Homo Sapiens Politik

Heute feiern wir den Weltstatistiktag

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 164“ im Online-Nebelspalter vom 20. Oktober 2025 zu lesen.

Normalerweise kümmere ich mich nicht darum, was offiziell an einem Tag gerade gefeiert wird. Beim Thema Statistik mache ich aber eine Ausnahme, weil die grafische Darstellung von statistischen Daten ja im Zentrum meiner Nebelspalter-Kolumnen steht. Zudem fällt das Datum des Weltstatistiktages ausgerechnet mit einem Publikationstag meiner Beiträge zusammen (höhere Fügung?). Auf das Ganze aufmerksam geworden bin ich durch eine Medienmitteilung des Bundesamtes für Statistik (siehe hier).

Was wichtig ist:

– Alle fünf Jahre wird am 20. Oktober der von der Uno eingeführte Weltstatistiktag gefeiert.
– Das Bundesamt für Statistik nimmt diesen Tag zum Anlass, 175 Jahre Volkszählung in der Schweiz zu feiern.
– Und als Zweites wird an die Eröffnung des Eidgenössischen Statistischen Bureaus vor 165 Jahren erinnert.

Schweden ist Vorreiter bei der Landesstatistik

Der Weltstatistiktag am 20. Oktober wurde 2010 von den Vereinten Nationen auf Betreiben der UN-Statistikkommission eingeführt, um die Bedeutung von verlässlichen Daten für Politik und Gesellschaft zu würdigen. Die ersten Bestrebungen von Ländern, Daten für staatliche Statistiken zu sammeln, gehen auf den Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit zurück. Das erste Land mit amtlicher Statistik war Schweden. Dort gibt es seit 1749 eine Behörde zur Erfassung landesweiter Daten, und zwar in den Bereichen Bevölkerung, Gesundheit und Wirtschaft.

Beginn in der Schweiz mit der Volkszählung von 1850

1801 führte Frankreich die erste staatliche Datenerhebung ein, 1837 folgte England. Und wie die Medienmitteilung des Bundes in Erinnerung ruft, ist die Schweiz 1850 dem globalen Pionier Schweden mit der ersten Volkszählung gefolgt. Schon davor gab es kantonale Erhebungen, aber erst mit der Gründung des Bundesstaates 1848 kam der Wunsch nach dem Sammeln landesweiter Daten auf. Die vom Eidgenössischen Departement des Innern organisierte erste Volkszählung von 1850 stand am Anfang dieser Entwicklung.

Vorläufer des BFS wird 1860 gegründet

Mit der Etablierung eines «Eidgenössischen Statistischen Bureaus» 1860 begann die eigentliche Geschichte der amtlichen Statistik in der Schweiz, die 1918 zur Gründung des Bundesamtes für Statistik (BFS) in Bern geführt hat (siehe hier). Neben den Volkszählungen gab es Projekte in den Bereichen Landwirtschaft, Preisentwicklung, Handel, Arbeit und Bildung. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich das BFS zu einer zentralen Informationsstelle für Politik und Gesellschaft. Heute veröffentlicht das BFS Statistiken in über 400 Themenbereichen wie Bevölkerung, Arbeit, Bildung, Umwelt, Energie, Mobilität, Preise, Gesundheit, Digitalisierung usw.

Doppelfeier des BFS

Heute kann die Schweiz also auf 175 Jahre Eidgenössische Volkszählung und auf 165 Jahre Bundesamt für Statistik zurückblicken. In der Medienmitteilung aus Anlass dieser Doppelfeier schreibt das BFS: «Anlässlich des Weltstatistiktags vom 20. Oktober 2025 soll daran erinnert werden, wie wichtig der Zugang zu hochwertigen Daten und öffentlichen Statistiken ist. Neutrale und zuverlässige Informationen ermöglichen es in einer Demokratie, faktenbasierte Entscheide zu treffen.»

Und eigens zu diesem Anlass hat das BFS auch eine spezielle Grafik herausgegeben, in der die wichtigsten Daten der Schweiz auf einer Seite dargestellt sind (mit Kennzahlen von 2022 bis 2024):

Volkszählung 175jahre
Quelle: Bundesamt für Statistik

Gefälschte Statistiken

Wenn man mit statistischen Daten arbeitet, wie ich das hier mit meinen Grafiken tue, wird man zuweilen mit dem Einwand konfrontiert, dass man mit Statistiken beliebig manipulieren könne, dass damit also nicht die «Wahrheit» gezeigt würde, sondern nur eine «Meinung». Dieser Einwand ist sicher in einzelnen Fällen berechtigt. Trotzdem bin ich überzeugt, dass man mit der Suche nach der besten Statistik der «besten Wahrheit, die wir im Moment haben» am nächsten kommt. Und darum geht es mir: eine Diskussion darüber anzuregen, welches für ein bestimmtes Problem die «zur Zeit beste Wahrheit» ist.

