Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 129“ im Online-Nebelspalter vom 21. Oktober 2024 zu lesen.
Vor einer Woche habe ich hier gezeigt, dass Strom aus Kernkraftwerken den geringsten Ressourcen-Fussabruck aller kohlenstoffarmer Stromerzeuger hat. Heute ergänze ich dieses Thema, indem ich auf einige Aspekte des Landverbrauchs verschiedener Stromquellen eingehe. Auf der Basis von Zahlen der Vereinten Nationen ist das Resultat wiederum eindeutig: die Kernenergie benötigt am wenigsten Land.
Was wichtig ist:
– Kernenergie ist diejenige Form der Stromerzeugung, die weitaus am wenigsten Land pro erzeugte Energiemenge beansprucht.
– Dabei ist neben dem Platzbedarf für die Kraftwerke auch der Landverbrauch für die Beschaffung der Ressourcen für Bau, Betrieb und Stilllegung der Anlagen berücksichtigt.
– Dagegen benötigt Solarstrom vier- bis 63-mal mehr Land.
– Beim Windstrom, wo die Rechnung umstritten ist, kann es bis zu mehrere Hundert mal mehr sein.
Mein Beitrag stützt sich auf den Artikel «Wie schneidet die Landnutzung verschiedener Stromquellen im Vergleich ab?», den die britische Datenwissenschaftlerin Hannah Ritchie auf «Our World in Data» 2022 publiziert hat (siehe hier). Ich empfehle den Besuch dieser umfassenden Daten-Webseite sehr: Das Team um den Gründer Max Roser hat sich dem Motto verpflichtet: «Was müssen wir wissen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen?» (siehe hier).
Je weniger Land pro Energieträger, desto besser
Es gibt vor allem drei Bereiche, in denen wir uns Gedanken über die Auswirkungen der Landnutzung von Energieträgern machen sollten: Haben wir genug Land für eine wachsende Energienutzung? Wie beurteilen wir die Veränderungen des Landschaftsbildes? Welche Umweltauswirkungen haben die Landveränderungen? Unabhängig von Einzelfragen innerhalb dieser Bereiche gilt der Grundsatz: Je weniger Land ein bestimmter Energieträger benötigt, desto besser.
Hannah Ritchie stützt sich in ihrem Beitrag auf die korrigierte Fassung des umfassenden Berichts «Integrierte Lebenszyklusbewertung von Stromquellen», den die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) 2021/22 gemacht hat (siehe hier und hier). Dabei haben die UN-Forscher die Resultate für den gesamten Landverbrauch der unterschiedlichen Stromerzeuger in verschiedenen Weltregionen (geografischer Einfluss) in einer Gesamttabelle zusammengefasst. In der folgenden Grafik aus «Our World in Data» hat Hannah Ritchie alle Werte aus dieser Tabelle übernommen, mit Ausnahme der Windkraft – dort hat sie eigene Berechnungen gemacht:
Der Landverbrauch wird in dieser Grafik in Quadratmeter pro Megawattstunde (MWh) Strom pro Jahr angegeben. Auf jeder Zeile wird der Bereich zwischen minimalem (weisser Punkt links) und maximalem Bedarf an Land (weisser Punkt rechts) für zwölf Stromquellen angezeigt. Die roten Punkte (inklusive Zahlenangabe) geben die globalen Durchschnittswerte an.
Kernenergie mit höchster Energiedichte und kleinstem Platzbedarf
Die Grafik bringt anschaulich zur Geltung, welches die Stromquellen mit der höchsten Energiedichte sind. Hohe Energiedichte bedeutet weniger Ressourcenbedarf und vor allem wenig Landverbrauch: Dabei schneiden die Kernkraft- und die Gaskraftwerke am besten ab (ganz unten in der Grafik). Klar an der Spitze liegt die Nuklearenergie mit einem durchschnittlichen Flächenbedarf von nur 0,3 Quadratmeter pro MWh und einem sehr kleinen Streuungsbereich. Gaskraftwerke beanspruchen demgegenüber zwei- bis elfmal mehr Platz.
