Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 141“ im Online-Nebelspalter vom 10. März 2025 zu lesen.
Wie jedes Jahr zu dieser Zeit haben wir alle die Aufforderung zum Einreichen der Steuererklärung erhalten. Damit beginnt das mühsame Zusammensuchen von Belegen und Dokumenten, mit denen neben der Deklaration von Einkommen und Vermögen vor allem erreicht werden soll, dass hoffentlich jeder mögliche Abzug berücksichtigt werden kann. Bei der Komplexität dieser Aufgabe ist das für Viele aber ohne Hilfe von Steuerberatern nicht möglich. Und so häufen sich zurzeit auch die Artikel mit Steuerratschlägen in den Medien. Kurz: Das Ausfüllen der Steuererklärung kostet eine Menge Zeit und Geld und sorgt für viel Ärger. Ich zeige hier, dass es auch ganz anders gehen würde.
Was wichtig ist:
– Ohne Steuerabzüge würde der Kanton Zürich jährlich fünf Milliarden Franken mehr einnehmen.
– So könnten die Steuern generell um mindestens ein Drittel gesenkt werden.
– Ein Steuersystem ohne Abzüge und am besten mit einem einheitlichen Steuersatz würde viele Vereinfachungen bringen und würde sich vor allem für weniger gut Betuchte lohnen.
Eine Vorbemerkung: Selbstverständlich bin ich kein Steuerexperte. Wie Sie gleich verstehen werden, ist das aber fast eine unumgängliche Bedingung, um diesen Artikel überhaupt schreiben zu können. Denn mit der hier vorgeschlagenen Lösung würden viele Steuerberater arbeitslos – und wer will schon am Ast sägen, auf dem er sitzt.
Auslegeordnung bezüglich Steuerabzügen im Kanton Zürich
Meine Ausführungen beruhen auf den Zahlen aus einem Bericht des Zürcher Regierungsrates (sieh hier), mit dem dieser im Februar 2025 auf ein Postulat aus dem Kantonsrat reagiert hat. Der Bericht macht eine umfassende Auslegeordnung über die Steuerabzüge bei natürlichen Personen. Dabei wurde für jede der verschiedenen Abzugskategorien genau berechnet, wie gross der Minderertrag wegen den Abzügen bei den Staats- und Gemeindesteuern für den Kanton Zürich war. Die Zahlen gelten für das Referenzjahr 2020.
Laut Steuergesetz gibt es im Kanton Zürich insgesamt 20 verschiedene Abzugskategorien. Diese werden grundsätzlich in Gewinnungskosten, allgemeine Abzüge und Sozialabzüge unterteilt. Als Gewinnungskosten können die Berufskosten abgezogen werden, die notwendig sind, um das steuerbare Einkommen zu erzielen. Unter allgemeine Abzüge fallen Versicherungsprämien oder Unterhaltszahlungen. Beispiele für Sozialabzüge sind Kinderabzug oder Unterstützungsbeiträge.
Fünf Milliarden weniger Steuereinnahmen wegen Abzügen
Alle Abzüge, die in diesen 20 Kategorien im Jahr 2020 gemacht wurden, verursachen bei den Staats- und Gemeindesteuern insgesamt einen Steuerminderertrag von rund fünf Milliarden Franken. In der folgenden Grafik habe ich die ersten zehn Kategorien in absteigender Reihenfolge ihrer Mindererträge bei Staats- und Gemeindesteuern dargestellt:

Mit Abstand an der Spitze stehen die Abzüge durch die Berufskosten – das sind Fahrkosten, Verpflegungskosten und übrige Berufsauslagen – , die mit 1000 Millionen, also einer Milliarde Franken, ein Fünftel der Mindererträge ausmachen. An zweiter Stelle stehen abgezogene Versicherungsprämien, die sich auf rund 600 Millionen summieren. Dann folgen fünf Kategorien mit je knapp 500 Millionen Franken: Beiträge an AHV/IV und die 2. Säule, Beiträge in die Säule 3a, Kinderabzüge, Liegenschaftsunterhaltskosten und Schuldzinsen – Abzüge also für Bessergestellte und für Hausbesitzer.
Steuersenkungen um mindestens ein Drittel
Was würde passieren, wenn all diese Abzüge gestrichen würden, die Steuerveranlagung also massiv vereinfacht würde? Die gesamten Steuereinnahmen würden von den neun Milliarden Franken, die der Kanton Zürich 2020 eingenommen hat, um die fünf Milliarden Mindererträge wegen Abzügen auf 14 Milliarden ansteigen: Das entspricht einem Plus von 55 Prozent.
