Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 140“ im Online-Nebelspalter vom 3. März 2025 zu lesen.
Im Rahmen der Debatte um die Umweltverantwortungsinitiative, die wir am 9. Februar 2025 mit knapp 70 Prozent der Stimmen abgelehnt haben, wurde oft gesagt, dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen würden. Die Initianten haben dabei mit den planetaren Grenzen argumentiert. Eng damit verbunden ist das Konzept des «ökologischen Fussabdrucks»: In beiden Fällen wird behauptet, dass der Ressourcenverbrauch der Menschheit über das hinaus gehe, was unser Planet an Material zur Verfügung stelle.
Was wichtig ist:
– Der ökologische Fussabdruck misst das Verhältnis zwischen natürlichem Ressourcenverbrauch und der sogenannten Biokapazität der Welt anhand der Flächen, die dafür benötigt werden.
– Beim Energiekonsum, der rund zwei Drittel des Fussabdrucks ausmacht, werden aber nur die CO2-Emissionen berücksichtigt, nicht der Ressourcenbedarf.
– Das Konzept beruht letztlich auf einem falschen Naturverständnis und ist deshalb kein sinnvolles Nachhaltigkeitskriterium.
Das Konzept des ökologischen Fussabdrucks wurde 1994 im Anschluss an die UN-Umweltkonferenz von Rio vom Schweizer Ingenieur Mathis Wackernagel und dem kanadischen Ökologen William Rees entwickelt. 2003 hat Wackernagel das «Global Footprint Network» gegründet (siehe hier). Dieses Netzwerk, das an der York University in Toronto beheimatet ist, berechnet bis heute nach immer dem gleichen Prinzip, wie viele Naturressourcen die verschiedenen Länder im Vergleich mit der Regenerationsfähigkeit der Erde verbrauchen.
Wie das gerechnet wird, zeige ich anhand von Grafiken, die auf der Webseite «Ökologischer Fussabdruck der Schweiz« des Bundesamtes für Statistik (BFS, siehe hier) zu finden sind. Auch diese Zahlen stützen sich auf Berechnungen des «Global Footprint Networks».
Der Ressourcenverbrauch wird mit der Biokapazität verglichen
Der ökologische Fussabdruck stellt eine Art Ressourcenbuchhaltung dar: Auf der einen Seite wird der Verbrauch natürlicher Ressourcen berechnet – das ist der eigentliche Fussabdruck. Dieser wird dann mit der sogenannten Biokapazität der Welt (oder des Landes) verglichen: Ist der Fussabdruck grösser als die vorhandene Biokapazität, spricht man von einem ökologischen Defizit.
Fussabdruck und Biokapazität werden beide in sogenannten «Globalen Hektaren» gemessen. Das ist eine Masseinheit für Flächen, deren Produktivität dem weltweiten Durchschnitt bestimmter Flächenarten (Ackerland, Weideland, Wald etc) entspricht. Schauen wir nun wie der ökologische Fussabdruck der Schweiz im Jahr 2022 zusammengesetzt war:

Die Grafik zeigt, welche Komponenten grundsätzlich bei der Bestimmung des ökologischen Fussabdrucks eine Rolle spielen: Es sind dies die Umweltbelastungen durch Ackerflächen, Fischerei, Weideflächen, Waldwirtschaft, Energieverbrauch und Siedlungsflächen. Wie die Grafik zeigt, wird der Energieverbrauch aber nicht daran gemessen, ob genügend fossile Energien oder Kernbrennstoffe vorhanden sind, oder ob dadurch die Luft oder das Wasser verschmutzt wird, sondern allein daran, wie die Bilanz der CO2-Emissionen aussieht.
Beim Energiekonsum zählt nur das CO2
Und wie wird diese berechnet? Das habe ich erst verstanden, nachdem ich eine Studie von 2006 gelesen habe, die am Ende der Webseite des BFS angegeben ist – bis heute ist das die einzige Schweizer Studie zum Thema (siehe hier). Dort heisst es bezüglich dem Verbrauch fossiler Energie: «Der energetische Fussabdruck (…) zeigt auf, welche Fläche zur Absorption von Kohlendioxid aus Verbrennung benötigt wird, damit die Konzentration dieses klimawirksamen Gases nicht weiter ansteigt.»
Jede Tonne CO2, die durch die Verbrennung fossiler Energie zusätzlich in die Atmosphäre gelangt, muss demnach kompensiert werden, damit die Treibhausgas-Konzentration nicht weiter steigt. Und weil es um eine Flächenbilanz geht, wird der energetische Fussabdruck durch die Fläche an Wald ausgedrückt, mit der das zusätzliche CO2 wieder absorbiert werden kann.
