Energie Klima

Bei der Energie hat die Schweiz Vieles richtig gemacht

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 148“ im Online-Nebelspalter vom 5. Mai 2025 zu lesen, er bildet Teil 2 meiner neuen Serie «Unausgegorene Energiewende».

In meinem letzten Beitrag habe ich gezeigt, dass der globale Energieverbrauch mit einem fossilen Anteil von über 80 Prozent ungebremst weiter steigt: Von einer ökologischen Wende ist noch fast nichts zu sehen (siehe hier). Für die Beurteilung der Massnahmen der Energiestrategie unseres Landes – dem Ziel der hier fortgesetzten Reihe «Unausgegorene Energiewende» – braucht es zusätzlich eine Bestandesaufnahme der wichtigsten Kennzahlen des Schweizer Energiesystems.

Was wichtig ist:

– Der Energieverbrauch der Schweiz ist seit 2013 um 15 Prozent gesunken – der fossile Anteil beträgt 59 Prozent.
– Die Schweiz erzeugt ihren Strom fossilfrei.
– Dieser Stromverbrauch ist zwischen 2013 und 2023 praktisch konstant geblieben.
– Die energiebedingten CO2-Emissionen sind gleichzeitig um 29 Prozent gesunken.

Damit wir die hier präsentierten Zahlen für die Schweiz, die auf Angaben des Bundesamtes für Energie (BFE) beruhen, mit den Weltenergie-Zahlen meines letzten Beitrages vergleichen können, wähle ich auch den Zeithorizont von 2013 bis 2023. Die nächste Grafik zeigt die Entwicklung des Energieverbrauchs der Schweiz in diesem Zeitraum unter spezieller Berücksichtigung der fossilen Energien (siehe hier).

Endenergie ch
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Unter Energieverbrauch ist hier der sogenannte Endverbrauch gemeint. Das ist die Energiemenge, die beim Energiekonsumenten direkt ankommt, nachdem aus der Primärenergie (Erdöl, Rohwasserkraft etc) durch verschiedene Umwandlungsprozesse, die mit Verlusten verbunden sind, diese Endenergie entstanden ist (Brennstoffe, Elektrizität etc). Die Werte sind in Petajoule (PJ) angegeben.

Schweizer Energieverbrauch um 15 Prozent gesunken

Die jährlich konsumierte Endenergie der Schweiz ist von 898 PJ im Jahr 2013 auf 767 PJ im Jahr 2023 gesunken, das entspricht einer Reduktion um 15 Prozent. Auffällig ist auch hier der markante Einbruch während der Corona-Pandemie 2020. Diese schweizerische Entwicklung steht konträr zum Verlauf des Primärenergieverbrauchs der Welt, der in dieser Zeit um 15 Prozent gestiegen ist (siehe hier). Bei der Primärenergie hat die Schweiz einen Anteil am Weltverbrauch von 0,17 Prozent.

Die Menge an fossiler Energie ist sogar um 24 Prozent zurückgegangen

Der für die Klimadebatte entscheidende Anteil der fossilen Energieträger am Endverbrauch habe ich in der Grafik ausdifferenziert: Erdölbrennstoffe (hellgrau), Erdöltreibstoffe (grau) sowie Gas und Kohle (schwarz). Dabei ist der Kohleanteil in der Schweiz minimal klein: 2023 lag er bei 0,4 Prozent des Endverbrauchs. Wie die Grafik zeigt, ist der Anteil aller fossilen Energien in unserem Land zwischen 2013 und 2023 sogar um 24 Prozent gesunken: Von 595 auf 454 PJ.

Minus 29 Prozent bei den energiebedingten CO2-Emissionen

Dies hat zur Folge, dass auch die CO2-Emissionen aus Energieanwendungen stark zurückgegangen sind. Gemäss CO2-Statistik des Bundesamtes für Umwelt (BAFU, siehe hier) sind die energiebedingten CO2-Emissionen im gleichen Zeitraum um 29 Prozent gesunken. Dabei sind die Emissionen aus Brennstoffen, für die seit 2008 eine CO2-Abgabe erhoben wird, besonders stark zurückgegangen: in den elf Jahren von 2013 bis 2023 um insgesamt 8,43 Millionen Tonnen CO2, was einem Rückgang um 40 Prozent entspricht.

CO2-Abgabe auf Brennstoffen zeigt Wirkung

Die CO2-Abgabe auf Brennstoffen zeigt also offensichtlich Wirkung, denn bei den Treibstoffen für den Verkehr, wo es keine Abgaben gibt, konnten die CO2-Emissionen nur um 2,61 Millionen Tonnen vermindert werden. Das ist ein Minus von 15 Prozent.

Noch nicht beantwortet ist die Frage, was sich in der gezeigten Grafik beim Endenergieverbrauch unter dem rot eingezeichneten Rest versteckt. Den grössten Teil davon nimmt die Elektrizität ein, neben Anteilen der Holzenergie, der Energie aus Fernwärme und Industrieabfällen sowie den Übrigen erneuerbaren Energien. Die nächste Grafik zeigt, wie gross die Anteile der einzelnen Energieträger beim Endverbrauch der Schweiz im Jahr 2023 gewesen sind:

Endverbrauch 2023 träger
Quelle: BFE, Martin Schlumpf

Der hier gezeigte aktuelle Stand des Schweizer Energieverbrauchs im Jahr 2023 lässt sich so zusammenfassen:

  • Ein Drittel (35 Prozent) machen die Treibstoffe für den Verkehr aus,
  • Ein Viertel (26 Prozent) beansprucht der Strom,
  • Drei Fünftel (59 Prozent) sind fossil,
  • Der Rest (15 Prozent) kommt aus Holz, Fernwärme, Industrieabfälle und Übrige Erneuerbare.

