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Mit der Energiewende steigt der Strompreis

Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 67“ im Online-Nebelspalter vom 6. März 2023 zu lesen.

Verfechter der Energiewende behaupten immer wieder, Wind- und Solarstrom seien die billigsten Stromquellen. Ihr Strom sei insbesondere günstiger als Strom aus Kernkraftwerken. So zum Beispiel von Jürg Rohrer, Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Im Interview mit Alex Reichmuth im Nebelspalter (siehe hier) sagte er: «Die Gestehungskosten von Strom aus neuen AKW sind schon heute wesentlich höher als aus alpinen Solaranlagen.»

Rohrers Aussage ist falsch. Ich bin schon früher auf die Gestehungskosten bei einzelnen Energieträgern eingegangen (siehe hier, hier und hier). Nun aber frage ich nach den Folgen für die Preisentwicklung beim Strom für Konsumenten, die mit dem geplanten Ausbau der Fotovoltaik sowie der Elektrifizierung des Verkehrs und des Heizungsbereichs einhergehen.

Was wichtig ist:

– Die Strompreise für einen typischen Vier-Personen-Haushalt schwanken in diesem Jahr zwischen 8 und 71 Rappen.
– Rund 45 Prozent des Strompreises wird im Schnitt durch die Netznutzung verursacht.
– Die geplanten Elektrifizierungen im Rahmen der Energiewende verursachen Kosten, die den Tarif für die Netznutzung in die Höhe treiben.
– Alle Spezialangebote mit einem erhöhten Anteil an «grünem» Strom sind teurer als die Standardangebote.

In der Schweiz werden wir Privatkunden von einem sogenannten Verteilnetzbetreiber mit Strom beliefert, den wir nicht selber auswählen können. In der Regel ist das das lokale Elektrizitätswerk, in meinem Fall das EW Würenlingen. Insgesamt gibt es in der Schweiz rund 630 solche Netzbetreiber, die jeweils individuell abrechnen.

Riesige Differenzen bei den Strompreisen

Wie gross die Differenzen bei der Gesamtkostenberechnung zwischen den einzelnen Betreibern sind, zeigt die folgende Grafik. Sie stammt von der Webseite der ElCom, der unabhängigen staatlichen Regulierungsbehörde im Elektrizitätsbereich. Die Grafik zeigt die Tarifunterschiede bei der Stromrechnung für das Jahr 2023 (siehe hier).

Quelle: ElCom

Mit einem Farbmuster von grün gleich billig bis rot gleich teuer werden hier die unterschiedlichen Gesamtstromtarife für einen typischen Haushalt mit einem Verbrauch von 4500 Kilowattstunden (Konsumprofil H4) in den betreffenden Gemeinden für das Jahr 2023 gezeigt. Wie man sieht, ergibt sich ein mehr oder weniger zufälliger Flickenteppich, dessen Extremwerte bei 8 respektive 71 Rappen pro Kilowattstunde liegen: Je nach Wohngemeinde zahlt man also bis zu achtmal mehr als an andern Orten.

Die Netznutzung verursacht fast die Hälfte des Preises

Die teilweise extremen Preissteigerungen im Jahr 2023 sind beispiellos. Bei uns in Würenlingen etwa schlägt der Strom um 117 Prozent auf 36,65 Rappen pro Kilowattstunde auf. Diese Preisaufschläge sind auf die stark gestiegenen Grosshandelspreise an der Strombörse zurückzuführen, deren Ursachen vor allem bei den hohen Gaspreisen im Zuge des Kriegs in der Ukraine liegen. Aber auch die gestiegenen Kohlepreise, die hohen CO2-Preise und die unterdurchschnittliche Produktionsfähigkeit der französischen Kernkraftwerke wirkten preistreibend.

Dieser Preis für die gelieferte elektrische Energie ist aber nur ein Teil des Gesamtstrompreises. Wenn Sie ihre Stromrechnung genau anschauen, sehen Sie, dass zusätzlich noch Kosten für die Netznutzung und für verschiedene Abgaben dazukommen. Die nächste Grafik zeigt die vier wichtigsten Elemente, aus denen sich der Konsumenten-Strompreis zusammensetzt. Die Grafik ist dem «Tätigkeitsbericht der ElCom 2021» entnommen (siehe hier).

Quelle: ElCom

Die fünf Jahresbalken zeigen den mittleren Gesamtstrompreis für dasselbe Konsumentenprofil H4 (4-Zimmer-Wohnung mit 4500 Kilowattstunden), das bereits Grafik 1 zugrunde lag. Im betrachteten Zeithorizont von 2018 bis 2022 steigt der hier dargestellte Medianwert von gut 20 Rappen moderat auf 21,6 Rappen pro Kilowattstunde. Danach folgt der oben erwähnte aussergewöhnliche Sprung auf 27,2 Rappen, der aus der Legende (links oben) von Grafik 1 abgelesen werden kann.

Solaranlagen, E-Autos und Wärmepumpen verteuern die Netznutzung

Für unser Thema wichtig ist aber die Zusammensetzung dieses Strompreises aus vier Elementen. Von unten nach oben sind das Tarife für die Netznutzung (dunkelblau), für die gelieferte Energie (hellblau), für Abgaben an das Gemeinwesen (grün) und für einen bundesweiten Netzzuschlag (gelb).

Wie man sieht, sind die Kosten für die Netznutzung am bedeutsamsten: 2022 haben sie einen durchschnittlichen Anteil von 45 Prozent an der Gesamtrechnung. Und hier schlagen sich denn auch die zusätzlichen Kosten für Netzanpassungen nieder, die durch den Ausbau der Fotovoltaik, den Zubau neuer Ladestationen für E-Autos sowie den Betrieb von Wärmepumpen verursacht werden.

Die Kosten für Systemdienstleistungen von Swissgrid steigen

Zusätzlich sind im obersten gelben Block die Bundesabgaben zur Förderung der erneuerbaren Energien (KEV) enthalten, die momentan bei 2,3 Rappen pro Kilowattstunde liegen. Daraus werden die Subventionen für die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien gespeist.

Neben diesem landesweit fixen Betrag ist der grüne Block wieder vom einzelnen Netzbetreiber abhängig. In meiner Gemeinde Würenlingen beträgt die Abgabe insgesamt 0,86 Rappen pro Kilowattstunde. Dieser Betrag setzt sich aus einer Konzessionsabgabe an die Einwohnergemeinde von 0,40 Rappen und einer Abgabe an die Systemdienstleistungen des Übertragungsnetzbetreibers Swissgrid von 0,46 Rappen zusammen.

Dies ist deshalb bemerkenswert, weil die Kosten für diese Systemdienstleistungen bisher nur 0,16 Rappen pro Kilowattstunde betrugen. Swissgrid scheint wegen vermehrtem Flatterstrom-Input aus Fotovoltaik-Anlagen und zusätzlichen Ansprüchen aus der Elektrifizierung des Verkehr- und Wärmebereichs einen grösseren Aufwand zu haben, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Auch wenn das erst kleine Beträge sind, geht doch alles in Richtung Verteuerung des Konsumentenstroms.

Reiner «Grünstrom» kostet über 10 Prozent mehr

Schliesslich zeigen auch noch die «grünen» Sonderstromangebote unserer Gemeinde, dass Solarstrom kostspieliger ist: Für einen Strommix aus 55 Prozent Sonne, 5 Prozent Wind und 40 Prozent Wasser bezahlt man einen Aufpreis von 4,67 Rappen pro Kilowattstunde. Das entspricht einem Aufschlag von 13 Prozent.

Selbstverständlich haben die Kunden, die dieses Angebot auswählen – der Anteil liegt bei unter einem Prozent – , physisch den genau gleichen Strommix in ihren Steckdosen, wie alle andern. Aber das EW Würenlingen kauft dann an der Strombörse im entsprechenden Ausmass sogenannte Herkunftsnachweise für die deklarierten Energieträger. Und siehe da, die Zertifikate für «grünen» Strom sind teurer.

