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Die hoffnungsvolle Geschichte der Technologie

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 135“ im Online-Nebelspalter vom 23. Dezember 2024 zu lesen.

Dies ist meine Weihnachts-Kolumne 2024: Vielleicht kann sie Hoffnung machen in einer Welt, in der Corona, Ukraine-Krieg, Hamas-Terror, Energieknappheit und Migration viele Menschen verunsichern. Wenn wir weit in unsere Vergangenheit zurückblicken, sehen wir Gruppen von sozial agierenden Menschen, die seit Urzeiten Werkzeuge benutzen, und die nach und nach in ihren Gehirnen immer bessere Lösungen für das Überleben und Gedeihen auf dieser Erde ausdenken: Vom Faustkeil bis zum Smartphone breitet sich eine faszinierende und erfolgreiche Geschichte der Technologie vor uns aus, die in den letzten 200 Jahren gewaltig an Tempo zugelegt hat.

Was wichtig ist:

– Vor etwa einer Million Jahren lernten die Menschen, das Feuer zu beherrschen und damit zu kochen. Vor 12’000 Jahren wurden sie zu sesshaften Bauern.
– Vor 9000 Jahren begannen sie zu schreiben, vor 500 Jahren erfanden sie den Buchdruck, vor 30 Jahren das Internet.
– Seit der Verbreitung der Dampfmaschine vor gut 200 Jahren ist die Zahl der technologischen Innovationen in beispielloser Weise explodiert.

Was aber ist mit Technologie gemeint? Ich verstehe darunter «angewandtes technisches Wissen», oder «Anleitungen für praktische Lösungen von Problemen». Nehmen wir als Beispiel die Geschichte des Problems «Dunkelheit bekämpfen»: Neben Sonne und Mond gelang es den Menschen vor etwa einer Million Jahren, das Feuer als Lichtquelle einzusetzen. Dann kamen Öllampen, Kerzen, Laternen und Gaslampen dazu, bis schliesslich im späten 19. Jahrhundert das elektrische Licht erfunden wurde, dessen Geschichte wiederum von Glühbirnen über Neon- und Halogenlampen zu den LEDs von heute führt.

Urmenschen waren der Unbill der Natur schutzlos ausgeliefert

Diese Geschichte enthält alle wichtigen Merkmale der Technologieentwicklung: Ausgehend von einem totalen «der Natur ausgesetzt Sein» erfinden frühe Menschen erste Hilfsmittel, die ihnen erlauben, selbständiger auf gegebene Naturbedingungen zu reagieren. Während Zigtausenden von Generationen verändern  sich die Lebensbedingungen aber kaum. Erst mit dem Bronzezeitalter vor 5000 Jahren gibt es technologische Veränderungen in etwas kürzeren Abständen.

Beispiellose Beschleunigung technologischer Innovationen ab 1800

Aber erst mit der wissenschaftlichen Revolution seit dem 16. Jahrhundert wird der Boden bereitet für eine beispiellose Beschleunigung der technologischen Erfindungen, die um 1800 mit der Industriellen Revolution beginnt und bis heute mit zunehmender Geschwindigkeit anhält. Die wissenschaftliche Revolution bringt den notwendigen Übergang von religiös geprägten Weltanschauungen zu empirischem Denken, das auf Beobachtung und Experiment beruht.

Zum Glück hat der deutsche Ökonom und Datenwissenschaftler Max Roser (siehe hier) diese gesamte Technologiegeschichte der Menschheit in einer eindrücklichen Grafik dargestellt. Man findet sie auf der interaktiven Datenplattform «Our World in Data» im Beitrag «Technologie im Langzeitüberblick», den Roser 2023 geschrieben hat (siehe hier).

