Die äusserst bescheidene Arbeitsausnutzung von Photovoltaik-Anlagen sowie ihr stark verminderter Winterertrag setzen grosse Fragezeichen hinter ihren geplanten Ausbau.
Ich bin beunruhigt über unsere Energiewende. Aber nicht, weil sie zu langsam vorwärts geht, sondern weil ich befürchte, dass fundamentale physikalische Bedingungen, die den Ersatz von Kernkraftwerken durch Sonnenenergie stark erschweren, zu wenig berücksichtigt werden. Denn es ist keine Frage, dass die Produktionsweisen dieser beiden Energieträger grundlegende Differenzen aufweisen: die KKW produzieren rund um die Uhr eine konstante, vorhersehbare Menge Strom, währenddem die PV-Anlagen in der Nacht überhaupt nichts und am Tag in sehr unterschiedlicher Menge liefern. Dies hat weitreichende Konsequenzen, die aber sehr oft ignoriert oder zu wenig beachtet werden. Im wesentlichen geht es dabei um zwei Punkte: 1. die Arbeitsausnutzung und 2. die saisonalen Schwankungen.
1. Was aber heisst Arbeitsausnutzung? Unter diesem Begriff gibt man an, wie weit eine Energieanlage ihr theoretisches Potenzial (ihre installierte Leistung) während einem Jahr in tatsächlich erzeugten Strom (gleich Arbeit) umwandeln kann. Eine 100-Prozent Auslastung würde bedeuten, dass die Anlage zu allen Stunden des Jahres ihren Maximalertrag liefert, was natürlich nie der Fall sein wird. Wie sieht es nun bei den KKW und den Solaranlagen diesbezüglich aus? Aufgrund der Zahlen der Schweizerischen Energiestatistiken ergibt sich für die Arbeitsausnutzung der KKW ein mehrjähriger Durchschnittswert um 90 Prozent, und für die PV-Anlagen ein solcher von knapp 10 Prozent. In der Schweiz ist der Stromertrag pro installierter Einheit bei der Sonnenenergie also neun mal kleiner als bei der Kernenergie!
Viele Leute sind überrascht, wenn sie von diesem Verhältnis von 1 zu 9 hören und haben Mühe es zu glauben. Deshalb ist es wichtig zu betonen, dass die Zahlen, die zu diesem Resultat führen, die offiziell gemessenen Werte der schweizerischen Stromproduktion sind. Es handelt sich also nicht um theoretische Spekulationen, sondern um eine Tatsache, die solange wahr ist, bis neue Messzahlen zu einem veränderten Resultat führen. Dies ist aber in näherer Zukunft nicht zu erwarten, da die schlechte Arbeitsausnutzung von PV-Anlagen primär von der Intensität und Dauer der Sonneneinstrahlung abhängt, auf die wir keinen Einfluss haben.
Wenn wir nun den gesamten Stromertrag aller KKW in der Schweiz durch PV-Strom ersetzen wollen, braucht es demnach eine neun Mal grössere installierte Solar-Leistung. Im Jahr 2016 lag diese aber erst bei der Hälfte der KKW. Wie lange wird es dauern, bis der KKW-Strom vollständig ersetzt ist? Unter Annahme des Ausbautempos der letzten fünf Jahren würden wir diesen Zustand in gut 100 Jahren erreichen!
Nehmen wir jetzt sogar einmal an, dass dies irgendwie eintreten könnte. Wäre dann aber der Strom aus den KKW tatsächlich ersetzt? Leider nein, denn wir haben bisher erst von Jahressummen gesprochen. Diese Betrachtung wird aber den Besonderheiten der PV-Produktion in keiner Weise gerecht, was aus meinem zweiten Punkt hervorgeht, der saisonalen Volatilität des Sonnenstroms.
