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Fossile Brennstoffe werden uns noch längere Zeit begleiten

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 130“ im Online-Nebelspalter vom 4. November 2024 zu lesen.

Der Verbrauch fossiler Energien könnte 2030 sinken: Das sagt die Internationale Energie Agentur (IEA, siehe hier) in ihrem neuesten «World Energy Outlook 2024» (siehe hier). Dieser jährlich erscheinende Weltenergie-Ausblick der IEA ist die wichtigste Quelle für Untersuchungen zur globalen Energienachfrage und -versorgung sowie zu deren Auswirkungen auf Energiesicherheit, zu wirtschaftlicher Entwicklung und zu Treibhausgasemissionen. In diesen Berichten wird mit Szenarien gearbeitet, die aufgrund unterschiedlicher politischer Vorgaben den Energiezustand der Welt bis ins Jahr 2050 modellieren.

Was wichtig ist:

– Alle Szenarien des «World Energy Outlook 2024» der IEA sagen voraus, die globale Energienachfrage werde langsamer wachsen.
– Weil die zusätzliche Nachfrage immer mehr mit sauberer Energie gedeckt werden kann, wird der Verbrauch fossiler Energie gemäss der IEA ab etwa 2030 langsam zurückgehen.
– Im Gesamtenergiemix wird die Elektrizität immer wichtiger – die Nachfrage nach Strom wächst rasant.
– Angesichts der unsicheren geopolitischen Lage legt der Bericht grosses Gewicht darauf, Unsicherheiten einzubeziehen.

Der neue IEA-Outlook 2024 zeigt, dass der Stromverbrauch von 2010 bis 2023 doppelt so schnell gestiegen ist wie die gesamte Energienachfrage. Bis 2035 wird die Stromnachfrage im Basisszenario sechsmal so schnell wachsen wie der Gesamtenergieverbrauch. Diese Beschleunigung beim Stromverbrauch ist vor allem auf die Verbreitung von Elektrofahrzeugen, die Nutzung von Klimaanlagen und Wärmepumpen, die Digitalisierung der Wirtschaft und die Ausweitung der künstlichen Intelligenz zurückzuführen.

2023 waren zwei Drittel des zusätzlichen Verbrauchs fossil

2023 stieg der jährliche Gesamtenergiebedarf um hohe zwei Prozent, wobei Rückgänge in Industrieländern durch starke Zunahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern mehr als kompensiert wurden. Trotz einer Rekordmenge an sauberer Energie, die 2023 ans Netz gebracht wurde – mehr als 560 Gigawatt neue erneuerbare Stromkapazität – , mussten zwei Drittel der zusätzlichen Nachfrage mit fossilen Brennstoffen gedeckt werden. Damit erreichten die energiebedingten CO2-Emissionen ein Rekordhoch (siehe auch hier).

Im Ausblick der IEA von 2024 werden drei Szenarien untersucht – das sind keine Prognosen – , die als Rahmen für das Verständnis möglicher Energiezukünfte dienen. Im «Szenario der festgelegten Richtlinien» (Stated Policies Scenario) wird untersucht, wie sich die Energiesysteme der Länder entwickeln werden, wenn die bisher ergriffenen politischen Massnahmen weiter wirksam bleiben – ich bezeichne das als Basisszenario.

Jährliches Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent

Im «Szenario der angekündigten Zusagen» (Announced Pledges Scenario) wird vorausgesetzt, dass alle Regierungen ihre Verpflichtungen, die sie im Pariser Klimaabkommen gemacht haben, wie versprochen realisieren werden. Und im «Netto-Null-Emissionen-bis-2050-Szenario» (Net Zero Emissions by 2050 Scenario) wird ein breites Portfolio an sauberer Energie eingesetzt, mit dem die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius gelingen soll. Allen Szenarien wird die gleiche wirtschaftliche Wachstumsrate von 2,7 Prozent pro Jahr sowie ein Wachstum der Weltbevölkerung von heute 8 Milliarden auf 9,7 Milliarden im Jahr 2050 zugrunde gelegt.

Betrachten wir zuerst die Entwicklung des Gesamtenergieverbrauchs nach Energieträgern im Basisszenario von 1950 bis 2050. Dabei verwende ich eine Grafik, die in einem Bericht der Agentur Reuters über den hier besprochenen IAE-Outlook publiziert wurde (siehe hier): Diese Grafik entspricht inhaltlich genau der Abbildung 1.1 des Outlooks, lässt aber die Szenarienvergleiche weg, auf die ich hier nicht eingehen kann.

