Energie Klima Politik

Das Fotovoltaik-Märchen

Überbrücken der Winterstrom-Lücke mit Fotovoltaik – tönt gut, ist aber ein Märchen, das sich neuerdings in der NZZ verbreiten lässt

Original in Weltwoche daily vom 3. November 2022

Vor kurzem war in der NZZ zum Thema Ausbau der Solarenergie zu lesen: «Eine Stromlücke ist vermeidbar. Dies, weil der zusätzliche Solarstrom in Kombination mit den Speicherseen der Wasserkraft zu einer sicheren Versorgung im Winter beiträgt.»

NZZ-Redaktor David Vonplon zitiert eine Studie von Thomas Nordmann und Jörg Hofstetter, die das verspricht.

Welcher Zauber ist hier im Spiel, dass die Fotovoltaik-Anlagen, die für die Winterlücke mitverantwortlich sind, zur Rettung werden?

Der Trick, den die Studienautoren anwenden, ist simpel. Sie unterstellen, dass mit jeder Kilowattstunde aus neugebauten Solaranlagen das Strompotenzial unserer Speicherseen «geschont» werden kann: die Wasser-Speicherbatterie wird dank Fotovoltaik-Strom im Winter länger halten.

Das ist aber reine Theorie. Denn die Speicherwerke entscheiden selbständig am Markt, wann sie ihr Speicherwasser verstromen. Und wie schwierig und teuer es ist, auch nur eine minimale Regulierung zu erreichen, hat gerade die Ausschreibung der Elcom für eine Winterreserve gezeigt: Lediglich 0,4 Terawatt-Stunden konnten so gesichert werden – zum horrenden Preis von 72 Rappen pro Kilowattstunde.

Die Annahme der Studie, dass mit dem mageren, flatterhaften Solarstrom-Ertrag im Winter die Füllstände unserer Speicherseen direkt beeinflusst werden können, ist wirklichkeitsfremd. Solarenergie bleibt wegen ihrer Winterschwäche die denkbar schlechteste Ergänzung zur Wasserkraft.

Ganz im Gegensatz zu dem, was der Titel der Studie verspricht: «Dreamteam Wasserkraft und Solarstrom für die zukünftige Energiewende.»

Vielleicht haben die Studienautoren selber gemerkt, wie wackelig ihre These ist: Seit kurzem ist ihre Arbeit unter Swissolar nicht mehr abrufbar. Im Netz bleibt der NZZ-Artikel, der die Propaganda aufgenommen hat.

15 Kommentare zu “Das Fotovoltaik-Märchen

  1. Guntram Rehsche

    Wagen wir mal einen Blick über die Grenzen, öffnen uns den Entwicklungen weltweit! Was will uns die folgende Meldung wohl sagen? «Stromerzeugung aus Photovoltaik wird sich verdreifachen! Internationale Energieagentur hat Jahresbericht zum Erneuerbare-Energien-Sektor veröffentlicht. Bei der PV wird eine Ver3fachung auf 2850 Terawattstunden erwartet! (Quelle: https://www.pv-magazine.de/2022/12/07/iea-erwartet-bis-2027-verdreifachung-der-stromerzeugung-aus-photovoltaik/)

  2. Torsten Gürges

    Ja, bei 370 TWh hätten wir keine Probleme. Aber es geht natürlich, wie weiter unten im Post auch dargestellt, um 370 GWh.
    Schon bedenklich, dass man das nur mit einem derartigen Unsicherheitsfaktor zu wissen scheint…
    Im Zweifelsfall würde ich dann eher von der niedrigen Zahl des Schweizer Wasserwirschaftverbandes ausgehen… Es bringt ja nichts mit Energie zu rechnen, die in der Realität (evtl.?) dann gar nicht zur Verfügung stehen…

    • Jörg Hofstetter

      Vielleicht noch dies: Diese Zahl hat keinen Einfluss auf unsere Modellrechnung. Ich habe sie bloss erwähnt um zu zeigen, dass die Kapazität der Pumspeichet zu klein ist für grosse, langfristige Speicherung. Genau deswegen haben wir in unserem Modell gezeigt, wie man die Stauseen (mit natürlichem Wasserzufluss) dazu verwenden kann 😉