Longterm Timeline Of Technology 2456
Quelle: Our World in Data

Verwendung von Werkzeugen seit über drei Millionen Jahren

Die Grafik zeigt unten mit einer dunkelroten Linie die 3,4 Millionen Jahre dauernde technologische Vergangenheit der Menschheit seit der Verwendung des ersten Werkzeugs bis heute. Daran anschliessend folgt mit einer grünen Linie die sich ins Unbekannte schlängelnde Zukunft. Über der Schnittstelle der beiden Zeitlinien ist die Gegenwart hellrot als Lebensspanne eines heute jungen Erwachsenen dargestellt.

Um die gewaltigen Zeiträume unserer Technologievergangenheit einigermassen fassbar darzustellen, verwendet die Grafik drei verschiedene Zeitmassstäbe für drei Zeitabschnitte (rechts definiert): Im ersten Abschnitt verläuft die Entwicklung in 200’000-Jahres-Ringen bis zur Landwirtschaftlichen Revolution, die 10’000 vor Christus stattgefunden hat. Dann geht es im zweiten Abschnitt in 1000-Jahres-Schlaufen weiter bis zur Industriellen Revolution ab 1800. Ab dort wird die Zeitlinie nochmals massiv gedehnt, um für die wichtigsten neuen Technologien des dritten Abschnitts Platz zu schaffen.

Um fünf Sekunden vor zwölf Uhr tritt die Industrielle Revolution auf

Am besten kann man sich die Dimensionen dieser drei Abschnitte vorstellen, wenn man annimmt, dass die 3,4 Millionen Jahre unserer Technologievergangenheit einem Tagesablauf von 24 Stunden entsprechen. Dann tritt die Landwirtschaftliche Revolution um fünf Minuten vor zwölf und die Industrielle Revolution um fünf Sekunden vor zwölf Uhr auf.

Vor einer Million Jahren lernten wir Feuer machen

Wie die Grafik zeigt, werden aber bis zum Zeitpunkt unserer Sesshaftigkeit, also während mehr als 99,6 Prozent der Zeit, fast keine neuen Technologien entdeckt: Neben Feuer machen und kochen vor etwa einer Million Jahren, lernten wir mit Pfeil und Bogen umgehen und stellten mit der Flöte das erste Musikinstrument her, das ist alles. Dann, nachdem wir vor 12’000 Jahren von Jägern und Sammlern zu sesshaften Bauern geworden waren, entdeckten wir das Schreiben, erfanden das Rad, begannen Papier zu benutzen und bauten erste Windmühlen – womit wir bereits im Jahr 1000 unserer Zeitrechnung angelangt sind.

Ab 1800 explodiert die Zahl technologischer Erfindungen

In den folgenden 800 Jahren kamen die Glasbehandlung, die Druckerpresse, das Mikroskop, die Dampfmaschine und ganz zuletzt der erste Impfstoff dazu. Dann aber geschieht das Unfassbare: Seit dem Jahr 1800, also nach mehr als 99,99 Prozent der Zeit, explodiert die Zahl der technologischen Innovationen plötzlich. Hier ein Ausschnitt der Erfindungen dieser Zeit in chronologischer Reihenfolge: Dampflokomotive, Fotografie, Telefon, elektrisches Licht, Automobil, Flugzeug, Kunstdünger, Antibiotika, Atombombe, Computer, Mondflug, Internet, Smartphone, CRISPR Genediting.

All diese neuen Technologien – mit Ausnahme der Atombombe, dort aber müsste man die Kerntechnologie nehmen – bringen einen Fortschritt bei einer spezifischen Problemstellung und damit verbesserte Lebensbedingungen. Gleichzeitig führen sie oft aber auch zu neuen Problemen, etwa wegen Umweltverschmutzung, knappen Ressourcen oder Risiken bei der Anwendung, die dann wiederum gelöst werden müssen. Dass bei solchen Prozessen immer wieder auch Enttäuschungen und Rückschläge vorkommen, ist verständlich, denn der Mensch lernt oft erst aus seinen eigenen und den Fehlern anderer.

