Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 161“ im Online-Nebelspalter vom 15. September 2025 zu lesen.
Bei Diskussionen über unsere Energieversorgung hört man immer wieder Rufe nach einem beschleunigten Ausbau der neuen Erneuerbaren, insbesondere der Photovoltaik (PV). Ausgeblendet wird dabei aber meist, dass mit einem solchen Ausbau die Stromüberschüsse an sonnigen Tagen über Mittag ständig grösser werden. Dies verursacht regelmässig einen markanten Preiszerfall an den Strombörsen, der manchmal sogar zu negativen Preisen führt: ein für die Stromproduzenten erheblicher wirtschaftlicher Schaden. Und eine Herausforderung für die Stabilität des Stromnetzes. Ich analysiere hier, wie stark die Schweiz von diesen negativen Effekten schon heute betroffen ist.
Was wichtig ist:
– Die Schweizer PV-Stromerzeugung deckt heute an sonnenreichen Tagen bis zu zwei Drittel des Verbrauchs ab.
– Zusammen mit der Produktion aus Wasser- und Kernkraftwerken führt das jeweils während mehrerer Stunden zu grossen Stromüberschüssen, die nicht gebraucht werden.
– Als Folge davon fallen die Börsenstrompreise in dieser Zeit massiv. Immer häufiger sind die Preise sogar negativ.
– Den Schaden aus diesem Preiszerfall tragen unsere Elektrizitätswerke – und damit letztlich wir Konsumenten.
Zehn Prozent des Stromverbrauchs mit PV gedeckt
Auch wenn es Vielen zu langsam geht: In den letzten Jahren hat der Zubau an PV-Anlagen in der Schweiz stark an Fahrt aufgenommen. 2024 machte der Stromertrag aus Solaranlagen immerhin schon knapp zehn Prozent des Landesverbrauchs aus: Innert vier Jahren konnte die Solarproduktion um über 120 Prozent gesteigert werden.
Schauen wir uns den Stromertrag aus PV-Anlagen in einer sonnenreichen Sommerwoche des Jahres 2025 an. Ich wähle dafür Woche 25 vom 16. bis 22. Juni 2025. Die folgende Grafik zeigt die PV-Stromerzeugung zusammen mit dem Stromverbrauch in der Schweiz in diesen sieben Tagen in Stundenwerten, also quasi in Echtzeit. Diese sowie alle weiteren Grafiken dieses Beitrags stammen von der Webseite «Swiss Energy-Charts», auf der alle wichtigen Energiedaten des Schweizer Stromsystems zu finden sind (siehe hier).

PV deckt zwei Drittel des Verbrauchs
Die Grafik zeigt mit der schwarz gezackten Linie den Verbrauch in Megawatt (MW) für jede einzelne Stunde dieser Woche. Mit der gleichen Einheit wird auch der Solarstromertrag angegeben. Dieser folgt dem Sonnenstand: In der Nacht Null, am Tag zwischen 6 Uhr morgens und 8 Uhr abends stark auf- und abschwellend. Dabei liegen die Spitzenwerte über Mittag, die bei rund 5500 MW liegen, bei rund zwei Dritteln des Verbrauchs, der um 8000 bis 9000 MW pendelt.
Neben den PV-Anlagen wird bei uns aber vor allem in Kernkraftwerken und Wasserkraftwerken Strom erzeugt. Die nächste Grafik zeigt neben dem Verbrauch den gesamten Strommix der Schweiz in Woche 25 2025:

Bei der Stromerzeugung zeigt die Grafik von unten nach oben gestapelt den Strom aus Kernkraftwerken (rot), Flusskraftwerken (dunkelblau), Speicherkraftwerken (hellblau), Pumpspeicherkraftwerken (türkisblau), sowie Andere (violett) und Solar (gelb). Bezüglich der Art und Weise der Einspeisung liefern dabei die Kernkraftwerke konstanten und die Flusskraftwerke etwas schwankenden Bandstrom.
Speicher- und Pumpspeicher kompensieren Solar
Ganz anders aber verhalten sich die Speicher- und die Pumpspeicherkraftwerke: Sie gleichen die schwankende Solareinspeisung so weit wie nötig aus. Das ist möglich, weil diese beiden Stromerzeuger sehr flexibel regelbar sind. Wenn also über Mittag viel Solarstrom ins Netz drängt, liefern sie sehr wenig. Dafür kompensieren sie den Ausfall von Solarstrom in der Nacht. Und wie man sieht, findet diese Kompensation etwa zu drei Vierteln statt.
PV-Überschuss von 3000 Megawatt
In der Summe liegt die gesamte Stromerzeugung in dieser Sommerwoche aber fast durchwegs über dem Verbrauch. Und dies ganz besonders jeweils am Mittag wegen den starken PV-Spitzenwerten. Zu diesen Zeiten weist das Schweizer Stromsystem Überschüsse in der Grössenordnung von 2000 bis 4000 MW aus.
Das wiederum hat Auswirkungen auf den Strompreis an der Börse. Ein Grossteil des Schweizer Stroms wird an der EPEX Spot Switzerland (European Power Exchange, siehe hier) in Paris gehandelt. Dort kündigen Verkäufer und Käufer einen Tag zuvor für jede Stunde an, zu welchem Preis sie den Strom anbieten (Day-Ahead-Handel). Am aktuellen Tag kann bis fünf Minuten vor der Auslieferung weiter gehandelt und somit auf letzte Veränderungen reagiert werden (Intraday-Handel).
Überschüssiger Solarstrom ist fast wertlos
Wenn nun absehbar ist, dass für eine bestimmte Stunde ein Überangebot an Strom besteht, fällt der Preis natürlich entsprechend. Und wenn es ganz extrem wird, müssen die Verkäufer sogar dafür bezahlen, dass der Strom überhaupt abgenommen wird. Wie das konkret in der Woche ausgesehen hat, die ich untersucht habe, zeigt die nächste Grafik: Neben dem Verbrauch und der Stromerzeugung ist der durchschnittliche Strompreis pro Stunde abzulesen:

Tiefster Negativwert: minus 97 Euro pro Megawattstunde
Die orange Linie zeigt den durchschnittlichen Strompreis im laufenden Intraday-Handel (Intraday Continuous Average Price) an der EPEX in der Woche vom 16. bis 22. Juni 2025. Der Massstab für diese Kurve ist auf der rechten y-Achse angegeben: Euro pro Megawattstunde (MWh). Beim Wert Null habe ich einen schwarzen Balken eingefügt: Wie man sieht sinkt der Preis an fünf dieser sieben Tage unter Null. Am Sonntag, den 22. Juni, um 13 Uhr wird die tiefste Marke von minus 97,74 Euro pro MWh erreicht.
Solarüberschüsse sind verantwortlich für tiefe Handelspreise
In der Schweiz sind also bereits so viele PV-Anlagen installiert, dass es an sonnenreichen Tagen über Mittag jeweils zu einem massiven Preiszerfall kommt. Gegen Abend kehrt sich das dann wieder um.. Entsprechend sieht man in der Grafik an jedem Tag die tiefsten Strompreise zwischen 10 und 16 Uhr, dann, wenn am meisten PV-Strom produziert wird.
Hohe Preise am Abend bei Null Solarstrom
Zudem zeigt die Grafik noch ein zweites Preisphänomen: Jeweils am Abend zwischen 19 und 21 Uhr treten immer die höchsten Strompreise auf. In der betrachteten Woche liegen sie zwischen 120 und 150 Euro pro MWh. Dann also, wenn die Solaranlagen total ausfallen, aber die Nachfrage nach Elektrizität immer noch relativ hoch ist, wird der Strom wegen der relativen Angebotsknappheit besonders wertvoll.
Fazit: Schon beim heutigen Ausbaustand der PV-Anlagen stellen sonnenreiche Tage ein Problem dar für unser Stromsystem: Sie kannibalisieren die Wirtschaftlichkeit der Erzeugung und sie sind darüber hinaus eine grosse Herausforderung für die Netzstabilität. Ein weiterer Ausbau verschärft diese Probleme.
Was Prof. Martin Schlumpf hier schreibt ist einwandfrei. In früheren Beiträgen hat Prof. Schlumpf korrekt auch die winterliche Seite der Photovoltaik beschrieben. Im Winter ist die Photovoltaik-Produktion in der Schweiz sehr gering. Überschüsse gibt es nie, im Gegenteil. Daher sage ich ja zur modernen Kernenergie der Generation IV und ja zur Verstärkung der Wasserkraft (Potentiale sind vorhanden). Mit Pumpspeicherkraftwerken kann auch der sommerliche Überschuss der Photovoltaik intelligent und effizient genutzt werden.
Stimmt alles bis auf die Speicherung. Gem EPUL benötigen wir, wenn alle fossilen Energien mit elektr. Energie ersetzt werden, ca. 13 zus. Grand Dixence, was etwa 20 TWh entspricht. Gem. PSI sind aber max. 2.7 TWh zus. Wasserspeicher (Pumpspeicherwerke) möglich. Höhere Staumauern und zus. Täler fluten. Wie weit diese in der Planung resp. mit Einsprachen belegt sind, lesen wir in der Presse. Es führt kein Weg an modernen KKW’s vorbei. Ob mehrere Kleine (SMR) oder einige Grosse, muss rasch entschieden werden.