Wie aber schneiden die anderen kohlenstoffarmen Stromträger Solar Photovoltaik (PV) und Wasser (Hydropower) ab? Bei der Solarenergie wird unterschieden zwischen Anlagen auf Hausdächern (installed on roofs) und Freiflächenanlagen (installed on-ground). Bei den Dachanlagen wird dabei nur der Landverbrauch berücksichtigt, der für die Herstellung dieser Module gebraucht wird, aber nicht die Installationsfläche selbst, weil die ja bereits mit dem Gebäude überbaut ist.
PV-Strom aus Dachanlagen braucht zehnmal mehr Fläche als Atomstrom
Zusätzlich wird von der Beschaffenheit der Module her zwischen Silizium (silicon) und Cadmium-Tellurid (cadmium) unterschieden. Dabei schneidet das Silizium, das bei uns meist angewendet wird, schlechter ab. Die bei uns vorherrschenden Polysilizium-Dachanlagen zeigen laut Grafik eine Bandbreite des Flächenbedarfs zwischen 1,6 und 5 Quadratmetern pro MWh. Mit einem Durchschnittswert von 3 Quadratmetern benötigen sie zehnmal mehr Land als Kernkraftwerke.
Bei PV-Freiflächen-Anlagen ist es 63-mal mehr Land als bei AKW
Natürlich wird die Bilanz des PV-Stromes punkto Flächenbedarf noch schlechter, wenn es um Freiflächenanlagen geht – seien es solche auf Agrarland oder in den Alpen. Bei den Silizium-Modulen zeigt die Grafik eine Spannweite von 12 bis 37 Quadratmetern. Diese grosse Schwankungsbreite ist eine Folge der unterschiedlich starken Sonneneinstrahlung in den verschiedenen Weltregionen, die untersucht wurden. Mit einem Schnitt von 19 Quadratmetern pro MWh wird für Strom aus solchen Anlagen also 63-mal mehr Land gebraucht als für Strom aus Kernkraftwerken.
Wasserstrom hat den grössten Landbedarf
Gross ist der Landverbrauch auch beim Wasserstrom. Bei grossen Wasserkraftwerken ist er im Schnitt fast 50-mal grösser als beim Nuklearstrom. Und bei kleineren Wasserkraftanlagen unter 360 Megawatt schlägt der Landbedarf für Strom alles, was in dieser Grafik aufgeführt ist: Mit 33 Quadratmetern pro MWh benötigt dieser Wasserstrom im Weltdurchschnitt 110-mal mehr Land als Atomstrom.
Und wie steht es bei der Windkraft an Land? Weil hier sehr umstritten ist, wie der Flächenverbrauch einzuschätzen ist, hat Hannah Richtie dazu eigene Berechnungen durchgeführt (siehe hier). Diese hat sie in folgender Grafik zusammengefasst:
Sie unterscheidet dabei zwischen dem Platzbedarf, der direkt für den Bau einer Windkraftanlage benötigt wird (untere Zeile), und dem Flächenverbrauch, der um eine Anlage herum zur Verfügung stehen muss, weil der Wind sonst seine Kraft nicht richtig entfalten kann. Am einfachsten ist das zu berechnen, wenn mehrere Anlagen in einem Windpark nebeneinander stehen. Umstritten ist dabei aber, ob diese zusätzliche Fläche der Windkraft als Energiequelle zuzurechnen ist oder nicht, weil das Land ja teilweise auch noch genutzt werden kann.
Windstrom würde 28- bis 800-mal mehr Fläche benötigen als Atomstrom
Dabei zeigt sich, dass der Flächenbedarf nur für den Bau allein mit 0,4 Quadratmetern pro MWh nur unwesentlich grösser ist als derjenige für Nuklearstrom. Rechnet man aber die Landflächen zwischen den Windrädern auch dazu (obere Zeile), würde der Platzbedarf für Onshore-Windstrom auf das 28- bis über 800-Fache des Flächenverbrauchs von Strom aus Kernkraftwerken steigen. In der Praxis muss wohl von Fall zu Fall entschieden werden, wie der Flächenverbrauch von Windrädern berechnet wird.
Fazit: Die Kernenergie schneidet von allen kohlenstoffarmen Stromquellen nicht nur beim Material- und Ressourcenbedarf am besten ab – wie vor einer Woche gezeigt – , sondern sie ist auch unter allen Stromerzeugern diejenige Technologie mit dem geringsten Landbedarf.
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