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Kernkraftwerke sind viel zuverlässiger als Solaranlagen

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 85“ im Online-Nebelspalter vom 9. Oktober 2023 zu lesen.

Grüne und Linke behaupten immer wieder, Kernkraftwerke seien unzuverlässige Stromerzeuger, und diese Unzuverlässigkeit steige mit zunehmendem Alter der Anlagen. Die folgende Analyse mit offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Energie (BFE) zeigt, dass dies für die Schweizer Kernkraftwerke in der kritischen Winterzeit in keiner Weise zutrifft – ganz im Gegenteil: Im Vergleich mit der Zuverlässigkeit der Stromproduktion von Solaranlagen liegen die Kernkraftwerke meilenweit voraus.

Was wichtig ist:

– Im Winter kommt fast die Hälfte des inländisch erzeugten Stroms von den Kernkraftwerken.
– Nur in zwei der letzten 33 Jahre hatten die Kernkraftwerke Probleme im Winter, sodass ihr Anteil auf ein Drittel gesunken ist.
– Im letzten Winter, als die Versorgungslage besonders kritisch war, lag die Arbeitsauslastung der Kernkraftwerke bei 99 Prozent. Die Solaranlagen schafften nur zwei Prozent.

Wer sich um die Zuverlässigkeit der Stromerzeugung in der Schweiz Gedanken macht, muss den Winter betrachten. Und dort sind es vor allem die vier Monate November, Dezember, Januar und Februar, in denen wir unseren Stromverbrauch nicht mit der eigenen Erzeugung decken können. Folglich sind alle Statistiken, die sich nur mit Jahreszahlen beschäftigen, nicht geeignet, Aussagen über die Sicherheit unseres Stromsystems zu machen.

Leider zeigt auch die offizielle «Schweizerische Elektrizitätsstatistik» des BFE (siehe hier) fast nur Jahreszahlen. Immerhin finden sich dort aber auch Angaben zu den monatlichen Erzeugungsanteilen der Stromproduktion. Gesammelt in sogenannten «Zeitreihen» publiziert das BFE solche Monatswerte für die Wasser- und die Kernkraftwerke seit dem Jahr 1990 (siehe hier).

Im Winter kommen 45 Prozent des Stroms von Kernkraftwerken

Um die Verlässlichkeit der Kernkraftwerke zu veranschaulichen, habe ich in der folgenden Grafik ihre Stromerträge in den vier kritischen Wintermonaten als Prozentanteile an der Nettostromerzeugung der Schweiz für die Jahre 1990 bis 2023 angegeben. Die Nettostromerzeugung ist die totale Landeserzeugung minus der Verbrauch für die Speicherpumpen.

Quelle: BFE / Martin Schlumpf

Der erste violette Balken ganz links zeigt, dass die Kernkraftwerke im November 1990 knapp 47 Prozent zur Nettostromerzeugung beigetragen haben. Die nächsten drei Balken geben die entsprechenden Werte für Dezember 1990, Januar 1991 und Februar 1991 an. Insgesamt bilden diese vier Monate den Winter 1990/91. Die ganze Grafik umfasst 33 solche Winterperioden von 1990/91 bis 2022/23.

Sogar im schlechtesten Winter gab es ein Drittel Kernkraftstrom

Im Durchschnitt haben die Kernkraftwerke in dieser Zeit 45 Prozent zur Nettostromerzeugung beigetragen. Im Winter ist dieser Anteil also deutlich höher als der Anteil der Kernkraft über das ganze Jahr, der bei 35 Prozent liegt.

Weiter zeigt die Grafik, dass die Anteile an der Nettoerzeugung in der Regel nur wenig schwanken: Die Zuverlässigkeit der Kernkraftwerke ist also sehr gross. Die zwei Ausnahmen von dieser Regel habe ich mit einer roten Klammer markiert: In den Wintern 2016/17 und 2017/18 sind die Erträge deutlich tiefer ausgefallen.

