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Impfen rettet Millionen von Menschenleben

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 103“ im Online-Nebelspalter vom 4. März 2024 zu lesen.

Die Geschichte des Impfens ist wahrscheinlich die wichtigste Fortschrittsgeschichte der modernen Medizin. Mit solchen «Vakzinationen» konnte der Ausbruch vieler unheilbaren Krankheiten seit dem 19. Jahrhundert eingedämmt oder sogar verhindert werden. 1980 meldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass die Pocken als erste Krankheit überall auf der ganzen Welt ausgerottet seien. Vielleicht gelingt das in den nächsten Jahren auch bei der Kinderlähmung.

Was wichtig ist:

– Angestossen wurde die Impfgeschichte durch die erste Pockenimpfung von Edward Jenner im Jahr 1796.
– Der Anteil der Kleinkinder, die weltweit gegen Infektionskrankheiten immunisiert worden sind, ist seit 1980 überall stark gestiegen. Beim Dreifach-Impfstoff (gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten) liegt diese Durchimpfungsrate heute bei 81 Prozent.
– Dank Impfungen ist es 1977 gelungen, die Pocken vollständig auszurotten.
– Gemäss Daten der USA, die auf viele entwickelte Länder übertragbar sind, gibt es bei Diphtherie, Masern, Mumps, Kinderlähmung, Röteln, Keuchhusten und Tetanus keine Todesfälle mehr.

Im Mai 1796 fand in England ein denkwürdiges Experiment statt. Dem Arzt Edward Jenner war zu Ohren gekommen, dass Melkerinnen, die sich an den Eutern infizierter Kühe eine leichte Form von Kuhpocken zugezogen hatten, von der viel schwereren Pockenerkrankung beim Menschen geschützt zu sein schienen. Wagemutig übertrug Jenner infiziertes Material aus der Hand einer jungen Milchbäuerin, die an Kuhpocken erkrankt war, auf eine Hautritzung des gesunden achtjährigen Sohnes seines Gärtners. Sechs Wochen später verabreichte (injizierte) Jenner dem Jungen Pockenviren aus den Pusteln eines Pockenkranken. Der Knabe erkrankte nicht: Er war tatsächlich gegen die Pocken immun geworden.

Mit Jenners Experiment begann die fantastische Geschichte des Impfens 

Nachdem Jenner auch seinen eigenen Sohn auf diese Weise «vakziniert» hatte (abgeleitet vom lateinischen vacca für Kuh), machte er seine Entdeckung 1797 der Royal Society of London bekannt. Dieses Spitzengremium der damaligen Wissenschaft wies seinen Bericht aber als unglaubwürdig zurück. Nach durchschlagenden Erfolgen mit weiteren Vakzinierungen setzte sich Jenners Methode danach aber in weiten Teilen Europas rasch durch.

Damit war das Prinzip des Impfens geboren, das eine Krankheit nicht heilt, sondern diese zu verhindern versucht: Mit den Impfstoffen, die entweder nur einen Teil oder eine abgeschwächte Form des Erregers enthalten, wird eine Immunreaktion des Körper stimuliert. Damit soll erreicht werden, dass das Immunsystem, wenn es auf den echten Erreger trifft, diesen besser erkennt und sich gegen ihn schützen kann.

Die WHO setzt Qualitätsstandards bei den Impfstoffen

Machen wir jetzt einen Sprung in die letzte Phase des langen Kampfes gegen die Pocken. Die folgende Grafik von der Webseite «Our World in Data» zeigt die Zahl der weltweit aufgetretenen Pocken-Fälle pro Jahr seit 1920 (siehe hier):

Quelle: Our World in Data

Die hier gezeigten Zahlen sind mit Sicherheit viel zu niedrig, weil es bis in die 1970-er Jahre keine internationale Organisation gab, die lokale Krankheits-Meldungen verifizieren konnte. Experten schätzen, dass die realen Zahlen um den Faktor 50 bis 100 grösser sein könnten. Die Grafik zeigt jedoch, dass die Bemühungen um die Ausrottung der Pocken eine langfristig erfolgreiche Geschichte ist, die aber immer wieder durch empfindliche Rückschläge gefährdet war.

Zudem gelang es in Europa, Nordamerika und Australien bereits vor 1950 pockenfrei zu werden. Am längsten zog sich der Kampf in Südasien hin. Eine wichtige Wegmarke war dabei die Gründung der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 1948 (siehe hier). Erst so konnten internationale Qualitätsstandards für die Herstellung von Impfstoffen durchgesetzt werden. 1966 beschloss die WHO eine spezifische Kampagne zur Ausrottung der Pocken.

Eine grosse Durchimpfung schützt die ganze Bevölkerung

Immer wieder aber gab es zu wenig Impfstoffe, oder die Krankheit wurde wegen der wachsenden Globalisierung in zuvor «saubere» Länder wieder eingeschleppt. Schliesslich aber gelang es sogar in Indien, der letzten Hochburg der Pocken, durch umfangreiche Impfkampagnen die Zahl der Infektionen bis 1976 auf Null zu senken. 