  3. René Weiersmüller

    Die Annahme der Studie, dass mit dem mageren, flatterhaften Solarstrom-Ertrag im Winter die Füllstände unserer Speicherseen direkt beeinflusst werden können, ist wirklichkeitsfremd. Das ist auch meine Meinung:

    Horizontal ausgerichtete PV-Panels erzeugen im Mittelland in den Monaten November bis Februar durchschnittlich gut 10 Prozent des Jahresertrages, in den Monaten April bis August rund 6mal mehr. Im Sommer exportiert die Schweiz grosse Mengen an Strom. Jede im Sommer zusätzliche erzeugte kWh Solarstrom vergrössert folglich den Stromexport, meist zu gedrückten Preisen. Das kann anhand der im Internet zugänglichen Grafiken von der Agora Energiewende sehr gut nachverfolgt werden, Wenn der tägliche Solarstrompeak kommt, bricht der Strompreis ein. Kommt dann noch Windstrom dazu, kann der Strompreis gar negativ werden.

    Die Speicherbewirtschaftung ist so ausgelegt, dass die Speicher im Herbst/Vorwinter auch ohne PV-Strom voll sind. Kommt nun noch vor allem im Sommer PV-Strom dazu, sind die Speicher einfach etwas früher voll. Für die Wintermonate ist das ziemlich belanglos.

    • Jörg Hofstetter

      >>>Die Annahme der Studie, dass mit dem mageren, flatterhaften Solarstrom-Ertrag im Winter die Füllstände unserer Speicherseen direkt beeinflusst werden können, ist wirklichkeitsfremd.

      Wenn Sie die Studie lesen werden Sie feststellen, dass es sich dabei nicht um eine Annahme handelt, sondern dem Resuktat einer Modell-Berechnung. Die Annahme ist, dass uns in 2-3 Jahren zusätzliche 3 GW PV zur Verfügung stehen, welche wir zur Entlastung der Speicherseen im Winter/Frühjahr einsetzen. Dabei spielt es keine Rolle wenn diese Stromproduktion „wechselhaft“ ist. Der Clou an der Geschichte ist ja gerade die Speicherseen für die Glättung einzusetzen!Übrigens auch das BfE teilt diese Ansicht, wie im Bericht zitiert.

  4. Korrektur zur Aussage: „Vielleicht haben die Studienautoren selber gemerkt, wie wackelig ihre These ist: Seit kurzem ist ihre Arbeit unter Swissolar nicht mehr abrufbar.“ Was Herr Schlumpf hier suggeriert ist falsch. Einerseits ist die Studie nicht von Swissolar, andererseits war sie nie auf unserer Website aufgeschaltet. Wir haben darüber auf unseren Social Media Kanälen berichtet, diese Posts sind nach wie vor abrufbar. Wir bitten Sie deshalb, diese Falschinformation richtigzustellen. Zum restlichen Inhalt des Blogbeitrags verweisen wir auf die Kommentare der Autoren Thomas Nordmann und Jörg Hofstetter.

    • Martin Schlumpf

      Ich bin ursprünglich via Swissolar-Webseite zur Studie gekommen (im Detail habe ich mir nicht eingeprägt auf welchem Weg).
      Nachdem ich meinen Beitrag darüber abgeschlossen hatte, wollte ich nochmals nachprüfen, über welchen Link man zur Studie kommt. Eine entsprechende Suche bei swissolar war aber erfolglos (wie auch jetzt immer noch).
      Dies habe ich in meinem Beitrag so festgehalten

  5. Die Zahlen:
    Der PV-Beitrag 2021/22 1.3 TWh (gratis), die Strategische Bundesreserve ‚ 0.4 TWh. (ca. 300 Mio. CHF nur für die Reservierung nicht die Energie!)

    Nettostromexporte
    Natürlich wird es ein Problem, wenn die Kantonalen/Öffentlichen EWˋs Ihre Stauseen einseitig zur Gewinnmaximierung im „day-ahead“ Geschäft mit dem Export nach Italien nutzen und so eine Strommangellage in Kauf nehmen würden.
    Ich hinterfrage ausdrücklich nicht das Termingeschäft von Bandenergie für 3 – 12 Monate und nicht den Strom-Transfer F > D > CH > Italien

    Weil die Versorgungssicherheit ein wichtiges öffentliches Gut ist, bezahlen ja – neben anderen Privilegien – die meisten EWˋs auch keine Steuern (EKZ/EWZ usw.) Da werden die Aktionäre ihre Vorgaben an die eigenen Gesellschaften präzisieren müssen.