Das ist in erster Linie auf den Ausfall von Beznau 1 zwischen März 2015 und März 2018 zurückzuführen. Und weil im gleichen Zeitraum auch Leibstadt Probleme hatte, kam es zu diesen vorübergehenden Mindererträgen. Trotzdem haben die Schweizer Kernkraftwerke auch im Winter 2016/17 33 Prozent und im Winter 2017/18 35 Prozent zur Nettoerzeugung beigesteuert.

Nur Stundenwerten verraten die Wahrheit der Solaranlagen

Verglichen mit Solaranlagen sind das hervorragende Werte. Wie erwähnt sagt aber eine Jahresgrafik über die Zuverlässigkeit von Solarstrom nichts aus. Und auch mit Monatswerten erkennt man die Volatilität der Stromerzeugung aus Fotovoltaik kaum. Erst, wenn man Stundenwerte betrachtet, kommt man der Realität auf die Spur. Glücklicherweise gibt es seit einiger Zeit die Webseite «Swiss Energy-Charts» (siehe hier), wo man Stundenwerte für das Schweizer Stromsystem findet.

Die folgende Grafik zeigt die Schweizer Nettostromerzeugung im Januar 2023 in Stundenwerten gemäss «Swiss Energy-Charts». Das Bildschirmfoto habe ich am 5. Oktober gemacht.

Quelle: Swiss Energy-Charts

Die schwarze, zackige Linie zeigt die sogenannte Last, also den Verbrauch. Die Stromerzeugung wird nach Trägern differenziert. Von unten nach oben sieht man die kumulierten Erträge aus Kernenergie (rot), Laufwasser (dunkelblau), Speicherwasser (hellblau), Pumpspeicher (mittelblau), Wind (hellgrün) und Solar (gelb). Die x-Achse zeigt von links nach rechts die 744 Stunden des Januar 2023. Auf der y-Achse ist die Leistung in Megawatt abzulesen.

Solarstrom trug nur ein Prozent zur Erzeugung bei

Auf einen Blick erkennt man, dass die vier Schweizer Kernkraftwerke ihre volle Leistung praktisch nonstop bringen – nämlich 2960 Megawatt. Wo aber bleibt der Solarstrom? Erst bei genauerem Betrachten sieht man, dass bis Mitte dieses Monats tagsüber kleine gelbe Zacken zu sehen sind. Dann aber verschwinden diese Zacken und tauchen erst kurz vor Monatsende wieder auf. Die Solaranlagen fallen also mehrere Tage vollständig aus und liefern darüber hinaus nur geringe Tageserträge. Der Unterschied zur Kernenergie könnte kaum grösser sein.

Konkret trug die Kernenergie in diesem Monat gut 41 Prozent zur Nettoerzeugung bei. Bei den Solaranlagen waren es aber nur 0,7 Prozent. Und dieses knappe Prozent brachte erst noch keinerlei Versorgungssicherheit, denn meistens war der Ertrag ja null.

Solaranlagen waren nur zu einem Prozent ausgelastet

Dieses Resultat ist umso erstaunlicher, weil die installierte Leistung der Solaranlagen sogar 60 Prozent grösser war als die der Kernkraftwerke. Mit installierte Leistung (Nennleistung) ist die maximale Leistung eines Kraftwerks gemeint, mit der dieses Strom produzieren kann. Zusammen mit dem Stromertrag lässt sich daraus die Arbeitsauslastung berechnen. Diese gibt an, während wie vielen Prozenten einer bestimmten Zeit diese Nennleistung erbracht wurde.

Trotz kleinerer Nennleistung erzeugten die Kernkraftwerke im Januar 2023 fast 60-mal mehr Strom als die Solaranlagen. Damit erzielten sie eine Arbeitsauslastung von 100 Prozent, die Solaranlagen aber nur eine solche von einem Prozent. Umgerechnet haben die Fotovoltaik-Panels im vergangenen Januar also während knapp acht Stunden die volle Leistung erbracht, in der übrigen Zeit lieferten sie nichts.

