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Kein Trend zu mehr Extremwetter

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 57“ im Online-Nebelspalter vom 17. Oktober 2022 zu lesen.

Am 10. Oktober erschien in der NZZ ein Artikel mit dem Titel «Der Sommer 2022 ist ein Weckruf», aus der Feder von Sonja Seneviratne. Die Klimaforscherin der ETH Zürich schrieb darin: «Wenn Klimaforschende im Frühling davor gewarnt hätten, dass wir diesen Sommer so stark von Klimaextremen betroffen sein könnten, dann wären wir von vielen – wie so oft – als Alarmisten bezeichnet worden.» Wie wir im Folgenden sehen werden, hat Seneviratne aber mit dem Verweis auf einzelne Wetterereignissen den Boden wissenschaftlicher Integrität verlassen und ist tatsächlich zur Alarmistin geworden.

Was wichtig ist:

– Ausser bei Hitzewellen gibt es keinen globalen Trend zu mehr Extremwetter.
– Trotz Klimawandel steigt die landwirtschaftliche Produktivität.
– Klimaaktivisten ignorieren diese langfristigen Entwicklungen.


Ist Seneviratnes Standpunkt angesichts der heutigen Situation nicht die einzig zulässige «Haltung»? Wie soll man sich dazu ein eigenes Urteil bilden können? Auf seinem Blog «The Honest Broker by Roger Pielke Jr.» (siehe hier) versucht Roger Pielke Jr., von der University of Colorado, das Spannungsfeld zwischen Klimawissenschaft und Klimapolitik, um das es hier geht, aus verschiedenen Blickwinkeln zu thematisieren. Er selbst stand lange Zeit als Professor für Umweltstudien in diesem Spannungsfeld. Zeitweise war er so massiver Kritik ausgesetzt, dass sogar er gezwungen war, sein Studiengebiet zu wechseln.

Kontrovers diskutierte Studie

Vor kurzem hat Pielke Jr. auf diesem Blog eine öffentliche Diskussionsrunde über eine kontrovers diskutierte wissenschaftliche Arbeit eröffnet, die sich direkt mit dem Thema dieses Beitrags auseinandersetzt (siehe hier). Die Ende 2021 erschienene Studie eines Forscherteams um den Italiener Gianluca Alimonti et al. wertet eine grosse Zahl aktueller Studien zu Trends bei Naturkatastrophen aus (siehe hier). Das Resultat ist, dass aufgrund von historischem Datenmaterial keinesfalls von einer Klimakrise gesprochen werden kann.

Die Studie bestätigt zwar, dass die Zahl der jährlichen Hitzetage seit 1951 signifikant gestiegen ist. Die Zunahme von Hitzewellen ist aber der einzige globale Trend, der auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Denn schon die Niederschläge, deren Extreme sich angeblich auch häufen,  entwickeln sich lokal sehr unterschiedlich – ohne globalen Trend.

Kein Trend bei  verheerenden Hurrikane

Ist aber bei den Stürme ein Trend zu erkennen? Immerhin verursachen diese global gesehen am meisten Opfer und Schäden. In der erwähnten Studie wird folgende Grafik diskutiert, die von der Website «Global Tropical Cyclone Activity» von Ryan N. Maue stammt (siehe hier):

Die obere hellblaue Kurve zeigt die globale Zahl aller tropischen Wirbelstürme seit 1970, während in der unteren grauen Kurve die spezifische Zahl aller Hurrikane angegeben ist. Hurrikane sind besonders starke Wirbelstürme, die eine bestimmte Windgeschwindigkeit überschreiten und deshalb oft verheerende Folgen haben. Offensichtlich ist bei den beiden Kurven kein Trend erkennbar. Die Zahlen schwanken allerdings ziemlich stark – was Tür und Tor für Alarmismus öffnet: Zum Beispiel könnte der Anstieg der oberen Kurve von 2020 bis Ende 2021 eine Negativschlagzeile hergeben – obwohl gleichzeitig die Zahl der Hurrikane leicht abnimmt.

Nicht mehr Dürren als früher

Es gibt aber nicht nur bei der Zahl der Wirbelstürme keinen Trend nach oben, sondern auch bei deren energetischen Intensität.  Das zeigt die folgende Grafik von derselben Webseite mit den Daten der letzten fünfzig Jahre:

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei Überschwemmungen und Dürren. Die folgende Grafik aus der erwähnten Studie zeigt den Flächenanteil der Welt, der von 1982 bis 2012 gemäss verschiedener Kriterien von einer Dürre betroffen war. Die Studie bezieht sich dabei auf eine Arbeit von Zengchao Hao et al. von 2014 (siehe hier).

Gemäss dem bei Hao et al. besprochenen «Global Integrated Drought Monitoring and Prediction System» werden hier fünf Gefährlichkeitsabstufungen von Dürren unterschieden, von D0 gelb (trocken) bis D4 dunkelrot (aussergewöhnlich trocken). Wiederum ist kein signifikanter Gesamttrend auszumachen: Insgesamt nimmt die Grösse der Dürrflächen sogar leicht ab. Bei ihren schlimmsten Formen sieht man dagegen keine Veränderungen.

Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft wegen mehr CO2

Oft wird im Zusammenhang mit Extremwetter-Ereignissen – insbesondere bezüglich Hitzewellen, Starkniederschlägen und Dürren – behauptet, die landwirtschaftliche Produktion habe abgenommen. Die erwähnte Studie weist aber darauf hin, dass die Biomasse der Pflanzen stark zugenommen hat, verursacht durch die höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Dieses «global greening» führt zu einer Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft, die von Alimonti et al. selbst untersucht worden ist. Die nächste Grafik zeigt die Entwicklung:

Die Forscher haben den Ertrag in Tonnen pro Hektare für Mais (hellblau), Reis (braunrot), Weizen (violett) und Soja (hellgrün) für die Zeit von 1961 bis 2019 untersucht. Dabei haben sie für alle vier Nahrungsmittel, die zusammen für 64 Prozent der menschlichen Kalorienzufuhr verantwortlich sind, einen positiven linearen Trend gefunden. Die Mengen steigen um 2.4 und 3.8 Prozent pro Jahr. Als Treiber für diese positive Entwicklung bezeichnen die Autoren die CO2-Düngung und den technologischen Fortschritt, der sich insbesondere in der Entwicklung neuer Gentech-Arten und in verbesserten Anbaumethoden zeigt.

Insgesamt zeigt die Studie also mehrfach, dass bei Extremwetter-Ereignissen keinesfalls von einer Klimakatastrophe gesprochen werden kann – auch wenn es natürlich immer verheerende Ereignisse gibt.

Ungewöhnliche Warnung in einer Wissenschafts-Publikation

Um die hier besprochene Studie ging allerdings eine mediale Debatte los. Sie gipfelte in einer Art Gegenartikel im englischen «Guardian» (siehe hier), als Reaktion auf zustimmende Meldungen in der australischen Presse und bei der englischen «Global Warming Policy Foundation». Dabei wurde den Autoren der Studie vorgeworfen, sie seien keine Klimawissenschaftler und hätten bestimmte Arbeiten nicht berücksichtigt.

Diese Kritik führte offenbar dazu, dass das Fachblatt «The European Physical Journal Plus» am 30. September eine Warnung zur Studie platzierte: Über die Schlussfolgerungen der Studie würde noch debattiert (are currently under dispute), hiess es. Die Herausgeber der Zeitschrift würden den Fall überprüfen.  

So etwas hat es wohl noch nie gegeben: Eine Studie, die sämtliche Vorabklärungen überstanden hat und zur Publikation freigegeben wurde, wird nachträglich mit einer Warnung versehen. Diese bringt aber nur zum Ausdruck, was im Wissenschaftsbereich ohnehin üblich ist: man debattiert weiter. Man kann nur spekulieren, ob politische Gruppierungen die Herausgeber unter Druck gesetzt haben.

Die Resultate stimmen mit denen des Weltklimarats überein

Genau wegen dieser Warnung hat Roger Pielke Jr. die Studie für ein öffentliches Assessment ausgewählt. Er selbst attestiert, es gebe keinen Grund, die Arbeit zurückzuweisen. Ihre Schlussfolgerungen stimmten mit dem sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats von 2021 überein. Diese Einschätzung wird von vielen Teilnehmern an Pielkes Blog geteilt, von denen manche offensichtlich  sehr kompetenten sind.

Es ist gut möglich, dass Sonia Seneviratne keine Freude an der Arbeit von Gianluca Alimonti und seinen Kollegen hat. Aber solange die dort verwendeten historisch Daten unbestritten sind, kann man sich den daraus gezogenen Schlüssen kaum entziehen: Punkto Extremwetter zeichnet sich bisher keine Klimakatastrophe ab.


2 Kommentare zu “Kein Trend zu mehr Extremwetter

  1. Walter Rüegg
    Walter Rüegg

    Interessanter wie das IPCC die Zusammenfassung für Policymakers subtil «frisiert»
    IPCC 2019, wissenschaftlicher Teil: Kein globaler Trend zu mehr Trockengebieten in Zukunft: https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2019/08/2d.-Chapter-3_FINAL.pdf, 3.3: ”…no evidence for a projected global trend in dryland aridity”.

    In der Zusammenfassung wird von der Zunahme von Dürren in «einigen» Regionen geredet:
    IPCC 2019, Zusammenfassung Policymakers: ”… and the probability of drought and precipitation deficits in some regions (medium confidence).” {3.3}.

    Diese an und für sich nicht falsche Aussage mutiert in den Medien schnell zu einer weltweiten Zunahme der Dürren.

  2. Hans Koller
    Hans Koller

    Vor 10’000 Jahren waren unsere Gletscher auch schon geschmolzen …
    Am 24.4.2022, Seite 33 berichtete die Luzerner Zeitung von einem Fund von 10’000 Jahre altem Werkzeug in einer Kristallkluft. Damals war der Brunnifirn-Gletscher wesentlich kleiner als heute, ohne menschengemachtes CO2. Bei uns ab es schon Tropen und Eiszeiten bevor es Menschen gab …
    Die Fundstelle wurde in den vergangenen Jahren wissenschaftlich untersucht. Das Resultat: Schon in der Mittelsteinzeit vor rund 10’000 Jahren hatten Strahler in derselben Kluft Bergkristall abgebaut. Das beweisen im Eis konservierte Werkzeuge. Der Zugang war also eisfrei, wurde später vergletschert, und ist heute wieder eisfrei …

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