Nun schauen wir uns genauer an, wie sich das Stromsystem der Schweiz über das letzte Jahrzehnt entwickelt hat. Die nächste Grafik zeigt die Stromerzeugung seit 2013 zusammen mit dem Stromverbrauch (siehe hier):

Stromsystem ch
Quelle: BFE, Martin Schlumpf

Keine Zunahme beim Stromverbrauch

Die Zahlen in der Grafik sind in Tausend Gigawattstunden angegeben, das entspricht der Einheit Terawattstunde (TWh). Die gezeigte Entwicklung beim Strom- oder Landesverbrauch (dicke schwarze Linie) überrascht: Trotz bereits einsetzender Elektrifizierung haben wir seit 2013 nicht mehr Strom verbraucht. Insgesamt ist der Verbrauch sogar von 63,8 auf 60,3 TWh leicht gesunken.

Diese erstaunliche Entwicklung bei einer wachsenden Bevölkerung ist vor allem einer erfolgreichen Effizienzsteigerung bei vielen Anwendungen, die Strom brauchen, geschuldet: LED-Leuchten brauchen weniger Strom, viele wichtige Industrieprozesse wurden optimiert, der Stromverbrauch von Alltagsgeräten konnte gesenkt werden, et cetera. Zudem haben viele verarbeitende Industriebetriebe dicht gemacht oder sind ins Ausland abgewandert.

Fossilfreie Stromerzeugung aus Wasser und Atom

Bei der Stromerzeugung (dargestellt als jährliche Balken) gehört die Schweiz zu den ganz wenigen Ländern, die ihren Strom fossilfrei produzieren. Dies ist möglich, weil wir als Alpenland den Strom primär aus der Wasserkraft gewinnen: Mit Lauf- oder Flusskraftwerken (hellblau) sowie mit Speicherkraftwerken (dunkelblau), also der Bewirtschaftung der zahlreichen Speicherseen in den Alpen. Dazu kommt als zweiter wichtiger Partner die Stromproduktion aus den Kernkraftwerken (grau).

Gut sechs Prozent aus Photovoltaik-Anlagen

Darüber hinaus bleibt nur noch ein kleiner Rest. Der wichtigste Teil daraus, die Solarenergie (PV, gelb) habe ich separat dargestellt: Sie ist in den elf Jahren seit 2013 von 0,5 auf 4,6 TWh um gut das Neunfache angestiegen (plus 825 Prozent). Somit trägt der PV-Strom im Jahr 2023 6,4 Prozent zur Landeserzeugung bei.

Im Mittel brauchen wir 62 TWh Strom

Um später auf diese Elektrizitätsstatistik als Referenz zurückgreifen zu können, gebe ich noch für die wichtigen Energieträger die gerundeten Mittelwerte aus den dargestellten elf Jahren an – ergänzt in Klammern durch die Differenz zwischen Minimum und Maximum aller Werte:

  • Landesverbrauch 62 TWh (4 TWh)
  • Landeserzeugung 67 TWh (11 TWh)
  • Erzeugung aus Wasserkraft 39 TWh (7 TWh)
  • Erzeugung aus Kernkraft 23 TWh (8 TWh)

Wenn die in Klammer angegebene Differenz relativ klein ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Mittelwert eintreten wird, grösser, als wenn das Minimum vom Maximum weit auseinander liegt. Mit der weitaus kleinsten Differenz ist der Wert für den Stromverbrauch deshalb am aussagekräftigsten.

Mittelwerte sind auch problematisch

Die Problematik der Mittelwerte zeigt sich gut beim Vergleich zwischen Verbrauch und Erzeugung: Nach den Durchschnittszahlen wäre für die Schweiz ein Exportüberschuss von fünf TWh pro Jahr zu erwarten. Wie die Grafik zeigt, gab es in den Jahren 2016 und 2017 aber jeweils sogar kleine Importüberschüsse.

Trotzdem stellen diese Mittelwerte die besten verfügbaren Bezugsgrössen dar für Mengenabschätzungen zukünftiger Emergiestrategien – in diesem Sinne werde ich sie verwenden.

Fazit: Im Gegensatz zur globalen Energieentwicklung ist es der Schweiz gelungen, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen deutlich zu senken sowie den Stromverbrauch zu stabilisieren. Auch mit einem fossilen Anteil von knapp 60 statt über 80 Prozent am Energieverbrauch stehen wir viel besser da als die ganze Welt.

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«Unausgegorene Energiewende»
Mit der Annahme des Stromgesetzes hat die Schweiz letztes Jahr die Weichen für die Energiestrategie neu gestellt: Künftig soll ein grosser Teil der Elektrizität von Wind und Sonne kommen. Doch was bedeutet dieser Wechsel für die Stabilität des Stromsystems? Können wir künftig ohne neue Grosskraftwerke auskommen? Und schützen wir damit wirklich das Klima?  In einer Serie beleuchtet Kolumnist Martin Schlumpf die Probleme und Grenzen  der «Energiestrategie 2050» und zeigt, welche Lösungen es gäbe.

Bisher erschienen:
Energieverbrauch der Welt: Ökologische Wende lässt auf sich warten (siehe hier)

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