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Keine Angst vor radioaktiven Abfällen

Der folgende Text ist am 16. November 2022 in der Aargauer Regionalzeitung „Die Botschaft“ unter der Rubrik „Was mich beschäftigt“ erschienen.

Atomgegner behaupten immer wieder, eine sichere Lagerung radioaktiver Abfälle sei nicht möglich, weil die daraus resultierende Belastung nachfolgender Generationen über Hunderttausende von Jahren nicht zu verantworten sei. Ohne Zweifel übersteigt ein solch gigantischer Zeitraum unser Vorstellungsvermögen. Aber spielt das überhaupt eine Rolle? Beim Vergleich mit anderen gefährlichen Abfällen – zum Beispiel dem Sondermüll aus Batterien oder Fotovoltaik-Modulen – zeigt sich, wie wenig stichhaltig dieses Argument ist.

Hochtoxischer chemischer Abfall bleibt über Hunderttausende von Jahren immer gleich toxisch, während die Strahlungsintensität radioaktiver Abfälle kontinuierlich abklingt: Das Gefahrenpotenzial des Atommülls wird also über die Zeit ohne irgendeinen äusseren Einfluss immer kleiner. Die Belastung nachfolgender Generationen ist bei giftigen chemischen Abfällen also viel virulenter als bei den abklingenden radioaktiven.

Umgekehrt heisst das: Die grösste Gefahr, die von radioaktiven Abfällen ausgeht, besteht hier und heute – schon morgen ist sie geringer und übermorgen erst recht. Wo aber sind die radioaktiven Abfälle aus Kernkraftwerken, Medizin, Forschung und Industrie heute gelagert? Bei uns im ZWILAG in Würenlingen.

Die hochaktiven Abfälle aus den abgebrannten Brennstäben der Kernkraftwerke sind in dickwandigen über sechs Metern hohen Stahlbehältern flugzeugabsturzsicher verpackt. Die von diesen Behältern abgegebene Wärme wird durch einen natürlichen Umlauf der Luft abgeführt: Aussenluft dringt durch Öffnungen in den Seitenwänden in die Halle ein, erwärmt sich beim Aufsteigen und tritt aus Dachöffnungen wieder aus.

Selbstverständlich wird die Umgebungsluft des ZWILAG kontinuierlich überprüft. Die Messresultate zeigen, dass in der näheren Umgebung keine Erhöhung der radioaktiven Strahlung feststellbar ist: Sowohl für die Forscherinnen im benachbarten PSI als auch für uns Einwohner von Würenlingen hat die radioaktive Zwischenlagerung nicht den geringsten schädlichen Umwelteffekt.

Und was geschieht, wenn in etwa dreissig Jahren die Nagra die Abfälle aus dem ZWILAG in das vorgesehene Tiefenlager Nördlich Lägern überführt? Die hochaktiven Abfälle werden in spezielle Endlagerbehälter umgepackt, die einen möglichst guten Korrosionsschutz bieten. Dann werden diese Behälter in 900 Metern Tiefe in einer wasserundurchlässigen Opalinustonschicht in einem Stollen eingeschlossen.

Selbst im schlimmstmöglichen Szenario für diese Tiefenlagerung – einer wasserführenden senkrechten Störungszone – würde die dadurch verursachte Zusatzdosis von 0,0003 Millisievert pro Jahr immer noch 300-mal unter dem verlangten Schutzkriterium liegen. Einem Schutzkriterium notabene, das bereits 60-mal tiefer liegt, als die Dosis, die eine Durchschnittsschweizerin pro Jahr an Radioaktivität abbekommt: Jede medizinische Behandlung ist um ein Vielfaches «gefährlicher».

Also: 1. Es gibt keine messbare Gefahr bei der heutigen Zwischenlagerung. 2. Die Aktivität der Abfälle nimmt bis zum Übergang in die Tiefenlagerung auf unter ein Prozent ihrer ursprünglichen Strahlung ab. 3. Im Tiefenlager sind die Behälter besser geschützt als heute. 4. Ihr Volumen ist vergleichsweise gering.

Deshalb, liebe Atomgegner: Stoppt eure Angstmacherei wegen dem angeblich ungelösten Abfallproblem der Kernenergie.

11 Kommentare zu “Keine Angst vor radioaktiven Abfällen

  1. Torsten Gürges

    Ich weise darauf hin, dass moderne Kernkraft der Generation IV bzw. der angedachte Dual – Fluid – Reaktor in der Lage wären, einen weit überwiegenden Anteil der heutigen Kernkraftabfälle zu „verbrennen“ und dabei Reststoffe entstehen, die
    a) in weitaus geringer Menge (gravimetrisch und volumetrisch) anfallen als heutiger „Atommüll“.
    b) bereits nach wenigen hundert Jahren unterhalb der Radiotoxizität von Natururan liegen würden.

