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Mehr Ressourcen trotz Bevölkerungswachstum: Die Simon-Ehrlich-Wette

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 77“ im Online-Nebelspalter vom 14. August 2023 zu lesen.

Ist dieser Titel nicht falsch? Ist es nicht so, dass eine ständig wachsende Bevölkerung zu einer Knappheit der Ressourcen führen muss? So wie das mit dem «Earth Overshoot Day» postuliert wird (siehe hier), der dieses Jahr global auf den 3. August gefallen ist. Dieser Tag soll daran erinnern, dass alle Ressourcen, die ab diesem Zeitpunkt bis Ende Jahr verbraucht werden, auf unserem endlichen Planeten angeblich nicht mehr «natürlich nachwachsen» können: Die ganze Welt braucht demnach in einem Jahr die Ressourcen von 1,7 Erden.

Auch wenn ein solches Bild für viele dem Bauchgefühl entsprechen mag, so ist es doch falsch. Der entsprechende Beweis wird überzeugend und umfassend im soeben erschienenen Buch «Superabundance» von Gale Pooley und Marian L. Tupy vom Cato Institute in Washington DC geführt (siehe hier). In diesem und dem nächsten Beitrag fasse ich die wichtigsten Punkte dieses Werks zusammen.

Was wichtig ist:

– 1980 schliessen der Ökonom Julian Simon und der Biologe Paul Ehrlich eine Wette über die Verfügbarkeit von Ressourcen ab.
– Ehrlich wettet auf steigende Preise der gewählten Ressourcen, weil er überzeugt ist, dass diese immer knapper werden. Simon setzt hingegen auf sinkende Preise.
– Nach der vereinbarten Zeitspanne von zehn Jahren verliert Ehrlich die Wette, weil die Preise inflationsbereinigt stark gesunken sind.

Die Meinung, dass mit einer wachsenden Bevölkerung die verfügbaren Ressourcen immer knapper werden, wurde zum ersten Mal durch den britischen Ökonomen Thomas Robert Malthus geäussert. In seinem 1798 erschienenen «Essay on the Principle of Population» (Abhandlung über die Bevölkerungsregeln) vertrat er die Theorie, dass eine ungebremst wachsende Bevölkerung nicht mit genügend Nahrungsmitteln versorgt werden könne und es deshalb zwingend zu Hungersnöten kommen müsse, die einen Teil der Menschheit ausrotten.

Paul Ehrlich spricht von einer «Bevölkerungsbombe»

Obwohl Malthus’ Theorie im 19. Und vor allem im 20. Jahrhundert von der Realität vollständig widerlegt wurde, gab es weiterhin Verfechter seiner Theorie. Einer der wichtigsten war der 1932 geborene amerikanische Biologe Paul R. Ehrlich, Professor an der Stanford University, California. In seinem millionenfach gedruckten Buch «The Population Bomb» (Die Bevölkerungsbombe, siehe hier) von 1968 war zu lesen: «Die Schlacht, die gesamte Menschheit zu ernähren, ist verloren. In den 1970er Jahren werden trotz aller Notprogramme Hunderte von Millionen verhungern.»

Eine völlig entgegengesetzte Ansicht bezüglich der Verfügbarkeit von Ressourcen vertrat in dieser Zeit der ebenfalls 1932 geborene US-Ökonom Julian L. Simon, der an der University of Maryland tätig war. Seiner Ansicht nach ist die Kreativität des menschlichen Geistes eine unerschöpfliche Quelle für neue Ideen und Innovationen, die es der Menschheit ermöglicht hat, ihre wichtigsten existentiellen Probleme zu lösen: nicht zuletzt auch wenn es darum geht, eine stark wachsenden Bevölkerung mit Ressourcen zu versorgen.

Simon fordert Ehrlich mit einer Wette heraus

In Simons’ 1998 erschienenen Buch «The Ultimate Ressource 2» (Die letzte Ressource 2, siehe hier) beurteilt er folgerichtig eine steigende Bevölkerungszahl als positiv, weil mit mehr Menschen mehr geistiges Potenzial für Problemlösungen ins Spiel kommt. Im Gegensatz zu Ehrlich, der seine Meinungen theoretisch begründet, basieren Simons Ansichten auf genauen ökonomischen Analysen der tatsächlichen Verhältnisse.

Am 29. September 1990, dem Ablaufstag der Wette, erhielt Julian Simon von Paul Ehrlich kommentarlos einen Check über 576.07 US-Dollar: Ehrlich hatte die Wette verloren.

Weil alle Debatten zwischen den beiden Kontrahenten nicht zu einer Klärung führten, kam Simon auf die Idee, den Konflikt mit einer praktischen Wette zu entscheiden. Dabei stellte sich aber die Frage: Wie kann man überhaupt messen, ob bei Ressourcen Knappheit oder Überfluss herrscht? Man könnte meinen, dass ein einfaches Zusammenzählen vorhandener Reserven genügen sollte. Dies ist aber oft schwierig und wenig aussagekräftig, weil viele mögliche Fundorte von Ressourcen, vor allem aber die entsprechenden Technologien zur Förderung und Verarbeitung dieser Rohstoffe, noch nicht bekannt sind.