Es wird ein idealer Naturzustand vorausgesetzt, den es nicht gibt
Es wird in diesem Konzept also ein Idealzustand der Natur angenommen (in diesem Fall eine bestimmte CO2-Konzentration), der angeblich nicht verändert werden darf. Abgesehen davon, dass nicht gesagt wird, welche Konzentration als vorbildlich und unveränderbar angesehen wird, ist das auch deshalb unsinnig, weil wir auf diesem Planeten schon viel höhere CO2-Konzentrationen hatten, bei denen ein reichhaltiges Leben möglich war (etwa zur Zeit der Dinosaurier).
Die ausgewiesenen 63 Prozent des energetischen Fussabdrucks der Schweiz kommen aber nicht allein durch die fossile Energie zustande, sondern enthalten auch die CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung der Kernkraftwerke. Obwohl die Studie jedoch selbst einräumt, dass dabei «viel weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt», werden die Emissionen der Nuklearenergie trotzdem mit dem gleichen Schlüssel berechnet wie die fossilen Energien, «da es wissenschaftlich umstritten ist, welche Energieform die Umwelt stärker belastet.»
Massiv überbewertete CO2-Emissionen der Kernenergie
Damit diskreditiert sich diese Methode aber selbst: Denn laut der Statistik-Webseite «Our World in Data» (siehe hier) ist der Treibhausgas-Ausstoss pro Energieeinheit von Öl 120-mal und von Gas 75-mal grösser als derjenige der Nuklearenergie. Und weil der Energieanteil beim Total des ökologischen Fussabdrucks mit gut 63 Prozent die dominierende Rolle spielt, würde die notwendige Korrektur nach unten beim Einfluss der Kernenergie um rund das 100-Fache den Fussabdruck deutlich verkleinern.
Vergleichen wir nun den Schweizer Fussabdruck mit der Biokapazität der Welt. Eine Grafik des BFS zeigt die Entwicklung dieser beiden Komponenten seit 1961:

Wir verbrauchen angeblich mehr als zwei Planeten
Die rote Kurve oben zeigt den ökologischen Fussabdruck der Schweiz in globalen Hektaren pro Person. Mit der grünen Kurve unten wird die Biokapazität der Welt dargestellt. Weil unser Fussabdruck nach dieser Berechnungsmethode während all dieser 61 Jahre grösser gewesen ist als die Regenerationsfähigkeit der Erde, zeigt die rot gestrichelte Fläche unser ökologisches Defizit. Dieses lag im Jahr 2022 bei minus 250 Prozent (Fussabdruck 3,75, Biokapazität 1,5), das heisst, wir haben die Biokapazität von 2,5 Planeten verbraucht.
Die globale Regenerierfähigkeit sinkt angeblich kontinuierlich
Auffällig ist, dass die hier ausgewiesene sogenannte Biokapazität der Welt kontinuierlich sinkt: Das bedeutet, dass wir nach der Theorie des ökologischen Fussabdrucks unser globales Ökosystem permanent übernutzen. Wie sehr damit aber etwas Falsches suggeriert wird, zeigen ein paar Fakten, die im Konzept des ökologischen Fussabdrucks entweder keinen Platz haben oder untergewichtet sind:
- Von allen Rohstoffe, Metallen, Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Verbrauchsgütern haben wir heute pro Kopf viel mehr zur Verfügung als je zuvor (siehe hier und hier): Wir leben im Ressourcenüberschuss.
- Als Beispiel: Die Reserven an Rohöl – der wichtigsten Quelle unseres Wohlstands – sind bis heute von Jahr zu Jahr trotz steigendem Verbrauch gewachsen.
- Trotz viel mehr Konsum haben wir heute an den meisten Orten sauberere Gewässer und bessere Luft.
- Die Produktivität unserer wichtigsten Ressource, der Nahrungsmittel, konnten wir derart steigern, dass wir heute acht Milliarden Menschen ernähren können.
- Und schliesslich ist die Aussage, dass wir für unseren Konsum mehr als zwei Planeten brauchen, physikalisch gar nicht möglich: wir können nicht mehr brauchen, als was da ist.
Fazit: Der ökologische Fussabdruck suggeriert einen Krisenzustand unserer Umwelt, der viel zu einseitig nur von den negativen Auswirkungen des CO2 geprägt ist, bei denen fälschlicherweise davon ausgegangen wird, dass wir uns nicht an sie anpassen können. Der ökologische Fussabdruck ist darum ein unbrauchbares Konzept.
danke!