Die Lebenserwartung hat sich verdoppelt

Ohne Zweifel aber haben sich die Lebensbedingungen seit 1800 aufgrund neuer Technologien massiv verbessert: Das lässt sich allein schon daran ablesen, dass heute achtmal mehr Menschen auf dieser Erde leben als vor gut 200 Jahren. Zudem haben die heute lebenden acht Milliarden Menschen eine doppelt so hohe Lebenserwartung als unsere Vorfahren um 1800. Und sie sind um ein Vielfaches reicher, haben ein besseres Gesundheitssystem und viel mehr Möglichkeiten, ihr Leben individuell zu gestalten.

Dieser ganze Wohlstandsfortschritt ist aber nicht aufgrund eines Masterplans irgendeiner Regierung zustande gekommen, sondern aufgrund von Ideen vieler einzelner Individuen, welche die Möglichkeit hatten, in «freien» Märkten mit vernünftigen staatlichen Regulierungen ihre Projekte zu erproben – also in einem marktwirtschaftlichen System, in dem Leistung honoriert wird.

Privileg, hier und heute leben zu können

Ich bin dankbar, in einer Zeit und einem Land leben zu können, in dem dieser technologische Fortschritt ein Leben in Wohlstand und Freiheit ermöglicht, wie das historisch nie zuvor der Fall war. Ein solches Privileg empfinde ich aber auch als Aufgabe, dazu beizutragen, diesen Wohlstand weiter zu erhalten, vielleicht sogar zu vergrössern – sicher aber noch besser zu verteilen.

Vielleicht habe ich Sie, meine geschätzten Leserinnen und Leser, dazu anregen können, mir dabei zu folgen: Ich wünsche Ihnen und Ihren Liebsten ein frohes Weihnachtsfest!

7 Kommentare zu “Die hoffnungsvolle Geschichte der Technologie

  1. Hans Koller
    Hans Koller

    Super! Ein Publizist und Wissenschaftler, der es „wagt“, auch Gutes zu zeigen! Ganz herzlichen Dank!

  2. Dörig

    es gibt auch die Ostschweizer Geschichte von Neid und Habsucht. Der Anna Koch. Jodel mit der etwas schwermütigen Melodie zeigt auch wie emotional Rückständig wir noch als CH- Volk sind. Wir in unseren Basis- Schulen kaum vermittelt. Besucht einmal ein Lehrer- Zimmer in der sogenannten “Modernen Zeit”. Besinnliche Fest- Tage an alle die..?

  3. Ueli Corrodi
    Ueli Corrodi

    Als vor 12’000 Jahren die Nomaden sesshaft wurden, ging es immer mehr um Besitztum, um Besitz von Land, Liegenschaften und Frauen. Es war auch die „Erfindung“ des Patriarchates, von Machtstrukturen, der sozialen Schichten und von kriegerischer Handlungen. Natürlich, der Krieg als Vater der technologischen Entwicklung. Je besser die Waffen, desto mächtiger die Herrscher – zumeist Männer.

    • Martin Schlumpf
      Martin Schlumpf

      Ja in dieser Zeit spielte es zum ersten Mal eine Rolle, etwas zu besitzen. Warum? Weil die Menschen zuvor von der „Hand in den Mund“ lebten. Sie waren nicht imstande, grösseren Besitz anzuhäufen. In diesem wichtigen Schritt zu vermehrtem Reichtum steckt aber auch ein gewaltiger Motor für Innovation: Wenn ich davon ausgehen kann, dass meine Bemühungen/Forschungen (Produkte) für mich einen Ertrag abwerfen, wenn es also gewürdigt wird, setze ich mich mehr oder sogar voll dafür ein.
      Und für die fantastische Geschicht, die ich beschreibe, ist das eine notwendige Voraussetzung.

  4. Helmut Hostettler
    Helmut Hostettler

    Eine faszinierende Technikgeschichte die uns erfreut. Der Mensch, vor allem Optimisten, lebt nach dem Grundsatz „es ist besser eine Kerze anzuzünden als die Dunkelheit zu verdammen.“
    Danke, Martin; frohe Weihnachten und ein bäumiges Neues Jahr (2025).

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