    • Martin Schlumpf

      Der von ihnen angenommene zusätzliche PV-Beitrag von 1,3 TWh erscheint mir als deutlich zu hoch: 2021 wurden total 2,84 TWh solar erzeugt, im Durchschnitt umgerechnet auf 4 Monate (für die sie die 1,3 TWh annehmen) ergibt das 0,95 TWh, und zusätzlich müsste man noch etwas abziehen, weil es sich mit Januar und Februar um zwei der sonnenärmsten Monate handelt. So liegen sie mehr als 40% zu hoch mit ihrer Annahme.
      Zusaätzlich rechnen sie generell in der Studie mit Monatswerten – das ist wegen der sehr volatilen Solarerzeugung relativ wertlos.
      Sie haben natürlich recht wegen dem Problem der Kompetenz für die Speichersee-bewirtschaftung. Aber die gerade abgeschlossene Ausschreibung für 0,6 TWh Winterreserve der ElCom hat gezeigt, dass nur für 0,4 TWh wirtschaftlich vernünftige Lösungen gefunden werden konnten. Von daher ist es unrealistisch, anzunehmen, die Verstromung aus Speicherseen könne allein nach dem übergeordneten Zweck der Versorgungssicherheit gesteuert werden – was ihre Studie annimmt.

      • Jörg Hofstetter

        >>>die Verstromung aus Speicherseen könne allein nach dem übergeordneten Zweck der Versorgungssicherheit gesteuert werden.
        Dies ist in unserer Modellrechnung keineswegs der Fall! Im Modell wird davon ausgegangen, dass in den nächsten 2-3 Jahren zusätzliche 3 GW PV installiert werden und diese Energie zur Entlastung der Speicherseen eingesetzt wird. Damit kann keine Rede davon sein, dass die Verstromung NUR dem Zweck der Versorgungssicherheit dient.
        Selbstverständlich wurden für die PV Produktionszahlen die jahreszeitlichen Unterschiede berücksichtig, die entsprechenden Quellen sind im Bericht angegeben.

  6. Die Studie lässt sich an verschiedenen Orten finden, z.B. hier:
    https://co2nettonull.com/dreamteam-wasserkraft-und-solarstrom-fuer-die-zukuenftige-energiewende/
    Ich denke wir konnten schlüssig zeigen, dass durch eine geschickte Kombination der Speicherseen mit einem PV Ausbau eine Stromlücke in den nächsten Jahren verhindern lässt.
    Wie sie richtig sagen, liegt das Problem bei der Politik/den Stromproduzenren. Hier braucht es ein Umdenken. Die Stromproduzenten müssen einen Auftrag erhalten eine Mangellage zu verhindern. (In unserem gerechneten Modell lassen wir das bestehende System unverändert. Der in den nächsten Jahren anfallende zusätzlich PV Strom muss aber gezielt zu einer Entlastung der Speicherseen verwendet werden.)

    • Torsten Gürges

      Sehr geehrter Herr Hofstetter,

      sie haben mit einem Recht: Eine Mangellage, gar „Brownouts“ oder im schlimmsten Fall „Blackouts“ müssen verhindert werden. Diesbezüglich volle Zustimmung!
      Allerdings dürfen dabei die Kosten nicht aus den Augen verloren werden. Betrachten Sie die Strompreise (auch) für die mittelständische Industrie in Deutschland als abschreckendes Beispiel, was im schlimmsten Fall passieren kann wenn PV (und/oder Wind) Vorrang vor allem anderen erhält.
      Zum Zweiten: Die wahre Herausforderung würde darin liegen, langfristig auch die Kernkraftwerke durch PV/Wind zu ersetzen. Das ist – auch bei dem geplanten Ausbau der Speicherseen – eine ganz andere „Herausforderung“.
      Drittens eine Frage: Sie schreiben in Ihrer Studie von einer PUMPspeicherkapazität von 0,37 TWh = 370 GWh. Laut Schätzungen des Schweizer Wasserwirtschaftsverbandes liegt diese aber nur bei ca. 240 GWh (Nant de Drance bereits inkl.). In der von Ihnen angegeben Quelle finde ich diese 370 GWh ebenfalls nicht.