Fazit: Die teilweise massiv gestiegenen Strompreise variieren von Gemeinde zu Gemeinde um ein Vielfaches. Neben den volatilen Grosshandelspreisen für die Energie sind es vor allem die Netzunterhaltskosten, die wegen den Netzanpassungen, die durch den Solarausbau, die Elektrifizierung des Verkehrs und den Wärmepumpeneinsatz erforderlich sind, immer mehr steigen werden.

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«Atomkraft – Das Tabu. Brauchen wir Kernkraftwerke?», Edition Königstuhl

Mein Buch mit diesem Titel ist vor kurzem im Buchhandel erschienen. Es enthält zwölf meiner früheren Nebelspalter-Grafik-Kolumnen, in denen alle wichtigen Argumente im Wettstreit «Kernenergie versus Solar» zur Sprache kommen – mit dem besseren Ende für die Atomtechnologie. Ergänzt werden diese Kapitel durch spezifische Fachbeiträge ausgewiesener Experten: Simon Aegerter, Johannis Nöggerath, Alex Reichmuth, Hans Rentsch, Walter Rüegg und Markus Saurer.

7 Kommentare zu “Mit der Energiewende steigt der Strompreis

  1. Hedwig Bussmann

    Frau Bundesrätin Sommaruga betonte immer überschwenglich „Sonne und Wind sind gratis“. Ja, auch Wasser und Uran als natürliches Gestein oder Kuhmist sind gratis. Was immer kostet, ist die Umwandlung zu elektrischem Strom, das schien sie völlig zu vergessen. Auch über die Umweltbilanz von Solarpanels mit den seltenen Erden wurde nie geredet. Und wir müssen auch die „graue Energie“ einrechnen bei der Produktion und die mögliche Ausbeute unter bestimmten Bedingungen., z. B. Solarpanels im Hochgebirge, die nur vertikal montiert werden können wegen Schneefall und drohender Vereisung bringen sicher weniger, als solche, die optimal der Sonnenbescheinung nachgeführt werden können. Aus diesem Grund braucht es dringend eine oder zwei Pilotanlagen in den Alpen, von denen im voraus publiziert wird, was die Solarpioniere und -Subventionsjäger für Ausbeuten erwarten. Dann wird das mit der Inbetriebnahme 1:1 gemessen und publiziert. Und wir müssen wissen, wieviel Energie für die Installation unter diesen extrem schwierigen Bedingungen aufgewendet werden mussten und wie die geschätzte Lebensdauer sein wird. Wenn wir da alles darstellen, werden viele die Augen reiben, wie teuer eine KWH Solarstrom aus den Alpen ist. Und – selbst da, wo wir auch im Winter eine bessere Ausbeute erwarten, die Nächte sind immer schwarz. Da gibts nichts, da muss das Backup stehen. Jeder Flatterstrom braucht Backup – und das kostet auch. – Frau Thoma schaltete ohne Not das KKW Mühleberg ab mit der bedeutenden Leistung von 3 Terawattstunden (5 % des gesamten Strombedarfs der CH), weil sie vorgab, ein zusätzlich verlangtes Kühlsystem sei zu teuer. Was für eine dumme Kurzsichtigkeit, hätte man in diesem Staatsnahen Betrieb die Saläre auf ein anständiges Niveau gestutzt, wären die Investition und das Update ein Peanut gewesen. Ihre Einkaufswut in ganz Europa haben die BKW bürokratisch gross und träge gemacht und höhere Boni ermöglicht ohne einen Nutzen für uns BKW-Kunden, die wir das Risiko tragen. Dafür haben wir auf der wichtigen Seite der Stromproduktion, dem Kernbusiness der BKW, gewaltig verloren durch diese betriebliche Fehlentscheidung.

