Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 147“ im Online-Nebelspalter vom 28. April 2025 zu lesen, er bildet Teil 1 meiner neuen Serie «Unausgegorene Energiewende».
Ohne Zugang zu Energie können wir Armut nicht bekämpfen, gesundheitsschädliches Kochen auf offenen Feuerstellen nicht eindämmen und Bildungschancen nicht optimieren. Der einzigartige Fortschritt, den wir bei der Verbesserung unserer Lebensbedingungen in den letzten 200 Jahren an vielen Orten gemacht haben, wäre ohne Bereitstellung immer grösserer Mengen an Energie nicht möglich gewesen. Bis heute steigt der Energieverbrauch der Welt weiter an – der weitaus grösste Teil daraus stammt aus fossilen Quellen.
Was wichtig ist:
– Der globale Energieverbrauch ist im letzten Jahrzehnt um 15 Prozent gestiegen – vor allem wegen Asien.
– Noch immer kommt die Energie zu gut 80 Prozent aus fossilen Quellen – 2023 erreichten sie in absoluten Zahlen ein Allzeithoch.
– Der Stromverbrauch der Welt ist im letzten Jahrzehnt um 28 Prozent gestiegen – der Anteil der neuen Erneuerbaren daran beträgt 16 Prozent.
Viele Kommentatoren nehmen den wachsenden Energieverbrauch aber nicht als Quelle unserer Wohlstandsfortschritte wahr, sondern sehen in ihm eine Gefahr, weil die steigenden CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energien die Klimaerwärmung antreiben. Als Gegenmittel propagieren sie eine zunehmende Elektrifizierung auf der Basis erneuerbarer Energien.
Energieverbrauch – CO2-Emissionen – Stromerzeugung
Um für Diskussionen zu den Energiesystemen gewappnet zu sein, braucht man Informationen über den aktuellen Stand und die Entwicklung des Primärenergieverbrauchs, der CO2-Emissionen und der Stromerzeugung. Ich stelle hier die entsprechenden Daten aus einer globalen Sicht zusammen. Spezielles Augenmerk lege ich dabei auf den jeweiligen Anteil der fossilen Energien. Dabei verwende ich Zahlen aus der neuesten statistischen Übersicht der Weltenergie des Energy Institutes (siehe hier).
Diese «Statistical Review of World Energy 2024» beschreibt vor allem, wie sich die gesamte Energiesituation der Welt 2023 (dem Jahr mit den neuesten Daten) gegenüber dem Vorjahr verändert hat. Zudem enthält sie Entwicklungsreihen über den Zeitraum von 2013 bis 2023. Die erste Grafik zeigt für diese Zeitspanne die Entwicklung des Primärenergieverbrauchs der Welt unter spezieller Berücksichtigung des Anteils «Asien Pazifik»:

Der wachsende Energieverbrauch wird hauptsächlich durch Asien bestimmt
Aus der Grafik lassen sich zwei Erkenntnisse ableiten: Erstens ist der Gesamtenergieverbrauch der Welt in den letzten elf Jahren von 538 auf 620 Exajoule (EJ) gestiegen. Das entspricht einer Zunahme um 15 Prozent oder einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 1,4 Prozent. Mit Ausnahme des markanten Coronaeinbruchs von 2020 ist diese Verbrauchssteigerung kontinuierlich erfolgt.
Jährliche Wachstumsrate in China liegt bei 3,4 Prozent
Zweitens zeigt sich, dass das globale Wachstum zum weitaus grössten Teil in Asien stattgefunden hat. Der in der Grafik rot markierte Anteil der Ländergruppe «Asia Pacific» ist in diesem Zeitraum von 220 auf 292 EJ gewachsen, das sind 33 Prozent mehr. Das durchschnittliche jährliche Wachstum betrug dort 2,9 Prozent – in China lag es bei 3,4 Prozent, in Indien sogar bei 4,2 Prozent. Zudem ist bemerkenswert, dass die Corona-Pandemie 2020 in Asien nur zu einem Stillstand aber keinem Einbruch geführt hat.
Nur Europa spart Energie
Nur in einer Weltregion nimmt der Energieverbrauch nicht zu: Europa, das 13 Prozent der Weltenergie beansprucht, hat zwischen 2013 und 2023 seinen Verbrauch um neun Prozent von 86 auf 78 EJ senken können. Die grünen Bemühungen tragen also schon Früchte, aber die bei uns eingesparten 8 EJ sind vom neunmal grösseren asiatischen Mehrverbrauch mehr als aufgefressen worden.
Wie steht es nun mit dem Anteil, den die fossilen Energieträger Öl, Erdgas und Kohle an diesem globalen Energiewachstum hatten? Die nächste Grafik zeigt den jährlichen Verbrauch dieser drei Energieträger im gleichen Zeitraum 2013 bis 2023:

2023 brachte ein fossiles Allzeithoch
Die Grafik zeigt, dass alle drei fossilen Energieträger bis 2019 gewachsen sind. Im Folgejahr erfolgte mit Corona ein markanter Rückgang bei Öl und Kohle. Danach stiegen alle drei weiter an und führten 2023 zu einem fossilen Allzeithoch von total 505 EJ (2019 waren es 500 EJ). Die Entwicklung der drei Träger unterscheidet sich aber: Während der Verbrauch an Kohle, der umweltschädlichsten Energieform, mehr oder weniger stagniert, steigt dieser bei Öl und Erdgas weiter an.
Noch immer ist der Anteil der Fossilen über 80 Prozent
Rechnet man diese absoluten Zahlen in Anteile am Gesamtenergieverbrauch um, so ergibt sich, dass der Anteil der fossilen Energien am Primärenergieverbrauch von 86 Prozent im Jahr 2013 auf 81,5 Prozent im Jahr 2023 gesunken ist: Die Welt ist heute also noch immer zu mehr als vier Fünfteln von fossiler Energie abhängig. Verfolgt man die Entwicklung dieses Anteils der Fossilen weiter zurück, so zeigt sich, dass nach einem langjährigen Stillstand von 1992 bis 2012 bei etwa 87 Prozent genau im Jahr 2013 eine langsame kontinuierliche Abwärtsentwicklung eingesetzt hat. Projiziert man das Tempo dieser Abnahme in die Zukunft, würden wir das Ziel «Netto-Null-Emissionen» in 150 Jahren erreichen.
Diese Zahlen belegen eindrücklich, wie stark wir nach wie vor von fossiler Energie abhängig sind: Unsere Nahrungsproduktion, der Verkehr, viele wichtige Industrieprozesse, die Medizin, wichtige Infrastrukturbauten, der Städtebau und sogar die Herstellung von Anlagen für erneuerbare Energien sind immer noch stark auf fossile Energie angewiesen – man denke zum Beispiel an den Bau von Windkraftanlagen.
Auch CO2-Emissionen sind auf Allzeithoch
Die Bemühungen einzelner Länder, die Auswirkungen ihrer Energieversorgung auf das Klima zu vermindern, haben immerhin im kleinen Massstab Erfolg gehabt. Denn die mit dem Energiekonsum verbundenen CO2-Emissionen sind zwischen 2013 und 2023 nur um sieben Prozent gewachsen – im Vergleich zum Energieverbrauch, der 15 Prozent zugelegt hat. Es ist uns also gelungen, die schädlichen Klimaauswirkungen des zusätzlichen Energieverbrauchs auf die Hälfte zu reduzieren. Weil der Energieverbrauch aber immer noch gestiegen ist, haben sich auch die CO2-Emissionen weiter erhöht und haben 2023 ein Allzeithoch von 35’130 Millionen Tonnen erreicht.
Bleibt noch der Blick auf die Elektrizitätsstatistik. Die nächste Grafik zeigt, wie viel die einzelnen Energieträger zur Stromerzeugung der Welt im Jahr 2023 beigetragen haben:

60 Prozent der Stromproduktion sind fossil
Die Zahlen geben die Produktion in Terawattstunden (TWh) im Jahr 2023 an. Auch bei der globalen Stromerzeugung dominieren die Fossilen mit einem Anteil von 60 Prozent – allein die Verbrennung von Kohle macht 35 Prozent aus. Die erneuerbaren Energien inklusive Wasserkraft tragen 31 Prozent bei, der Rest von neun Prozent kommt aus den Kernkraftwerken. Von den neuen Erneuerbaren (Renewables), deren Anteil 16 Prozent der Stromerzeugung ausmacht, liefern die Windräder acht Prozent und die PV-Anlagen fünf Prozent.
Stromverbrauch wächst doppelt so rasch wie Energieverbrauch
Bei der Entwicklung seit 2013 zeigt die Stromproduktion wegen der Elektrifizierung, die in manchen Ländern forciert wird, einen stärkeren Zuwachs als die Gesamtenergie: Verglichen mit dem Anstieg der Primärenergie um 15 Prozent hat die weltweite Stromerzeugung bis 2023 um 28 Prozent zugelegt – von 23’469 auf 29’925 Terawattstunden.
Fazit: 2023 zeigt ein Allzeithoch bei Primärenergie, fossiler Energie, Elektrizität und CO2-Emissionen: Von einer Energiewende ist nichts zu sehen.
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«Unausgegorene Energiewende»
Mit der Annahme des Stromgesetzes hat die Schweiz letztes Jahr die Weichen für die Energiestrategie neu gestellt: Künftig soll ein grosser Teil der Elektrizität von Wind und Sonne kommen. Doch was bedeutet dieser Wechsel für die Stabilität des Stromsystems? Können wir künftig ohne neue Grosskraftwerke auskommen? Und schützen wir damit wirklich das Klima? In einer Serie beleuchtet Nebelspalter-Kolumnist Martin Schlumpf die Probleme und Grenzen der «Energiestrategie 2050» und zeigt, welche Lösungen es gäbe.
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