      • Jörg Hofstetter

        Pumpspeicherkapazität: Siehe dazu meine Quelle [1], wobei dort leider mehrere Studien gesammelt vorliegen, man muss die richtige rauspicken. Hier ein direkter Link: http://speicher.aeesuisse.ch/wp-content/uploads/sites/15/2021/09/FESS_Fokusstudie_Saisonale_Flexibilisierung.pdf
        Siehe dort Tabelle 1.
        (ev. spielt eine Rolle, wie man die ca. 20% Verlust bei der Produktion einrechnet und ob man Jahr oder hydrologisches Jahr, und welches, man verwendet….

        Herausforderung KKW: Da haben Sie völlig recht. Wir möchten in einem nächsten Schritt unser Modell bis 2032 (2 AKW’s abgeschaltet) ausdehnen. Ist auch so im Bericht erwähnt.

        Kosten/Strompreise: Sicher wichtig. Problem ist, dass diese nicht direkt korrelieren. PV inkl. Speicher ist grundsätzlich eine der günstigsten Produktionsmethoden. Aber die Preisbildung ist halt komplexer…

        Vielen Dank für Ihre Anregungen und Hinweise!
        (da ich nicht immer alle meine Kommentare dauernd verfolgen kann: wenn noch was ist, auf co2nettonull.com finden Sie meine Koordinaten)

        • Torsten Gürges

          Da besteht jetzt tatsächlich ein Problem. Der Schweizer Wasserwirtschaftsverband behauptet 240 GWh für die Kapazität der Pumpspeicher, die von Ihnen verlinkte Quelle aber 370 TWh. Das ist „mal eben“ eine Differenz von über 50%…
          Eine Angabe, wo die 370 GWh herkommen, steht bei der Tabelle in ihrem Link leider nicht dabei.
          Diese Angabe ist nämlich nicht (einfach) zu finden. Das BFE nennt immer nur die max. LEISTUNGEN der Anlagen und ihre „durchschnittliche jährliche Produktionserwartung (ohne Umwälzbetrieb)“, was bei einem Pumpspeicher wenig Erkenntnis bringt, wenn zwischendurch „x mal“ Wasser hochgepumpt wurde und wieder heruntergeflossen ist. Dabei liegt man dann bei über 1500 GWh im Jahr. Das ist aber nicht die interessierende Kapazität.

          • Jörg Hofstetter

            Die von Ihnen genannten 370 TWh wären natürlich sensationell, aber sicher ein nur Schreibfehler 😉
            Es ist aus meiner Sicht generell schwierig belastbare Zahlen in diesem Bereich zu erhalten. Ich denke es liegt auch daran, dass die Trennung zwischen Pumpspeicher- und „normalem“ Speicherkraftwerk nicht immer ganz eindeutig ist.
            Mich interessiert eigentlich auch die „Speicherkapazität durch hochgepumptes Wasser“.
            Gemäss meinen Informationen hängt diese hauptsächlich von den unteren Becken ab, in denen Wasser gelagert wird um es dann hochzupumpen….
            Aus dem obigen Link: „Das nutzbare Speichervolumen der Pumpspeicherkraftwerke für den zyklischen Pump- und Turbinenbetrieb ist abhängig von den Reservoirs unter- und oberhalb der Pumpen und Turbinen, wobei das kleinere der beiden Reservoire die Speicherkapazität limitiert. Gesicherte Angaben zu diesem nutzbaren Speichervolumen sind in der Literatur nicht verfügbar. Schätzungen gehen jedoch von bis zu 370 bis 400 GWh [26], [27] aus“.
            Sicher kann man sagen: die Speicherkapazität von Pumpspeichern ist relativ gering im Verhältnis zum Speicherinhalt der Speicherseen.

Schreibe einen Kommentar zu Torsten Gürges Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert