben – das Doppelte von dem, was jetzt wegen des Kühlwassers pro Jahr ins Meer gelangt.

China und Südkorea geben mehr Tritium ab

Schauen wir auf die Kernkraftwerke in den Ländern, die protestiert haben: Der einzige in diesem Bericht aufgeführte chinesische Reaktor gibt pro Jahr 42 TBq ab, ein südkoreanischer Reaktor 52 TBq. Die Kernkraftwerke in den Ländern, die jetzt protestieren, geben also deutlich mehr Tritium ab, als in  Japan nun mit dem verdünnten Kühlwasser ins Meer gelangt. Nochmals in einer anderen Kategorie ist aber die Menge an Tritium, die von der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague in Frankreich ins Meer fliesst. Dort werden jährlich 13’700 TBq abgegeben. Aber selbst das ist noch immer viermal unter dem Grenzwert.

Wie ungefährlich das eingeleitete Kühlwasser in Fukushima ist, zeigt auch dieser Vergleich: Wenn man jeden Tag drei Liter gewöhnliches Schweizer Wasser zu sich nimmt, erhält man durch das natürlich vorkommende Tritium, das im Wasser gelöst ist, im schlimmsten Fall eine jährliche Strahlendosis von 0,25 Mikrosievert (nach Berechnungen von Walter Rüegg). Das ist 24’000-mal weniger, als man in der Schweiz durch natürliche Strahlung insgesamt abbekommt.

1600-mal weniger als die durchschnittliche natürliche Strahlung

Weil das Wasser, das in Fukushima ins Meer eingeleitet wird, aber 15-mal mehr Tritium enthält als unser Trinkwasser, erhöht sich die Strahlendosis pro Jahr auf 3,75 Mikrosievert. Das ist aber immer noch 1600-mal weniger als die durchschnittliche natürliche Strahlung. Mit andern Worten: Sogar ausgiebiges tägliches Trinken des Wassers, das in Fukushima ins Meer gelangt, wäre in keiner Weise gesundheitsgefährdend.

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