    Zum Einwand, der oft vorgebracht wird: „Das ist ja nur ein Papierkonzept“ (Generation IV zwar nicht mehr, der Dual Fluid aber schon). Stimmt! Aber: Die Technik ist (im Gegensatz zur Kernfusion!) komplett „da“. Der Bau einer Demonstrationsanlage wäre in wenigen Jahren realisierbar (wird wahrscheinlich zuerst in Kanada soweit sein).

    • Jörg Hofstetter

      Einverstanden: Generation IV wurde umgesetzt. Resultat: Technologisch und ökonomisch gescheitert.

      • Torsten Gürges

        Eine ausgesprochen „dünne“ Antwort! Argumente wären mir lieber! Wobei es mir egal wäre, ob sie tatsächlich finanzieller und/oder physikalischer Natur wären. Wenn gewünscht, und der Platz hier nicht ausreicht, gerne auch per EMail. Vielen Dank vorab!

        • Jörg Hofstetter

          Ich denke es gibt viele Quellen zum Zustand der Reaktoren der 4. Generation.
          Die neusten Versuche stammen wohl aus China, aber da scheinen die Infos nicht so zu fliessen (und bestellen möchte da wohl auch niemand).
          Hier eine Übrsicht (nicht technisch einfach eine Übersicht zu den laufenden Experimente):
          https://www.mdr.de/wissen/vierte-generation-atomkraft-reaktor-klimawandel-100.html#oeko-insitut

          • Torsten Gürges

            Ob nun gerade der MDR oder generell eine Quelle aus deutschen öffentlichen Regierungskreisen mit ihrer extremen Anti – Kernkraft – Ideologie herangezogen werden sollten, sei dahin gestellt (ich verweise auf die symbolische Sprengung(!) des Kühlturms des stillgelegten KKW Philippsburg, die nachfolgend gefeiert wurde).
            Aber davon abgesehen: Der Thoriumreaktor in China ist, wie richtig im verlinkten Artikel erwähnt, KEINE Neuentwicklung. Warum China genau diesen Reaktortyp gebaut hat und keine anderen, vorteilhafteren der Gen. IV, weiss ich nicht. Evtl. will man eine Qualifikations – „Pipeline“ für weiterentwickelte Flüssigsalzreaktoren schaffen. Danach wird es unpräzise: Der Artikel wirft reale technische Probleme (damals…THTR – 300) mit politischen Entscheidungen zur Stilllegung zusammen (Schneller Brüter Kalkar).
            Dann wird gesagt: Das hilft uns gegen den Klimawandel nicht. Aus welchem Grund? Es wird die Endlagerproblematik genannt (die bei Gen. IV viel geringer ist als bisher). Was das direkt mit CO2 Emissionen (wenn man Klimawandel allein daran festmachen will) zu tun hat, bleibt unklar. Sie sei „langsam“ (was ist damit gemeint?) Langsam im Bau: Bedingt richtig. Aber alles mit Erneuerbaren zu machen ist definitiv a) nicht schneller und b) im grossem, globalem Stil nicht möglich. Langsam in der Regelung der Gradienten? Definitiv nicht richtig! Quellen bei Bedarf!

          • Torsten Gürges

            Fortsetzung: Dann wird auf Kosten beim EPR (Finnland) verwiesen:
            1.) Der ist Gen III, nicht IV.
            2.) Der Grund für Bauverzögerung und Preissteigerungen liegt auch darin, dass man durch den politisch gewollten(!) Stopp der Kernenergie schlicht verlernt hatte, so etwas zu bauen.
            3.) Selbst mit diesen Kosten und den Rückbaukosten, liegen die Preise pro kWh nicht exorbitant hoch und niedriger(!) als bei Solar -und Windenergie wenn(!) man berücksichtigt, dass diese „Backupspeicher“ brauchen. Sind diese ohnehin da und können genutzt werden( ihre Studie zeigt das), ist es in Ordnung (andere Probleme aussen vor!). Sobald zusätzliche(!) Speicher gebraucht werden, sieht das anders aus.
            Nimmt man z.B. bei Windkraft die Entsorgungskosten (Betonfundamente, Problem der Verbundstoffe der Flügel…) oder PV (giftige Substanzen in den Zellen) mit hinzu, sieht es nochmal schlechter aus.
            Letztlich: Ausgehendes Uran: Das stimmt für die alten Konzepte, nicht mehr für die Gen. IV, die :
            a) mehrere Dutzend mal effizienter mit dem Kern – „Brennstoff“ umgehen.
            b.) eben auch Thorium verwenden können.
            c) den Atommüll der alten „Reaktoren“ verwenden könnten.