Im Preis spiegelt sich der Wert einer Ressource

Viel aussagekräftiger ist deshalb der Preis von Ressourcen, weil sich darin der momentane Wert einer Ware spiegelt. Simon hat deshalb vorgeschlagen, für insgesamt 1000 Dollar fünf Stoffe, die Ehrlich auswählen sollte, zu gleichen Teilen zu kaufen. Die Wahl Ehrlichs fiel auf Chrom, Kupfer, Nickel, Zinn und Wolfram, von denen er glaubte, dass ihr Preis in Zukunft steigen werde. Die Wette war auf zehn Jahre angelegt. Am 29. September 1990, dem Ablaufstag der Wette, erhielt Simon von Ehrlich kommentarlos einen Check über US$ 576.07: Ehrlich hatte die Wette verloren. Was war geschehen? Die folgende Grafik zeigt die wichtigsten Elemente der Wette.

Nominal, also zu einem gegebenen Zeitpunkt in einer bestimmten Währung in einem bestimmten Land, kostete das Warenpaket der fünf Metalle beim Abschluss der Wette am 29. September 1980 genau 1000 US-Dollar (schwarz). Genau zehn Jahre später war dieser nominale Preis des ganzen Pakets minimal auf 1003.93 Dollar gestiegen (dunkelblau): Dabei sind Nickel, Chrom und Kupfer zwar teurer geworden, aber der Preisabschlag bei Zinn und Wolfram hat das praktisch ausgeglichen.

In der Wette ging es aber nicht um nominale Preise, weil diese die Teuerung, die in den entsprechenden zehn Jahren 57,4 Prozent betrug, nicht berücksichtigen. Schlägt man diese Teuerungsrate auf den nominalen Preis von 1990, ergeben sich 1580 Dollar (hellblau): So viel hätte dieser Warenkorb 1980 gekostet. Und die Differenz zwischen diesen beiden Balken von 576.07 Dollar (gelb) war der Preis, den Ehrlich zu bezahlen hatte, weil er die Wette verlor.

Ressourcenüberschuss entsteht durch technologische Innovation

Die Wette ging für Ehrlich verloren, weil die Preise aller fünf Metalle teuerungsbereinigt um insgesamt 36 Prozent gefallen waren. Und das hiess, dass die Rohstoffe am Ende der Wette in grösserem Umfang vorhanden waren als zuvor. Zwischen 1980 und 1990 wurden denn auch neue Nickelminen entdeckt, Glasfaserkabel hatten Kupferdrähte ersetzt, und bei der Büchsenherstellung wurde Zinn durch Aluminium verdrängt: Technologische Innovation und freies Unternehmertum machten es möglich, dass das Angebot die erhöhte Nachfrage der Weltbevölkerung, die um über 800 Millionen gewachsenen war, mehr als ausglich.

Paul Ehrlich verglich Julian Simon mit einem, der aus dem Empire State Building herunter springt und beim 10. Stockwerk sagt, es gehe alles bestens.

Und wie reagierte Ehrlich darauf? Er blieb bei seinen Ansichten, und tut es bis heute (Julian Simon verstarb 1998). Ehrlich verglich Simon mit einem, der aus dem Empire State Building herunter springt und beim 10. Stockwerk sagt, es gehe alles bestens. Nach wie vor predigt er, dass wir kurz vor der grossen Katastrophe stünden, und dass dann selbstverständlich die Preise auch in den Vereinigten Staaten explodieren würden.

Ehrlichs Kritik am Wettresultat wird von «Superabundance» widerlegt

Paul Ehrlich geniesst weltweit noch immer grosses Ansehen. Seine Ansicht wird von vielen Wissenschaftlern, Journalisten und Politikern geteilt, die an der beschriebenen Wette zwei Punkte kritisieren. Erstens habe Simon Glück gehabt mit seinem gewählten Zeitraum: mit anderen, vor allem längeren Zeitperioden, wäre das Resultat anders herausgekommen. Und zweitens sei die Ressourcenauswahl nicht repräsentativ: mit einem anderen, vor allem umfangreicheren Warenkorb, wären steigende Preise herausgekommen.

Das Buch «Superabundance» setzt sich mit diesen zwei Kritikpunkten detailliert auseinander. Die Übersetzung des Buchtitels ist knifflig. Ich schlage «Überfülle» vor, weil mit «abundance» bereits Überschuss gemeint ist. Wie der Titel suggeriert, kommen die Autoren zum Schluss, dass die erwähnten Kritikpunkte an der Simon-Ehrlich-Wette falsch sind. Lesen Sie dazu meine nächste Kolumne in einer Woche.

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