Keine Ahnung vom Schweizer Stromsystem?

Auch im gesamten letzten Winter (von November 2022 bis Januar 2023) betrug die Arbeitsauslastung der Solaranlagen gemäss den Zahlen von «Swiss Energy-Charts» lediglich zwei Prozent. Dies entspricht der Einspeisung der vollen Leistung während zwei Tagen und zehn Stunden. In den übrigen 118 Tagen und 14 Stunden gab es keinen Solarstrom. Weil die Kernkraftwerke im gleichen Zeitraum eine Auslastung von 99 Prozent hatten, war ihre Stromerzeugung im Winter demnach 50-mal zuverlässiger als diejenige aus Solaranlagen.

Wer also von unzuverlässigen Kernkraftwerken spricht, hat entweder keine Ahnung vom Schweizer Stromsystems oder sagt aus politisch-ideologischen Gründen die Unwahrheit.

5 Kommentare zu “Kernkraftwerke sind viel zuverlässiger als Solaranlagen

  1. Christophe de Reyff
    Christophe de Reyff

    Achtung !
    Die Zahlen der Angaben und Grafiken der Swiss Energy-Charts sind nicht vom BFE. Es gibt Unterschiede zwischen diesen Zahlen und den offiziellen Daten der „Schweizerischen Gesamtenergie-Statistik 2022“. Besonders sehen die Tabelle 24 mit den jährlichen Daten mit mehr als 3 TWh Differenzen eben in der Nettoerzeugung (letzte Kolonne) :
    https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/statistik-und-geodaten/energiestatistiken/gesamtenergiestatistik.exturl.html/aHR0cHM6Ly9wdWJkYi5iZmUuYWRtaW4uY2gvZGUvcHVibGljYX/Rpb24vZG93bmxvYWQvMTE0NTQ=.html

    Verantwortlich dafür ist TNC Consulting Feldmeilen und Fraunhofer Gesellschaft München.

    • Martin Schlumpf
      Martin Schlumpf

      Ja „Swiss Energy-Charts“ ist nicht vom BFE.
      Und ich habe die Differenz zur Gesamtenergiestatistik auch gekannt.
      Bei den Zahlen für 2022 gab es aber zwischen den Jahreswerten von „Energy-Charts“ und der „Statistik der erneuerbaren Endergien“ nur noch Differenzen von 10 bis 15%.
      Welche Werte sind aber die richtigen?
      Swiss Energy-Charts sagt ja, dass das korrigierte Werte sind…
      Und nur dort sind Stundenwerte zu haben.

      Es wäre doch erstaunlich, wenn die „Solar-Lobby“ (TNC als Herausgeberin) zu tiefe Werte publizieren würde, ohne dies anzumerken, und ohne Kritik vom BFE?

  2. Roberto Egloff
    Roberto Egloff

    Bis jetzt (10.10.23 16:26) null Kommentare zu diesem Text…?! Ist auch nicht nötig, denn der Text spricht für sich. Martin Schlumpf bringt es einmal mehr auf den Punkt – elegant, leichtfüssig, überzeugend –, und das gestützt auf die von offizieller Seite (BFE) publizierten, d.h. für alle einsehbaren und überprüfbaren Zahlen, statistischen Werte oder gemessenen Mengen. Besten Dank! Bleibt die Frage, wie man solche Sichtweisen unter die Leute bringt. Und unter die Politiker. So schwer zu verstehen ist diese Materie nun auch wieder nicht, als dass sie nicht jedem, der die Grundschule halbwegs geschafft hat, zuzumuten wäre.