            Ich bin nicht gegen Erneuerbare oder NUR für Kernenergie! Ich bin für eine Kombination aus allem, was Sinn macht. Und was Sinn macht, muss unideologisch aus technischer UND ökonomischer Perspektive untersucht werden.

        • Jörg Hofstetter

          [auf ihre neusten Antworten kann ich technisch nicht antworten, daher die Antwort hier angehängt]
          MDR-Bericht: Da stossen wir auf ein grundsätzliches Problem. Wir können uns gegenseitig wohl beliebig viele Berichte zuschicken. Einen richtig „neutralen“ Bericht werden wir kaum finden…

          Aus Erfahrung aus ähnlichen Diskussionen. Am Ende geht es um Werthaltungen. Auch wenn wir nach langer Diskussion eine gemeinsame Liste von pro /contras hätten, würden wir diese (basierend auf unseren Wertvorstellungen) ziemlich sich anders gewichten.
          Ich werde Sie damit nicht überzeugen können, möchte Ihnen nur meine Position zeigen: Nach längerer Auseinandersetzung mit der Frage bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es auch ohne KKW’s geht und ich KKW’s wenn immer möglich vermeiden möchte.
          Nun könnte man sagen: Trifft euch doch in der Mitte und sprecht über Nachhaltige. Leider ist es aber so, dass die Realisierung eines Pfades „CO2-neutral ohne KKW“ und „CO2-neutral mit KKW“ wohl anders aussehen werden (andere Infrastruktur).
          Vielen Dank für Ihre Inputs

          • Torsten Gürges

            Ich stimme nur bedingt zu. Natürlich geht es immer um Werthaltungen, die von persönlichen Erfahrungen, etc. beeinflusst werden. Das stimmt.
            Ebenfalls richtig ist, dass man immer „Berichte“ oder „Studien“ für die eine oder andere Sichtweise finden kann (Running Gag inzwischen:“ Wie in Studie „xy“ gezeigt wurde…“). Letzteres wirft kein gutes Licht auf weite Teile der Wissenschaft, denn viele (nicht alle!) Studien sind in den letzten ca. 10, 15 Jahren sehr angreifbar geworden (methodische Fehler, falsche Kausalschlüsse, Nichtunterscheidung zwischen Korrelation und Kausalität, nicht nur auf dem genannten Fachgebiet…). Trotzdem gibt es eine Realität! Und die wird sich durchsetzen. Immer!
            Und dafür muss man oft eine Sache nur auf Plausibilität untersuchen, einfach einmal rational ohne ideologischen Ballast zu Ende denken. Falls dennoch Interesse besteht, würde ich Ihnen einmal eine längere Überlegung von mir per Mail zusenden. Evtl. finden sie auch Fehler in meinem Gedankengang, die ich übersehen habe.
            Sagen Sie dann einfach hier Bescheid.

  2. Jörg Hofstetter

    >>>Es gibt keine messbare Gefahr bei der heutigen Zwischenlagerung.

    Leider sind Gefahren nicht messbar! Das Erstellen einer Risikoabalyse verlangt neben einigem rechnerischen Können auch etwas Fantasie….

    • Martin Schlumpf

      Das ist zu pauschal: Insbesondere radioaktive Strahlung lässt sich einfach messen – im Gegensatz zum Belastungspotenzial chemischer Giftstoffe – , und diese Messungen haben nie erhöhte Werte rund um das Zwilag ergeben.

      • Jörg Hofstetter

        Ok ich präzisiere:
        „Unter Gefahr versteht man etwas, das das Potenzial hat, Schaden zu verursachen. Risiko definiert man als die Wahrscheinlichkeit, dass es aufgrund der Gefährdungsexposition zu einem Schaden kommt.“ (internet)

        Eine bestimmte messbare Radioaktivität stellt eine mögliche Gefährdung dar, ist aber noch nicht grunsätzlich ein Risiko. Erst wenn z.B. ein Mensch lange Zeit einer bestimmten Radioaktivität ausgesetzt ist, dann kann dies einen Schaden bedeuten.
        Was uns konkret interessiert sind Risiken und diese sind definitiv nicht messbar.

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