Eine Schlüsselrolle beim Impfen spielt die sogenannte Herdenimmunität. Mit diesem Begriff wird zum Ausdruck gebracht, dass Länder, in denen eine relativ grosse Zahl der Einwohner geimpft sind, besser in der Lage sind, die Ausbreitung der entsprechenden Krankheit einzudämmen. Für die medizinische Bewältigung einer solchen Epidemie kann diese Durchimpfungsrate entscheidend sein.

Bei sieben Krankheiten sind heute vier von fünf Kindern geimpft

In der nächsten Grafik sehen wir die Durchimpfungsrate einjähriger Kinder bei den wichtigsten ansteckenden Krankheiten. Die Prozentzahlen geben den weltweiten Stand von 1980 bis 2021 wieder (auch diese Grafik stammt von «Our World in Data», siehe hier).

Quelle: Our World in Data

Die Grafik zeigt, wie die Impfraten in den letzten vierzig Jahren überall stark gestiegen sind. Das bedeutet, dass viele Kleinkinder heute vor Krankheiten verschont bleiben, an denen sie noch vor kurzem gestorben wären.

2021 lagen die Impfraten der einjährigen Kinder bei sieben Krankheiten über 80 Prozent: Tuberkulose (84 Prozent), Masern und die Dreifach-Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten (beide 81 Prozent), Hepatitis B und Kinderlähmung/Polio (beide 80 Prozent). Weltweit haben also vier von fünf Kindern bei diesen Krankheiten einen Immunschutz. Noch nicht soweit ist es bei Haemophilus Influenza (nicht zu verwechseln mit der Grippe), Röteln, Pneumokokken, Rotaviren und Gelbfieber.

Rückschläge wegen Corona

Beunruhigend ist zudem, dass in den letzten zwei Jahren die Quoten bei allen Krankheiten mit den bisher höchsten Impfraten zurückgegangen sind. Dieser Rückschlag, der wegen der Corona-Pandemie entstanden ist, zeigt, wie stark ein funktionierendes Gesundheitswesen (hier die Impfungen) von der wirtschaftlichen Prosperität abhängig ist.

Zum Abschluss gehe ich noch auf die Geschichte einer Infektionskrankheit ein, die Kinder auf besonders schreckliche Weise befällt: die Kinderlähmung. Sobald das Poliovirus, das die Kinderlähmung verursacht, in das Nervensystem eingedrungen ist, kann es in kurzer Zeit zu unumkehrbaren Lähmungen führen, die im schlimmsten Fall den Erstickungstod bedeuten. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden viele Städte auf der ganzen Welt von schrecklichen Polio-Epidemien heimgesucht.

Kinderlähmung ist um 99 Prozent zurückgegangen

Mit der Entwicklung des ersten Impfstoffes gegen Polio, der 1955 erstmals auf den Markt kam und danach laufend verbessert wurde, gelang es zunehmend, die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Die nächste Grafik zeigt die Zahl der weltweiten Opfer pro Jahr, die durch das Poliovirus gelähmt wurden. Der Zeithorizont reicht von 1980 bis 2020 (auch diese Grafik stammt von «Our World in Data», siehe hier).

Quelle: Our World in Data

Der Höchststand der Opferzahlen betrug also 460’000 pro Jahr, das Minimum lag unter 1000. Damit konnte die Zahl der Menschen, die von Polio betroffen sind (in erster Linie Kinder), in den letzten vierzig Jahren um über 99 Prozent gesenkt werden. Dabei zeigt die Grafik, dass als erste Region Nord- und Südamerika 1994 poliofrei wurden. Der gleiche Durchbruch gelang im Jahr 2000 im westlichen Pazifik. In Europa war es 2002 so weit, in Südostasien 2014 und in Afrika 2020. In diesem letzten betrachteten Jahr gab es Kinderlähmung nur noch in Pakistan und Afghanistan.

Die Grafik zeigt auch hier, dass mit der COVID-19-Pandemie die Opferzahlen leider wieder leicht gestiegen sind, weil die Impfquote gesunken ist. Aus den Erfahrungen mit der Bekämpfung der Pocken wissen wir heute aber, was es braucht, um auch Polio auszumerzen: einen flächendeckenden Zugang zu den neuesten oralen Impfstoffen, sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle sowie ein zuverlässiges Monitoring der akuten Fälle.

200 Jahre Fortschrittsgeschichte

1820 lebte eine Milliarde Menschen in grosser Armut. Krieg, Hunger und Tod waren allgegenwärtig. Dann setzte eine beispiellose Entwicklung ein. Heute wird die Erde von acht Milliarden Menschen bevölkert. Die Wirtschaftsleistung ist um das Hundertfache gestiegen, und die Menschen leben im Schnitt so lange wie nie zuvor.
Ich gehe in einer Serie einigen zentralen Aspekten dieser Fortschrittsgeschichte nach – wie immer illustriert durch einschlägige Grafiken.

