Seit den ersten Klimawarnungen in den 1980-er Jahren ist das Schlüsselwort «Dekarbonisierung» immer mehr in den Fokus gerückt. Der Anteil von Öl, Gas und Kohle am Energieverbrauch liegt aber bis heute über 80 Prozent und ist seit langem kaum gesunken. Das wird sich nicht so rasch ändern.
Originalbeitrag im Nebelspalter vom 18. August 2021
Seit der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio hat der Klimaschutz in der Politik seine berechtigte Rolle erhalten. Dies kommt in der damals vereinbarten Klimarahmenkonvention zum Ausdruck, die alle Treibhausgas-Emissionen soweit stabilisieren will, dass das Weltklima nicht gefährdet ist. Konkretisiert werden diese Ziele 1997 im Kyoto-Protokoll, in dem sich die Industrieländer verpflichten, ihre Emissionen zu reduzieren. Nach dem Scheitern dieser Politik liegen alle Hoffnungen nun auf dem Pariser Klimaabkommen von 2015.
Die Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, den CO2-Ausstoss in den Griff zu bekommen, sind also seit Jahrzehnten da. Für die praktische Umsetzung heisst das in erster Linie, die Energiesysteme so umzubauen, dass die fossilen Träger Öl, Gas und Kohle nach und nach ersetzt und schliesslich eliminiert werden – womit «Netto Null CO2» erreicht wäre. Wie weit dies schon gelungen ist, lässt sich aus der folgenden Grafik ablesen, in der der prozentuale Anteil der fossilen Energien am weltweiten Energieverbrauch über die letzten 55 Jahre dargestellt ist. Die Zahlen stammen aus der «BP Statistical Review of World Energy 2020».
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Das Fazit ist wenig spektakulär: Insgesamt ist der Anteil der fossilen Träger seit 1965 von 94 auf 84 Prozent gesunken. Dabei gibt es zwei Perioden mit leicht fallendem Trend (rot markiert): In der ersten von Mitte der 70er- bis zu Beginn der 90er-Jahre sinkt der Anteil um sieben Prozent, in der zweiten seit 2013 nochmals um drei Prozent. Auffällig ist zudem der 20-jährige Stillstand ab 1992, ausgerechnet in der Zeit, wo die ersten UNO-Konferenzen beginnen.
Mit einem aktuellen Anteil von über vier Fünftel fossiler Energie beim jährlichen Verbrauch, liegt die Welt noch meilenweit von ihren Klimazielen entfernt. Immerhin gibt es Hoffnung, dass der aktuelle Abwärtstrend andauern könnte – allerdings würde es bei diesem Tempo noch über hundert Jahre dauern, bis wir bei Netto Null wären. Es braucht also eine deutliche Beschleunigung. Warum ist diese so schwierig zu erreichen?
Asien: überdurchschnittlicher Bedarf
Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass uns heute noch immer gleichwertige und kostengünstige Alternativen für die Fossilen fehlen. Natürlich werden Klimaschützer jetzt aufschreien: Mit Wind- und Solarenergie stehen solche doch bereits zur Verfügung. Leider ist das aber bis heute nur eingeschränkt der Fall, denn sonst würden sich ja alle Länder darum reissen, Solar- und Windanlagen zu bauen. Dass dies im globalen Massstab noch nicht geschieht, zeigt ihr Anteil am Jahresverbrauch, der 2019 noch unter zwei Prozent lag – trotz zweistelligen Wachstumsraten.
Eine weitere Differenzierung des Bildes erhält man mit einem Blick in einzelne Regionen und Länder. Der in der Grafik gezeigte aktuelle Weltdurchschnitt von 84 Prozent fossilem Anteil wird im Mittleren Osten (99 Prozent), in Afrika (91 Prozent) und in Gesamtasien (87 Prozent) übertroffen, während er in Nordamerika (82 Prozent), Europa (74 Prozent) und Süd- und Zentralamerika (67 Prozent) unterboten wird.
Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass neben diesen relativen Zahlen vor allem auch die absolute Grösse des Verbrauchs massgebend ist. Und dort ist der immer noch überdurchschnittlich wachsende Energiebedarf Asiens das dominierende Thema: 2019 wurden 44 Prozent der Weltenergie allein in dieser Region verbraucht – 24 Prozent davon in China mit einer fossilen Quote von 85 Prozent. Dagegen spielt der Verbrauch von ganz Europa mit 14 Prozent eine bescheidene Rolle.
Der lange Weg „Netto Null“
Und wenn wir sogar noch auf die Schweiz schauen, können wir festhalten, dass wir zusammen mit Frankreich und hinter Schweden auf dem zweiten Platz der Länderrangliste mit dem geringsten fossilen Anteil liegen. Deutschland, das oft als Muster einer gelungenen Energiewende gezeigt wird, hat einen deutlich höheren Anteil, der sogar noch über dem europäischen Durchschnitt liegt.
Zum Schluss noch ein Hinweis auf einen Bereich, wo bereits eine positive Entwicklung der Dekarbonisierung stattfindet. Betrachtet man das Verhältnis der weltweiten CO2-Emissionen zum Bruttoinlandprodukt, so stellt man fest, dass die Emissionen pro Einheit des Bruttoinlandprodukts seit 1960 ständig gesunken sind. Pro Jahr im Schnitt um minus 1.4 Prozent. Technologische Innovation ermöglicht es der Menschheit laufend, die Klimabelastung der Wirtschaft zu verringern.
Nur wird das aber wieder kompensiert durch eine steigende Wirtschaftsleistung mit mehr Energieverbrauch, insbesondere wegen einer wachsenden Bevölkerung (wir leben immer länger) und wachsendem Wohlstand (immer mehr Menschen finden einen Weg aus der Armut oder können sich mehr leisten). Der Weg zu «Netto Null CO2» ist noch sehr lang.
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