  2. Prof. Dr. Arturo Romer, theoretischer Physiker

    Herr Prof. Martin Schlumpf hat hier einen informationsreichen, seriösen, sehr gut dokumentierten und sehr gut verständlichen Artikel geschrieben. Ein aufrichtiges Kompliment für diesen wichtigen Beitrag. Ich empfehle ihm, diesen Artikel auch dem schweizerischen Preisüberwacher zu senden. Es besteht tatsächlich die Vermutung, dass viele Werke buchstäblich stehlen. Die Strompreis-Unterschiede von Gemeinde zu Gemeinde sind zu hoch. Ich freue mich auf die baldige Vermarktung von Kernspaltungsreaktoren der Generationen IV, zum Beispiel der Thoriumreaktor mit Beschleuniger. Diese Thorium Reaktoren mit Beschleuniger werden sehr effizient, 100% sicher, ökologisch, nachhaltig und preislich sehr konkurrenzfähig sein. Sie haben auch den immensen Vorteil, dass dank dem Beschleuniger die Zerfallszeit der radioaktiven Abfälle von mehr als 100’’000 Jahren auf 300-400 Jahre reduziert werden kann (Transmutation). Eine grosse Entdeckung vom genialen Nobelpreis-Träger Prof. Dr. Carlo Rubbia (Italien). Carlo Rubbia war auch Direktor des CERN. Achtung: effiziente mordene Kernreaktoren der Generation IV ergänzen sich perfekt mit Fotovoltaik, Wasserkraft und Wind. Sie schliessen sich gegenseitig nicht aus. Es braucht mehr Wissenschaft/Forschung und weniger Ideologie, Verteuflung, Lügen und Panikmacherei.

  3. Kent Misegades

    Wieder eine aufschlussreiche und ausführliche Erklärung von Herrn Schlumpf, weshalb die sog. Grüne Energie unsere Ruine bedeutet. Ich empfehle alle, sine Buch „Atomkraft“ zu lesen.

  4. Guntram Rehsche

    Von 9,6 auf 9,7 Rp. Netzkosten in den Jahren 2018 bis 2019 macht nach Adam Riese etc. 0,1 Rp. Aber Sie lesen ja Ihre eigenen Diagramme gar nicht….

    • Andrée Millet

      Grafik 1 entnehmen Sie den voraussichtlichen Median für 2023 von 27
      Grafik 2 2018-2022

      Zuerst denken, dann in die Tasten hauen. Früher musste man zum Glück Briefe schreiben, das hat zum Denken angetegt.

  5. Guntram Rehsche

    Sie waren auch schon stärker in der Argumentation! Eine seit 2018 um 0,1 Rp. / KWh erhöhte Netzgebühr muss dafür herhalten, Ihre These von den wegen der EE erhöhten Strompreise zu begründen. Das ist nichts als lächerlich. Abgesehen davon, dass die Strompreise auch früher schon markant unterschiedlich je nach Gemeinde lagen (so zwischen 5 und 35 Rappen). Die Strompreiserhöhung hat vielmehr mit den Energiekosten zu tun – das zeigen ja sogar Ihre Grafiken, ohne dass Sie darauf eingehen. Aber diese Preise sind gestiegen, weil die Energie im Zuge der Ukrainekriege markant teurer wurde (Gas für die Stromherstellung), v.a. also die Fossilen! Sie haben sich also in dem Sinn sogar selbst übertroffen, als Ihre Diagramme was ganz anderes sagen, als Sie im Text behaupten.

    • Martin Schlumpf

      Es ist peinlich, wie Sie nicht imstande sind zu lesen, was ich schreibe: Wo bitte kommt 0.1 Rp/kWh vor? Nirgends. Zudem habe ich klar geschrieben, dass der Swissgrid-Aufschlag von 0,3 Rp. erst ein kleiner Betrag ist. Und lesen Sie mal diesen Satz von mir: „Diese Preisaufschläge sind auf die stark gestiegenen Grosshandelspreise an der Strombörse zurückzuführen, deren Ursachen vor allem bei den hohen Gaspreisen im Zuge des Kriegs in der Ukraine liegen.“ Das ist das, was Sie mir vorwerfen, nicht gesagt zu haben. Und erklären Sie mir mal, warum die „grünen“ Stromangebote immer teurer sind? Und warum die deutschen Strompreise die höchsten in Europa sind? Und glauben Sie etwa, dass die Netzanpassungen z.B. für Ladestationen von E-Autos nichts kosten?

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