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Global stehen uns immer mehr Ressourcen zur Verfügung – nicht weniger

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 136“ im Online-Nebelspalter vom 13. Januar 2025 zu lesen.

Im Februar stimmt die Schweiz über die sogenannte Umweltverantwortungsinitiative der Jungen Grünen ab. Kommt sie durch, muss das Land seinen Ressourcenverbrauch innert zehn Jahren auf etwa ein Drittel reduzieren. Hinter der Initiative steht die Vorstellung, dass die Menschen die Erde übernutzen, und die Ressourcen deshalb immer knapper werden.

Es gibt kaum ein anderes Thema, bei dem die vorhandenen Fakten stärker von unserer intuitiven Erwartung abweichen, als bei der Frage nach der Verfügbarkeit der Ressourcen unseres Planeten: Wenn immer mehr Menschen mit immer weiter wachsenden Konsumbedürfnissen die begrenzten Rohstoffe dieser Erde plündern, muss es doch in einer Katastrophe enden. Warum diese Katastrophe aber bis heute trotz gewaltigem Bevölkerungswachstum nicht eingetreten ist, und warum wir im Gegenteil pro Kopf mehr Güter zur Verfügung haben, zeigt das Buch « Superabundance» (2022).

Was wichtig ist:

– 2018 standen den Menschen 3,5-mal mehr elementare Güter zur Verfügung als 1980.
– Besonders starkt ist die Ressourcenfülle in dieser Zeit für Chinesen gewachsen: um das 40-Fache.
– Geht man 170 Jahre zurück, ist in den USA der Ressourcenreichtum sogar um das 44-Fache gestiegen.

Dieser Beitrag beruht auf Analysen und Berechnungen, welche die Autoren von «Superabundance» (siehe hier), Marian L. Tupy und Gale L. Pooley, vorgenommen haben. Das Buch ist bei der wirtschaftsliberalen amerikanischen Denkfabrik Cato Institute (siehe hier) erschienen, die in Washington, D.C. angesiedelt ist. «Superabundance» (zu Deutsch etwa Überfülle oder Superreichtum) untersucht den Zusammenhang von Bevölkerungswachstum und Verfügbarkeit von Ressourcen über längere Zeitperioden bei verschiedenen Gütern und in verschiedenen Ländern.

Die Verfügbarkeit von Ressourcen misst man am besten nicht über Mengen oder Preise…

Im Gegensatz zum Faktor Bevölkerungswachstum ist das Messen der Verfügbarkeit von Ressourcen aber nicht einfach. Üblicherweise macht man das entweder über die bekannten Mengen der Güter oder über deren Preise. Bei beiden Methoden gibt es aber aus verschiedenen Gründen viele Unsicherheiten, die Vergleiche stark erschweren.

…sondern über die Arbeitszeit, die man dafür aufwenden muss

Deshalb führen die Autoren eine neue Methode ein: das Messen der Ressourcenverfügbarkeit über einen sogenannten Zeitpreis (time price). Darunter verstehen sie die Zeit, die eine Person arbeiten muss, um eine bestimme Ressource kaufen zu können. Ein solcher Zeitpreis vereinigt in sich zwei entscheidende Kriterien: Einerseits wird er durch den Preis einer Ware bestimmt, in dem sich die Knappheit oder der Überschuss eines Gutes spiegelt. Andererseits reflektiert er die Kaufkraft pro Kopf in Form des durchschnittlichen Stundenlohns. Es ist also eine auf die durchschnittliche Einzelperson ausgerichtete Betrachtungsweise.

Zeitpreise gelten universell

Weil aber mit dem Stundenlohn der Faktor Zeit eine wichtige Rolle spielt, ist ein solcher Zeitpreis universell gültig: Alle Menschen auf der Welt haben gleich viel Zeit. Deshalb sind Zeitpreise unabhängig von Land und Währung zu beliebigen Zeitpunkten direkt miteinander vergleichbar. Zudem können die Warenpreise nominal eingesetzt werden, also so, wie sie real verwendet werden.