2. Wir spielen hier also das Szenario durch, dass der bisherige KKW-Strom vollständig durch PV-Strom ersetzt wurde. Nun darf man nicht vergessen, dass in einem Gesamtstromnetz zu jedem Zeitpunkt Input und Output in Balance gehalten werden müssen. Die typische tägliche Produktionskurve der Solaranlagen mit ihrem Anstieg von der Nulllinie der Nacht zur Mittagsspitze und nachfolgendem Abstieg wieder bis Null, schafft aber für die Netzstabilität völlig neue Herausforderungen: Erstens müssen die Tag-Nacht-Schwankungen ausgeglichen werden. Nehmen wir hier einmal an, dass dies (sagen wir durch Batterien) gelingt, da in der Nacht wesentlich weniger Strom gebraucht wird und die Überbrückungszeit kurz ist. Wesentlich gravierender aber ist zweitens die über Monate dauernde saisonale Produktionsverminderung vom Sommer in den Winter wegen zunehmend flacherem Sonnenstand und kürzeren Tagen.
Im Winter, wenn der Strombedarf am höchsten ist und die Wasserstromproduktion auch nur etwa 40 Prozent ihres Jahresdurchschnitts beiträgt, sehen wir dann, dass die PV-Produktion schrittweise zurückgeht und an mehreren sehr kalten Tagen mit Schnee auf den Anlagen und völlig bedecktem Himmel praktisch gar nichts mehr liefert. Die Solarproduktion ist also naturgemäss mit der Landesverbrauchskurve negativ korreliert. In dieser Notlage kann man sich nur noch mit drei Optionen behelfen: a) man greift auf gespeicherten Strom zurück: dies ist aber heute im geforderten Ausmass noch unmöglich, b) man lässt konventionelle Ersatzkraftwerke laufen, um die Lücken zu füllen: Deutschland tut dies, vor allem mit Kohlekraftwerken – wir aber haben keine solchen Werke, oder c) man importiert den fehlenden Strom: dies tun wir.
Um diese Wintermangelsituation analytisch genau erfassen zu können, bräuchte man eine mindestens stundenbasierte Produktionsstatistik der PV-Anlagen. Diese sucht man jedoch in allen vom Bundesamt für Energie veröffentlichten Statistiken vergeblich. Damit können Fragen, wie „Wie stark vermindert sich die PV-Produktion in der schwächsten Woche, am schwächsten Tag, in der schwächsten Stunde im Winter?“ nicht beantwortet werden.
Im Winter 2016/17 findet sich jedoch ein statistisch belegbarer Beweis für das tatsächliche Eintreffen der Option c) gleich Importstrategie von oben. Damals waren von Oktober bis und mit Februar sowohl Beznau 1 als auch Leibstadt vom Netz, was zu Produktionseinbussen von monatlich etwa 1’000 GWh führte. In der gleichen Zeit übertrafen die Importüberschüsse ihre durchschnittlichen 10-Jahres-Werte um 840 – 1’410 GWh; von den Grössenordnungen her also mindestens das, was von den KKW weniger kam. In dieser durch Störfälle verursachten Situation wurde real vorweggenommen, was mit dem geplanten Abschalten von Mühleberg im nächsten Jahr und der Energiestrategie mit grosser Wahrscheinlichkeit auf uns zu kommt: Der fehlende KKW-Strom wurde und wird importiert.
Mit einer Ersatzstrategie von Kernkraftwerken durch PV-Anlagen – ich habe den Wind bewusst weggelassen, weil er bisher bei uns keine Rolle gespielt hat – setzen wir auf eine Technologie, deren schwache Arbeitsauslastung zu einem neunmal grösseren Installationsbedarf führt, was sowohl mit grossem Raumbedarf als auch hohen Kosten einhergeht, und deren schwankende Produktionsweise vor allem im saisonalen Gefälle dazu führt, dass im Winter unsere bisherige Importabhängigkeit noch vergrössert wird. Eine Energiewende, die zur Importwende wird, macht mir aber wirklich Sorgen.
Dieser Post ist auch auf dem Carnot-Cournot-Netzwerk publiziert.
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