Bisher erschienen:
Reichtum und Wohlstand dank wirtschaftlichem Wachstum: siehe hier
Extreme Armut ist stark zurückgegangen: siehe hier
Massiver Rückgang der Kindersterblichkeit: siehe hier
Genug zu essen für alle: siehe hier
Ungeplantes Glück: Wie werden immer älter: siehe hier






3 Kommentare zu “Impfen rettet Millionen von Menschenleben

  1. Martin Arnold
    Martin Arnold

    Guten Tag Herr Schlumpf,

    Ich schätze Ihre Meinungen sehr, vor allem zum Thema Energie, doch beim Thema Impfen würde eine kritischere Einstellung wohl nicht schaden. Da halte ich mich lieber an Dr. Gerd Reuther, der einige sehr interessante Fakten über dieses Thema publiziert hat.
    Auch die Bücher „Dissolving Illusions“ von Suzanne Humphries und Roman Bystianyk sowie „Impfen, das Geschäft mit der Angst“ von G. Buchwald kann ich sehr empfehlen. Heisst nicht dass die nur recht haben, jedoch konnte ich als Laie zu diesem Thema einige interessante Erkenntnisse gewinnen.
    Ich habe mich vor dem Corona-Wahn mit dem Thema Impfen nicht befasst und die offiziellen Standpunkte geglaubt. Nach den ungeheuerlichen Corona-Betrug habe ich meine Meinung gründlich geändert. Da gibt es kein Zurück mehr.
    Aber wie gesagt, ich bin deswegen kein totaler Impfgegner, sondern betrachte mich als interessierter Laie, der der offiziellen Lehrmeinung nun bei weitem nicht mehr einfach so vertraut.
    Corona-Wahn sei Dank.
    Und noch was zum Thema Kinderlähmung: Lesen Sie doch mal das kleine Buch „DDT/Polio, Virology versus Toxicology“ von Jim West.

    freundliche Grüsse

  2. Roland Knecht
    Roland Knecht

    Vielen Dank für die eindrücklichen Zahlen und Fakten
    Ich denke auch, dass Impfungen grundsätzlich ein Segen für die Menschheit sind. Hingegen bin ich kritisch eingestellt zur Corona Impfung.
    1. Scheinbar wurde diese nicht gleich ordentlich geprüft wie es das Gesetz vorschreibt.
    2. Weil die Leute nicht überzeugt wurden, sondern genötigt oder in manchen Ländern gezwungen.

    Das war falsch und hat riesige Schäden verursacht, vermutlich kriminell, im besten fall Fahrlässig. Wie sie richtig schreiben, sind andere sinnvolle Kampagnen nun durch Rückschläge in diesem wichtigen Streben nach der Vermeidung von echtem Leid zurückgeworfen.
    Generell haben die sogenannten Corona Massnahmen die Armutsbekämpfung um 20 Jahre zurückgeworfen.
    Grauenhaft.
    Machen sie doch einmal eine Statisik über Nutzen und Schäden der Corona Impfung.
    Ich finde das Kapitel muss aufgearbeitet werden, wenn die Schäden nicht ins unendliche verlängert werden sollen.

    Freundlicher Gruss

    • Torsten Gürges
      Torsten Gürges

      Ich stimme Ihnen voll zu. Jede medizinische Massnahme, die an einem gesunden Menschen durchgeführt wird – und das ist bei einer Impfung für gewöhnlich der Fall – erfordert ZWINGEND(!) das freiwillige Einverständnis dieses Menschen. Nur auf direkten physischen Zwang zu verzichten ist NICHT ausreichend! Das Einverständnis mit Nachteilen in anderen Bereichen zu erpressen ist ebenfalls unzulässig!
      Am Thema Covidimpfungen ist auch sehr anschaulich fest zu machen, wie sehr es darauf ankommt, ein Gesamtbild zu sehen. Es bringt nichts, die Zahl der „Covidtoten“ zu verringern, wenn gleichzeitig an verschiedenen anderen Stellen Probleme auftauchen, die diesen Erfolg relativieren oder gar konterkarieren. Die globalen Daten sind hier eindeutig. Und sie sprechen gegen die Covidimpfstoffe. Die Daten des UK’s Office for National Statistics (eine der wenigen Behörden, die halbwegs brauchbare Daten auf Bevölkerungs – Metaebene erhoben haben) zeigen eine durchgehend negative Wirkung der Covidimpfstoffe auf die all cause mortality (Gesamtsterblichkeit).
      Selbst wenn man NUR die Kategorie „death involving Covid-19“ (im deutschen „an und mit Covid gestorben“) betrachtet, sieht es, ausser für kurze Zeit im Jahr 2021, vor den Omikron – Varianten, düster aus. Und die Erhebung eines Todesfalles nur auf Basis von PCR – Tests unterschiedlicher und meist nicht permanent überwachter Sensitivität und Spezifität sowie mit völlig unterschiedlichen Ct – Werten ist ohnehin fragwürdig.
      Kurz: ALLE medizinischen Behandlungen müssen stets reliabil, valide und objektiv auf ihr gesamtes(!) Kosten – Nutzen – Profil untersucht werden. Und zwar nicht nur auf Bevölkerungs – Metaebene, sondern zwingend(!) auch individuell.

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