Der Originalbeitrag ist erschienen in der „Weltwoche“ Nr. 20/24 vom 16. Mai 2024.
Wenn sich alle Schweizer Haushalte an die energiepolitischen Empfehlungen der Politik halten, kommt es zum Systemkollaps.
Welche Folgen hat es, wenn sich Schweizer Bürger so verhalten, wie es die Energiestrategie 2050 fordert? Das zeigt sich exemplarisch am Beispiel eines Bekannten, der mir Einblick in die Energiebilanzen seines Haushalts gewährt hat. Da er anonym bleiben möchte, nennen ich ihn hier Herr Muster. Dieser Name ist passend, weil er als Hausbesitzer alle Massnahmen umgesetzt hat, die zur Erreichung der Ziele unserer Energiestrategie im privaten Bereich gefordert sind.
Wärmepumpen und Teslas
Herr Muster wohnt in einer Überbauung von mehreren Einfamilienhäusern, die sich auf einer sonnenreichen Ebene befinden. Vor einigen Jahren hat er auf seinem Haus eine Fotovoltaik-Anlage installiert, die die optimale Dachseite vollständig nutzt. Letztes Jahr hat er die fossile Heizung durch eine Wärmepumpe ersetzt und anstelle seines Verbrenner-Autos einen elektrisch betriebenen Tesla gekauft.
Wie hat sich nun der Stromverbrauch in der kritischen Winterzeit wegen diesen Neuanschaffungen verändert? Zu diesem Zweck vergleichen wir den Dezember 2023 mit dem Dezember 2022, als noch keine Wärmepumpe installiert war und kein Elektro-Auto gefahren wurde. Wie die Abrechnungen zeigen, ist der Stromverbrauch in diesem Monat von 483 Kilowattstunden im Jahr 2022 auf 1400 Kilowattstunden im Jahr 2023 gestiegen: Mit der Umsetzung der vom Staat empfohlenen Dekarbonisierungs-Massnahmen ist der Stromverbrauch im Haushalt Muster also beinahe um des Dreifache gestiegen.
Wie viel davon aber konnte «grün», das heisst mit dem Ertrag aus der eigenen Fotovoltaikanlage, abgedeckt werden? Obwohl Musters im Dezember 2023 sogar etwas mehr Sonnenstrom produzierten als im Jahr zuvor, konnten sie den eigenen Stromverbrauch in diesem Monat lediglich zu 10 Prozent durch ihre eigene Produktion decken. Aber sogar dieser schlechte Monatsdurchschnitt gibt ein noch zu positives Bild: Denn er täuscht darüber hinweg, dass es viele Tage gab, an denen der Solarstrominput gegen null tendiert hat.
Offensichtlich wurde der Strom oft zu einem Zeitpunkt erzeugt, an dem er gar nicht gebraucht wurde.
Nur an einem einzigen der 31 Tage war der Ertrag fast so gross, dass der Verbrauch hätte gedeckt werden können. Aber nur theoretisch, denn wie die Abrechnungen zeigen, musste an diesem Tag rund die Hälfte des selbst produzierten Stroms ins öffentliche Netz eingespeist werden. Offensichtlich wurde der Strom oft zu einem Zeitpunkt erzeugt, an dem er gar nicht gebraucht wurde. Und das gilt auch für den ganzen Monat: Selbst in diesem Wintermonat mit sehr wenig Solarstrom fliesst dieser oft zu einem Zeitpunkt, wo gar kein Bedarf vorhanden ist.
Umso mehr musste Familie Muster ihren erhöhten Verbrauch durch Strom aus dem öffentlichen Netz abdecken. So stieg denn die Menge des vom lokalen Elektrizitätswerks bezogenen Stroms in unserem Dezember-Vergleich um den Faktor 3,1 – also noch stärker als der Verbrauch selber. Wenn viele andere Hausbesitzer also die gleichen Massnahmen ergreifen wie Herr Muster, stellt das eine grosse Herausforderung dar für unser öffentliches Elektrizitätssystem.
Natürlich gilt das nur für diesen einen Wintermonat. Aber es zeigt exemplarisch, welche Probleme in der kritischen Winterzeit von November bis Februar auf uns zukommen, wenn es viele Muster-Haushalte gibt, die in dieser Zeit klar mehr Strom benötigen als ohne Wärmepumpe und ohne E-Auto. Und wie gezeigt, löst ein massiver Ausbau der Fotovoltaik-Dachanlagen das Problem nicht. Und ebenso wenig würden Batterien oder bidirektionale E-Fahrzeuge helfen, weil es gar nicht genügend Überschussstrom gibt, mit dem sie geladen werden könnten. Auch dies zeigen die Abrechnungen: Nur an fünf von 31 Tagen gab es eine kleine Menge Strom, die für das Laden der Batterien zur Verfügung gestanden wäre. In keinem Fall hätte das aber ausgereicht, um am nächsten Tag auch nur annähernd mit Strom versorgt zu sein.
Nur Bandstrom löst Probleme
Alle Musterhaushalte, die eine Wärmepumpe installieren und ein E-Fahrzeug kaufen, vergrössern also die Gefahr, dass wir in kalten Wintermonaten in eine Strommangellage geraten, die letztlich zu einem Blackout führen könnte. Heute aber sind alle diese Musterhaushalte im Winter abhängig vom zuverlässigen Bandstrom aus Kernkraftwerken, vom Strom aus Speicherseen und Flusskraftwerken sowie von Importstrom: Nur so kann die Stromlücke gefüllt werden, die bei Herrn Muster wie gezeigt im Dezember 90 Prozent des Bedarfs ausmachte.
Gratulation zum Artikel in der Botschaft vom 22. Mai 24 betr. Stromgesetz. Ich teile ihre Meinung bezüglich der Unbrauchbarkeit dieser Vorlage voll und ganz. Man stelle sich vor, die PV-Anbauschlacht kommt so wie vom Gesetzgeber geplant. Dann werden wir über eine installierte Leistung von rd. 25 Gigawatt verfügen. Die aktuelle Spitzenleistung aller installierten Kraftwerke in der Schweiz beträgt im Vergleich aktuell ca. 13 GW. Die 25 GW werden an einem sonnigen Sommertag ins Netz eingespiesen, aber der Verbrauch im Sommer beträgt leider gemäss Elektrizitätsstatistik des Bundes nur 9 GW. Dies restlichen 16 GW müssen also irgendwo verbraten werden (Pumpspeicherung –> die beiden grossen Werke vermögen für einige wenige Stunden je 1 GW aufzunehmen, Wasserstofferzeugung, Batterien laden, ….) Das System wird kollabieren.
Plausibel erklärt Herr Schlumpf. Also heisst das, dass die Schweiz diesbezüglich offensichtlich aufs falsche Pferd setzt und somit viel Zeit und Geld verschwendet, das anderswo dann fehlen wird und uns erst noch in eine energietechnische Sackgasse führen wird. Stromgesetz NEIN!