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„Mit Kernkraft liesse sich das Klima retten“

Erfahrungsbericht von der Pro-Kernkraft-Demo in Berlin (original im „Nebelspalter vom 18. April 2023)

Als ich am letzten Samstag, den 15. April 2023, in Berlin zum Brandenburger Tor kam, regnete es. Das war die ideale Kulisse für ein einmaliges Trauerspiel, das sich in Deutschland abgespielt hat: An diesem Tag wurden die letzten drei noch laufenden Kernkraftwerke endgültig vom Netz genommen. Das war das Aus für eine rund um die Uhr zuverlässige Stromproduktion aus Kernkraftwerken, die zu den besten der Welt zählen.

Wenn man an diesem Samstag von der Stadt her beim Brandenburger Tor ankam, traf man aber zuerst auf eine Demo der Atomkraft-Gegner, die ihren Sieg über die Kernkraft symbolisch feierten: Der von den Atomgegnern erstochene deutsche Atomkraftdrache liegt erledigt am Boden: «Deutsche Atomkraft – besiegt am 15. April 2023!» Darum herum liegen kaputte und rostige Atommüll-Fässer, neben einzelnen Schildern, die das Wappenzeichen dieser Anti-AKW-Bewegung tragen: «Atomkraft? Nein Danke». Die Resonanz auf die Reden an dieser Demo war bei den Passanten aber nicht allzu gross – soweit ich das verfolgen konnte.

Foto: Martin Schlumpf

Ging man dann weiter durch das Brandenburger Tor hindurch, kam man direkt zu derjenigen Demo, zu der ich als Autor des Buches «Atomkraft – Das Tabu» eingeladen worden war. Hier auf der anderen Seite dieses Wahrzeichens von Berlin versammelten sich diejenigen, die gegen die jetzt definitive Verschrottung von insgesamt über zwanzig deutschen Kernkraftwerken seit dem Atom-Unfall von Fukushima 2011 protestieren wollten. Dieser Protest war nicht zuletzt auch gegen den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck gerichtet, der offensichtlich über die Existenzberechtigung von Kernkraftwerken äusserst parteiisch urteilt.

Die Scheinheiligkeit des deutschen Wirtschaftsministers

Vor kurzem hat er auf seiner Reise nach Kiew nämlich wörtlich gesagt: «Die Ukraine wird an der Atomkraft festhalten. Das ist völlig klar – und das ist auch in Ordnung, solange die Dinger sicher laufen. Sie sind ja gebaut.» Dass durch Krieg bedrohte Kernkraftwerke weiter laufen, findet er also in Ordnung, «weil sie ja gebaut sind». Dasselbe Argument zählt aber nicht, wenn es um die eigenen sicher über Jahrzehnte produzierenden Werke geht.

Diese Scheinheiligkeit eines eigenen Ministers wurde in Reden an dieser Demo ebenso gegeisselt, wie die absurde Tatsache, dass eine von den deutschen Grünen als grösste Gefahr bezeichnete Klimakrise nicht durch die CO2-freie Kernkraft bekämpft werden soll. Der Grundtenor der Statements an dieser Demo war denn auch: «Mit Kernkraft liesse sich das Klima retten.»

Pro-Atom-Demo mit internationaler Beteiligung

Organisiert wurde die Demo von Nuklearia, einem Verein, dem es um Umweltschutz mit Kernenergie geht (siehe hier), zusammen mit der Partei der Humanisten, dem polnischen NGO FOTA4Climate sowie den internationalen NGOs RePlanet, Mothers for Nuclear und Voices for Nuclear. Gesamthaft stand sie unter dem Motto «Kernkraft gewinnt».

Es war eindrücklich zu beobachten, wie an dieser Pro-Atom-Demo – die Veranstalter sprechen von 400 Teilnehmenden – ein internationales Publikum beteiligt war. Menschen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Dänemark, Finnland, der Schweiz und Österreich wurden eingeladen und nahmen teil. Eine besonders grosse Gruppe war aus Polen angereist.

Foto: Martin Schlumpf

Deutschland steht allein mit dem Atomausstieg

So wurde trotz teilweise strömendem Regen friedlich getanzt, gesungen und in kurzen Reden die Kernkraft als beste Energiequelle gefeiert: «Nuclear wins». Im Gegensatz zur Anti-Atom-Demo auf der anderen Seite des Brandenburger Tores war hier Deutsch als Sprache in der Minderheit. Das illustriert bestens, wie der deutsche Sonderweg eines Kernkraftausstiegs im internationalen Kontext allein dasteht.

Ob es in Deutschland noch möglich sein wird, einige der stillgelegten Kernkraftwerke zu reanimieren, steht in den Sternen – mit der jetzt bestehenden Ampelregierung offensichtlich nicht. Und die offizielle Berichterstattung in der Tagesschau und in den Tagesthemen der ARD vom 15. April tut das Ihre, um diesen Befund zu zementieren: Mit keinem Wort wurde dort die hier beschriebene Pro-Atom-Demo erwähnt. Wohl aber die Anti-AKW-Demos an andern Orten.

5 Kommentare zu “„Mit Kernkraft liesse sich das Klima retten“

  1. Arturo Romer

    Der Klimawandel findet eindeutig statt. Die Menschheit hat seit dem Beginn des industriellen Zeitalters grosse Mengen von Treibhausgasen emittiert (speziell CO2). Die mittlere Erdtemperatur wird noch lange weiter ansteigen, auch wenn wir ab morgen kein CO2-Molekül mehr in die Atmosphäre emittieren. Die heutige CO2-Konzentration der Atmosphäre (423 ppmv) ist gegenüber der Konzentration der vorindustriellen Zeit (280 ppmv) sehr hoch. Es braucht weltweit sinnvolle, nachhaltige und effiziente Massnahmen (drastische Reduktion der CO2-Emissionen und Anpassung an den Klimawandel). Die moderne Kernenergie (Spaltungsreaktoren der Generation IV und später auch die Kernfusion) kann sicher einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen den katastrophalen Klimawandel geben. Man vergesse jedoch nicht: heute beträgt der fossile Anteil des weltweiten Primärenergieverbrauchs immer noch rund 80%.

  2. Paul Kundert

    Ein Umdenken wird erst erfolgen, wenn der Strom nicht nur knapp, sondern ausfällt.
    Und was sich abzeichnet, jedes Land schaut für sich. die einen kriegen es heute schon hin, wie Finnland, andere Warten wohl noch sehr lange, wie Deutschland.
    Wohin die Reise gehen wird in der Schweiz, niemand kann sagen was in Fragen der Energie morgen gilt. Einzige Konstante: es wird gewurstelt, verdrängt Tatsachen verdreht, die Physik ausgehebelt etc.
    40 Jahre Frieden unter Ausnutzung der Infrastrukturen von damals hat eine Gesellschaft hervorgebracht, die nicht mehr in der Lage ist, infrastrukturelle Zukunft umzusetzen.
    Heute gilt zuerst Ich, dann die Anderen.
    Um das wieder in ein ausgewogenes Miteinander und Füreinander zu drehen, braucht es wahrscheinlich eine wirkliche Krise die direkt den einzelnen Bürger trifft.

  3. Hans Graf

    Ein Geheuchel sondergleichen, des deutschen Wirtschaftministers. Einerseits brüstet sich Deutschland nun als AKW freies Land, andererseits wird das selbe Land dann wohl mal nicht darum herumkommen, auch Strom aus umliegenden Kernkraftwerken zu beziehen. Leider zeichnet sich ab, dass auch die Schweiz, diesbezüglich nicht viel intelligenter handeln wird. Besten Herr Schlumpf!

  4. Horst-Michael Prasser

    Nur um noch ein paar Zahlen nachzuschieben: Der am 15.04.2023 abgeschaltete „klägliche Rest“ der deutschen Kernkraftwerksflotte hatte einen jährlichen Output von ca. 34 TWh, also fast das anderthalbe der Produktion aller Schweizer KKW zusammen. Zu besten Zeiten haben die KKW in Deutschland jährlich 150 TWh produziert, das ist etwa soviel, wie heute noch Kohlestrom im deutschen Mix ist. Der Stromsektor hätte bereits jetzt nahezu CO2-frei sein können, hätte man die Kernkraft erhalten und noch leicht ausgebaut. Deutschland verfügte im Land über alles, was es dafür gebraucht hätte: Forschung, Entwicklung und eine nationale Industrie, die modernste Kernkraftwerke nahezu autark bauen konnte, Anreicherungswerke, Brennelementfabriken und gute Ansätze für die Entsorgung. Das ist alles durch politische Weichenstellungen zerstört worden. Sollte Deutschland irgend wann einmal wieder in die Kernenergie einsteigen wollen oder müssen, dann nur noch mit Importtechnologie. Das ist noch der weitaus grössere Teil der ganzen Tragödie.

    • Hans Graf

      Gigantische Zahlen. Also eine Entwicklung mit hohen Risiken, auch betreff Stabilität im europäischen Stromverbund.

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