Sinkender Zeitpreis bedeutet mehr Waren pro Stunde Arbeit

Wie wird der Zeitpreis berechnet? Man teilt den nominalen Preis einer Ware durch den durchschnittlichen Stundenlohn. Fiktives Beispiel: Wenn eine Uhr 200 Franken kostet, und der Stundenlohn 50 Franken beträgt, hat diese Uhr einen Zeitpreis von 4 Stunden. Und wenn man 20 Jahre früher für dieselbe Uhr 8 Stunden arbeiten musste, so ist der Zeitpreis dieser Uhr in dieser Zeitspanne um 50 Prozent gesunken. Das wiederum bedeutet, dass man für die gleiche Arbeitszeit nach 20 Jahren doppelt so viele Uhren kaufen kann.

Schauen wir uns das erste Beispiel an, das die Autoren von «Superabundance» analysiert haben: Es geht um die Entwicklung der Zeitpreise eines Warenkorbs von 50 Gütern («The Basic 50»: Nahrungsmittel, Metalle, Energieträger, Rohstoffe) im Zeitraum von 1980 bis 2018 in 42 Ländern, die für insgesamt 85 Prozent des weltweiten Warenhandels verantwortlich sind. Dies bezeichnen die Autoren als globalen Aspekt, weil das alles ist, was sie an langfristigen Daten verschiedener Länder für ihre Untersuchungen finden konnten. Der grösste Teil der verwendeten Zahlen stammt von der Weltbank.

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Quelle: Superabundance

Die Tabelle zeigt die ersten 10 der insgesamt 50 Güter (commodities). Sie sind der Reihe nach von oben nach unten nach ihrer Veränderungsrate der Zeitpreise aufgelistet (Spalte 1, rot). Zuoberst finden wir Uran, dessen Zeitpreis zwischen 1980 und 2018 am stärksten gefallen ist, nämlich um 87 Prozent. In Spalte 2 (blau) wird gezeigt, wie viel Mal mehr jeder einzelne von uns am Ende von dieser Ware für einen Stundenlohn bekommen hat: Beim Uran war das 2018 7,7-mal mehr als 1980.

Das wiederum bedeutet, dass die Ressourcenverfügbarkeit pro Kopf in diesen 39 Jahren beim Uran um 669 Prozent gestiegen ist (Spalte 3, grün), was einem jährlichen Ressourcenwachstum von 5,5 Prozent entspricht (Spalte 4, gelb). Damit hat sich der persönliche Ressourcenüberschuss (personal resource abundance) alle 12,9 Jahre verdoppelt (Spalte 5, violett). Im Folgenden verkürze ich «Ressoucenüberschuss pro Kopf» zu «Reichtum pro Kopf» oder einfach «Reichtum».

Seit 1980 haben wir global 3,5-mal mehr Ressourcen pro Kopf

Damit ist die Methodik erklärt, mit der im Buch die verschiedenen Beispiele erläutert werden. Zu beachten ist, dass sich alle Werte der fünf Spalten anhand entsprechender Formeln aus den beiden Zeitpreisen des Anfangs- und Schlussjahres berechnen lassen.

Selbstverständlich haben die Autoren für diesen Warenkorb «The Basic 50» auch den Durchschnittswert berechnet: In der Zeit von 1980 bis 2018 ist der Zeitpreis dieser 50 Güter im Schnitt um 71,6 Prozent gesunken. Mit anderen Worten: Pro Kopf haben wir global 3,5-mal mehr von diesen Gütern, was einer Zunahme des Reichtums pro Kopf um 252 Prozent entspricht. Ganz offensichtlich leidet die Welt nicht unter einer Ressourcenknappheit – ganz im Gegenteil.

Wie sich diese Zunahme des Reichtums über die Zeit abgespielt hat, zeigt die nächste Grafik:

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Quelle: Superabundance

Bei der Reichtumsvermehrung kann es Einbrüche geben

Auch hier sehen wir nur einen kleinen Ausschnitt aus einer Seite des Buches, auf der die jährlichen Veränderungen des Reichtums pro Kopf für alle 50 Güter aufgezeichnet sind. Ganz links steht die Kurve für den Durchschnittswert des ganzen Warenkorbes (AVERAGE). Sie zeigt, dass die Zunahme des Reichtums bis auf 252 Prozent über die ganze Zeitspanne natürlich nicht linear verlaufen ist: Nach einem Höhepunkt um das Jahr 2000 gibt es einen zehnjährigen Rückgang, auf den ein erneuter Anstieg folgt.

Dies illustriert eine wichtige Erkenntnis: Das Wachsen des persönlichen Reichtums ist kurzfristig nie gesichert, es kann immer Rückschläge geben. Auf lange Sicht zeigen die in «Superabundance» vorgestellten Beispiele jedoch, dass dieser Reichtum in vielen Ländern und sogar im globalen Durchschnitt deutlich angestiegen ist.

Die Reichtumsentwicklung Chinas schlägt alles

Bevor ich das noch genauer erläutere, werfen wir einen Blick auf die unterschiedlichen Entwicklungen in einzelnen Ländern. Die nächste Tabelle zeigt, wie sich der Reichtum pro Kopf beim Warenkorb «The Basic 50» in den betrachteten 42 Ländern zwischen 1980 und 2018 entwickelt hat:

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Quelle: Superabundance

Auch hier zeige ich nur die ersten zehn Länder, und auch hier stehen die Länder mit der grössten Reichtumsentwicklung pro Kopf zuoberst. Dabei schlägt China das zweitplatzierte Südkorea mit grossem Abstand. Spalte 2 zeigt, dass ein Chinese 2018 aus dem Lohn einer Stunde Arbeit von diesen Gütern 40-mal mehr kaufen konnte als 1980 – für Südkoreaner war dieser Zuwachs mehr als dreimal kleiner. Der Weltdurchschnitt (3,5) lag sogar 11-mal tiefer als in China.

Afrika spielt bei der globalen Langzeitanalyse keine Rolle

Wie schon gesagt, betrachten die Autoren von «Superabundance» das Beispiel «The Basic 50» aufgrund fehlender weiterer Daten als globalen Durchschnitt, auch wenn nur 42 Länder darin vertreten sind. Bei dieser Länderliste fällt auf, dass von allen Kontinenten die wichtigsten Länder berücksichtigt wurden, ausser von Afrika: Dieser ärmste Kontinent ist mit keinem einzigen Land vertreten.

Der Grund dafür ist, dass es dort kein Land mit zuverlässigen Wirtschaftsdaten über mehrere Jahrezehnte gab weil regulierte Märkte dort meistens gar nicht existierten. Deshalb spielen diese Länder bei den Analysen von «Superabundance» auch keine Rolle.

In den USA hätte man 44-mal mehr kaufen können als vor 170 Jahren

Zum Abschluss fasse ich die wichtigsten Resultate aus den weiteren «Superabundance»-Untersuchungen verschiedener Warenkörbe über unterschiedliche Zeitperioden zusammen. Dabei konzentriere ich mich auf die Angabe, wie viel Mal mehr von diesen Ressourcen am Ende der Betrachtungszeit mit einem durchschnittlichen Stundenlohn gekauft werden konnte.

Bei Gütern wie in «The Basic 50», also Nahrungsmittel, Metalle, Energieträger und Rohstoffe ergibt sich für eine zweite globale Betrachtung, die bis 1960 zurückgeht, eine Zunahme um das Sechsfache. Noch weiter zurückliegende Daten haben die Autoren nur noch für die USA analysiert. Hier hätte man bei vergleichbaren Gütern wie in «The Basic 50» nach 120 Jahren 20-mal mehr, und nach 170 Jahren 44-mal mehr kaufen können. Und auch bei der Analyse von gefertigten Gütern allein (über 50 Jahre) oder nur von Nahrungsmittel (über 100 Jahre) ist immer eine deutliche Zunahme des Ressourcenreichtums pro Kopf herausgekommen.

Fazit: Bei allen Warenkörben über verschiedene Zeitperioden resultiert im Schnitt immer eine Zunahme der Ressourcenverfügbarkeit pro Kopf, die vom 3,5-Fachen nach 40 Jahren bis zum über 40-Fachen nach 170 Jahren reicht: Offensichtlich nimmt unser persönlicher Reichtum an Gütern seit etwa 200 Jahren immer mehr zu.

Natürlich bleiben viele Fragen und Einwände offen: Etwa «Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, dass eine solche Reichtumsvermehrung möglich wird?», oder «Die Vorkommen bestimmter Rohstoffe sind doch eindeutig begrenzt.», oder «Unser ökologischer Fussabdruck spricht doch eine ganz andere Sprache». Bevor ich auf solche Gegenargumente eingehe, werde ich nächste Woche die Botschaft des Buches zuerst zu Ende erläutern. Denn bis jetzt habe ich lediglich erklärt, was «abundance» bedeutet, nun fehlt noch die Beschreibung des Wunders der «superabundance».

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