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Quelle: IEA / Reuters

Die Grafik zeigt zuerst die reale Entwicklung der wichtigsten Gesamtenergieträger von 1950 bis 2023 (schwarze vertikale Linie). Ab 2024 bis 2050 wird dann der Verlauf eingetragen, der sich aus den Bedingungen des Basisszenarios «weiter wie bisher» ergibt. Alle Werte sind in Exajoule angegeben. Die fossilen Energien sind rot (Öl), schwarz (Kohle) und gelb (Gas) eingetragen. Die sauberen Energien sind grün (Erneuerbare) und violett (Kernenergie) eingezeichnet – die orange Kurve zeigt die Summe dieser beiden sauberen Energien.

2023 waren vier Fünftel der Energie fossil

Der Ausblick der IEA weist darauf hin, dass im vergangenen Jahrzehnt (2013 bis 2023), in dem der Gesamtenergieverbrauch um 15 Prozent gestiegen ist, der Anteil der fossilen Energieträger von 82 Prozent erst leicht auf 80 Prozent gesunken ist. Dies ist aus der Grafik herauszulesen: 2023 sind Öl, Kohle und Gas die dominierenden Energieträger, weit vor den Erneuerbaren und der Kernenergie. Zudem sieht man, dass seit 2013 die Erneuerbaren und Gas den grössten Zuwachs aller Energieträger zu verzeichnen hatten.

2030 könnten noch drei Viertel fossil sein

Und wie sieht die Zukunft aus, wenn die Welt so weiterfährt wie bisher? Also mit einer Energiepolitik, die auf einen starken Ausbau der Erneuerbaren setzt. In diesem Basisszenario, das die Grafik ab 2024 zeigt, schnellt die grüne Kurve der Erneuerbaren bis 2050 um das Dreifache von 75 auf 240 Exajoule hinauf. Etwa um 2040 überholt die Energieerzeugung aus Erneuerbaren diejenige aus Öl und wird zur dominierenden Quelle. Gleichzeitig erfährt die Kernenergie, die längere Zeit stagniert hat, einen moderaten Ausbau von 30 auf 50 Exajoule.

Dem steht eine Entwicklung der fossilen Träger entgegen, bei der die Kohle ab etwa 2028 stark und das Öl ab etwa 2030 moderat rückläufig sind, während das Gas auf dem Niveau von 2025 verharrt. Dieser insgesamt ab 2030 sinkende Anteil der fossilen Energie führt dazu, dass 2030 noch 75 Prozent und 2050 noch 58 Prozent der globalen Gesamtenergie aus fossilen Quellen kommt.

Vieles hängt von China ab

Ist dieses Szenario realistisch? Vielleicht – niemand weiss es. Aber es könnte sogar sein, dass auch diese Ziele nicht vollständig erreicht werden. Man denke nur an den grossen Mehrverbrauch bei Kohle und Öl nach dem Corona-Einbruch von 2020. Vor allem aber wird die globale Energiezukunft sehr stark durch die Energiepolitik Indiens und bis auf weiteres noch viel stärker Chinas bestimmt: Der Einfluss Europas und der USA wird hingegen immer mehr schwinden.

Wenn aber schon das Erreichen der Ziele des «Weiter-wie-bisher»-Szenarios nicht sicher ist, scheint es mir nicht besonders sinnvoll, detailliert aufzuzeigen, wie die Energiewelt in den beiden anderen Szenarien aussieht: Nämlich, dass im Szenario zwei, in dem die Klimaversprechungen aller Länder umgesetzt sind, der fossile Anteil bis 2050 auf 25 Prozent der Gesamtenergie zurückgehen würde und dass sogar Netto-Null machbar wäre.

Fazit: Wir werden wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten eine Energiewende mit abnehmenden Zuwachsraten beim Gesamtenergieverbrauch und stark steigendem zusätzlichem Strombedarf erleben. Dabei werden die sauberen Quellen der neuen Erneuerbaren (vor allem Wind und Solar) zusammen mit der Kernenergie eine zunehmend grösserer Rolle spielen. Die fossilen Träger – vor allem Öl und Gas – werden uns aber noch längere Zeit weiter begleiten.

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