Die Schweiz hat mehr als neun Millionen Einwohner

Dazu ein Beispiel mit Zahlen aus dieser Grafik. Wenn ich sage: «Die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz betrug Ende 2024 9,05 Millionen Menschen», dann beziehe ich mich genau auf diese Grafik. Ich «glaube» also dem BFS, weil es meines Wissens die Institution ist, die zu dieser Frage die beste Antwort gibt. Trotzdem bleiben Detailfragen: Was heisst Wohnsitz in der Schweiz? Antwort: mindestens ein Jahr wohnen in der Schweiz (oder dies zumindest beabsichtigen). Wie kontrolliert man das? Antwort: Mit Fragebogen. Weil wir aber alle wissen, dass auf diese Weise nie alle Menschen erfasst werden können, merkt man jetzt, dass eine statistisch erfasste Bevölkerungszahl immer nur eine Annäherung an die «Wahrheit» darstellen kann.

Es bleibt immer eine «Wahrheits-Unschärfe»

Das ist aber praktisch nicht von Belang, weil für die allermeisten Fragen, bei denen die Bevölkerungszahl eine Rolle spielt, die «Wahrheits-Schärfe» auch nicht grösser ist. Und schon in meiner Formulierung oben steckt eine weiter «Unschärfe»: Da ich die genaue Bevölkerungszahl der besseren Verständlichkeit halber auf 9,05 Millionen verkürzt habe, sind damit 1’029 Personen nicht erfasst. Ob diese Unschärfe aber grösser ist, als die Dunkelziffer der präzisen Erfassung der Wohnbevölkerung, weiss niemand – vor allem aber spielt es für die Praxis keine Rolle.

Aber eigentlich ist das Wichtigste doch: Haben Sie gewusst, dass die Schweizer Bevölkerung bereits im Jahr 2024 die 9-Millionen-Marke geknackt haben?

Nun spiele ich noch ein wenig mit Zahlen der Grafik herum:

  • In der Schweiz wohnen mehr Frauen als Männer: Wenn alle überzähligen Frauen in einer Stadt wohnen würden, hätte diese die Grösse von Biel.
  • Die Schweiz stirbt (noch) nicht aus: Den gut 78 Tausend Lebendgeburten stehen knapp 72 Tausend Todesfälle gegenüber (ist nicht aus der Grafik).
  • Die Frauen verdienen 9,5 Prozent weniger als die Männer. Die Männer verdienen 10,5 Prozent mehr als die Frauen (Quizfrage: Warum? Bitte kommentieren).
  • Obwohl die Reallöhne um 0,7 Prozent gestiegen sind, haben wir einen Kaufkraftverlust von 0,4 Prozent.
  • Knapp die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer beteiligen sich an Abstimmungen und Wahlen (ich meinte es wären weniger).

Ein Fehler in der BFS-Statistik?

Und schliesslich habe ich einen Fehler in der Statistik gefunden (muss mit dem BFS noch abgeklärt werden): Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf im Jahr 2023 wird mit 90’027 Franken angegeben. Diese Zahl kommt zustande, wenn man das gesamte BIP durch die Wohnbevölkerung teilt. Das BIP wird mit 853’957 Millionen Franken angegeben. Nach ChatGPT (ja die benutze ich immer öfter) betrug die ständige Wohnbevölkerung im gleichen Jahr 8’962’300 Personen. Daraus ergibt sich ein BIP pro Einwohner von 95’283 Franken. Wo liegt der Fehler, der zu dieser grossen Differenz führt?

Fazit: Das Bundesamt für Statistik erfüllt als neutrale und faktenbasierte Datenquelle eine sehr wichtige Aufgabe in unserem Land. Verfolgen wir deshalb deren Arbeit mit kritischem Blick.

1 Kommentar zu “Heute feiern wir den Weltstatistiktag

  1. Martin Schlumpf
    Martin Schlumpf

    Auf Nachfrage beim BFS hat sich herausgestellt, dass ich richtig lag mit meiner Fehlervermutung: Das BIP pro Person beträgt im Jahr 2023 94’710 CHF.

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