  3. Arturo Romer
    Arturo Romer

    Herr Prof. Martin Schlumpf gibt den Lesern mit seinem Artikel betreffend die Kernenergie eine sehr wichtige, sachliche, wahre und interessante Information. Ohne Kernenergie hätte die Schweiz, bzw. Europa, während vielen Jahrzehnten sehr grosse winterliche Versorgungsprobleme gehabt. Die weit verbreitete ideologische Vertreuflung der Kernenergie ist nicht gerechtfertigt. Sicher werden die erneuerbaren und speziell die neuen erneuerbaren Energien in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Herr Schlumpf beweist jedoch, dass die Fotovoltaik und die Windenergie in der Schweiz bis heute im Winter leider noch einen sehr bescheidenen Beitrag geben. Es braucht noch viel Forschung und Entwicklung im Rahmen der neuen erneuerbaren Energien (speziell im Rahmen der effizienten Speicherung). Der Fortschritt, die Forschung und die Entwicklung finden jedoch eindeutig statt. Auch im Rahmen der Kernenergie gibt es enorme Fortschritte: moderne Kernreaktoren der Generation IV werden sicherer, ökologischer und effizienter sein als heutige Reaktoren. Mittel- und langfristig werden schweiz- und weltweit die folgenden Energien die elektrische Versorgung garantieren: Wasserkraft, moderne Kernenergie, Fotovoltaik, Biomasse und Wind. Es braucht mehr Wahrheit und weniger Lügen! Mehr Optimismus anstelle von Pessimismus!

    • Torsten Gürges
      Torsten Gürges

      Auch bei noch so viel Forschung werden die Erneuerbaren Energie NIE mehr als Beimischungen sein können.
      Es sei denn, jemand würde „Wunderspeicher“ erfinden. Die sind aber nicht in Sicht.
      Pumpspeicher sind zwar gut und vergleichsweise günstig. Aber eben für Speicherkapazitäten im TWh – Bereich (und die bräuchte man für die Verschiebung von Energiemengen aus dem Sommer in den Winter) dennoch deutlich zu teuer und auch topographisch nicht darstellbar (nicht mal in der CH).
      Andere Speicherarten sind entweder von den speicherbaren Energiemengen und/oder den Kosten noch illusorischer (das gilt auch für Akkus und Wasserstoff!).
      Es wird bei den Speichern-wie so oft derzeit-auch nicht ehrlich gesagt, was Sache ist:
      So werden inzwischen die Kosten pro kWh so angegeben, dass man die Kosten des Speichers durch die GESAMTE Energiemenge dividiert, die der Speicher WÄHREND SEINER LEBENSDAUER bereitstellt.
      Da ein Speicher aber keine einzige kWh elektrische Energie wirklich „erzeugt“, ist das m.E. absurd!
      Beispiel: Das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance kostete ca. 2 Mrd. Franken und sein Speicherbecken hat eine Kapazität von ca. 0,02 TWh = 20 Mio kWh. Macht ca. 100 Franken pro kWh Speicherkapazität. Diese Größenordnung ist typisch für Pumpspeicher.
      Nimmt man jetzt aber die gesamte Energiemenge, die die Anlage durch ständiges Hochpumpen und Wiederablassen über Ihre Lebenszeit von Jahrzehnten erzeugt, so sind das wesentlich MEHR als 0,02 TWh. Die Kosten pro kWh sinken dann rechnerisch auf einen Bruchteil. Aber diese Energie kommt nicht aus der Anlage…Sie muss woanders herkommen (Wasserkraft, Kernkraft, Solarenergie,…)
      Dasselbe z.B. für Akkus oder Wasserstoff angewendet lässt die Kosten-z.B. zusammen mit Solarenergie-günstig aussehen. Das ist aber ein Irrtum, da die Verbraucher die Kosten der Anlagen durch den Preis der TATSÄCHLICH ERZEUGTEN kWh bezahlen müssen (+Wartung, Betriebskosten, Zinsinvestition und Gewinnmarge).

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