Wenn der Kanton nicht das Ziel verfolgt, mehr Steuereinnahmen zu generieren, könnte mit einer Steuerveranlagung ohne Abzüge der Steuersatz deutlich gesenkt werden: Nach Berechnungen der Steuerbehörden wäre eine generelle Steuersenkung um mindestens ein Drittel möglich, ohne dass der Kanton und die Gemeinden dadurch Verluste erleiden würden. Frühere Berechnungen an anderen Orten kamen sogar zu noch höheren Reduktionssätzen.
Unterschiedliche Auswirkungen auf einzelne Steuerpflichtige
Wie würde sich ein solches Steuerregime auswirken? Da ich persönlich als Pensionierter, der kein Haus besitzt, keine Berufskosten habe, keine Beiträge an Sozialversicherungen zahle, keine Kinderkosten habe und keine Unterhaltskosten für eine Liegenschaft oder Schuldzinsen zahle – und deshalb in den gezeigten ersten sieben Abzugskategorien fast nichts deklarieren kann – würde ich in den Genuss praktisch der ganzen Steuersenkung kommen: Ich hätte also etwas weniger Aufwand, die Steuererklärung auszufüllen, und würde darüber hinaus noch um die 25 Prozent weniger Steuern zahlen: Das kommt fast einem Paradies gleich.
Auf der anderen Seite müssten Steuerpflichtige, die heute sehr viele Abzüge geltend machen können, per Saldo in einem neuen System ohne Abzüge unter Umständen mehr Steuern zahlen. Allerdings müsste diese steuerliche Mehrbelastung mit den eingesparten Kosten für die vielen Treuhänder und Steuerberater verrechnet werden, die extra dafür angestellt worden sind, die offenbar zu komplizierte Steuererklärung zu machen.
Steuerberater und Politiker sind dagegen
Warum aber wagen wir den Schritt zu einem einfachen Steuersystem ohne Abzüge nicht? Ich sehe dafür zwei Gründe: Einerseits wehrt sich natürlich die Lobby der Steuerberater dagegen. Eine Berufsgattung, die in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen ist und deren Aufgabe allein darin besteht, die offensichtlich viel zu komplizierten Steuervorschriften für uns «Normalbürger» auszulegen. Und andererseits sind es viele Politiker, die ein System ohne Abzüge nicht wollen, weil damit eine ihrer beliebtesten Tätigkeiten, das Versprechen von Steuerprivilegien nämlich, wegfallen würde.
Schon 2004 wurde die Flat Tax vorgeschlagen
Übrigens hat der Journalist Markus Schneider schon vor über 20 Jahren eine solch radikale Steuervereinfachung gefordert: In seinem im Weltwoche-Verlag erschienen «Weissbuch 2004» (siehe hier), hat er eine sogenannte Flat Tax für die Schweiz vorgeschlagen, bei der alle Steuerpflichtigen gleichmässig mit einer direkten Einkommenssteuer von 18 Prozent belastet würden. Abzüge wären nur in Form von drei möglichen Steuergutschriften möglich: eine pro Kind und Jahr, eine pro Erwachsenen und Jahr (bei minimalem Einkommen) und eine für Alleinerziehende.
Damit könnte die Schweiz drei Trümpfe ins Spiel bringen, die förderlich für die Wirtschaftsentwicklung sind:
- Arbeit lohnt sich.
- Der Mittelstand wird befreit.
- Am meisten profitieren die Working Poors.
Dass dieses oder ein ähnliches Rezept bis heute nicht verwirklicht wurde, spricht Bände.
Lasst uns also dafür kämpfen, dass wir den undurchschaubaren Dschungel an Steuerabzügen ausmisten: Gerade die weniger gut Betuchten würden finanziell davon am meisten profitieren, und alle anderen könnten sich Zeit und Aufwand für das Ausfindigmachen von Steuerabzügen ersparen und hätten Zeit für sinnvollere Tätigkeiten: Letztlich würden wir also alle profitieren.
Lieber Martin
Endlich jemand der konkret und radikal einen Vorschlag gegen adminstrativen Aufwand und Bürokratie lanciert.
Neben viel Vereinfachung würden auch gewünschte und unerwünschte Verzerrungen wegfallen und das ganze hätte wirklich auf einem Bierdeckel platz. Weniger sozial wäre es sicher auch nicht.
Danke für den Vorschlag.
MfG HJKuhn