Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 139“ im Online-Nebelspalter vom 17. Februar 2025 zu lesen.
Wenn Strom zu Abfall wird, macht man etwas falsch. Denn Elektrizität ist die sauberste, vielseitigste und damit wertvollste Energieform. Man sollte deshalb effizient und sparsam mit ihr umgehen – sie ist alles andere als Abfall. Was machen wir also falsch, wenn es auch bei uns immer häufiger vorkommt, dass Strom wie Abfall behandelt wird? Es geschieht, weil wir den Ausbau von Solaranlagen forcieren, deren nicht steuerbare Produktion manchmal zu Strom führt, der nicht gebraucht wird. Damit das System aber nicht kollabiert, müssen die Produzenten für das Abnehmen des Stroms in solchen Fällen sogar noch bezahlen: man spricht von negativen Strompreisen.
Was wichtig ist:
– 2024 gab es in der Schweiz viermal mehr Stunden mit negativen Strompreisen als im Jahr zuvor.
– Negative Strompreise treten auf, wenn die Nachfrage gering und das nicht steuerbare Angebot an Wind- oder Solarstrom hoch ist.
– Das kann zu heiklen Situationen bei der Netzstabilität führen und erhöht letztlich die Strompreise für Privatkunden und Industrie.
Negativpreise sind eigentlich eine Absurdität
Vergegenwärtigen wir uns kurz, wie Preise funktionieren. Wenn ich ein Gut produziere und dieses zu teuer verkaufe, finde ich keine Käufer. Passe ich die Preise nach unten an, sind sowohl meine Käufer als auch ich als Produzent zufrieden – wir profitieren beide. Kommt nun ein Konkurrent in diesen Markt hinein, hat das negative Auswirkungen auf meinen Umsatz. Um das zu kompensieren, senke ich meine Preise und mache einen Ausverkauf mit einem grossen Rabatt für eine beschränkte Zeit. Mein Konkurrent zieht allenfalls nach, und so weiter.
Das Beispiel soll zeigen, was tiefe Preise bewirken. Dabei muss aber zwischen den Ausgaben für die Produktion und den Einnahmen durch den Verkauf immer eine tragbare Balance vorhanden sein. Es ist undenkbar, dass ich als Produzent dafür bezahle, dass jemand meine Ware «kauft». Dies tritt erst ein, wenn die Nachfrage völlig zusammenbricht, und ich deshalb meine jetzt wertlose Ware als Abfall entsorgen muss: die anfallende Entsorgungsgebühr entspricht dem negativen Strompreis.
Beim Strom muss das Angebot jederzeit der Nachfrage entsprechen
Wann aber gibt es Negativpreise im Stromsystem? Immer dann, wenn das Angebot im kurzfristigen Stromhandel an der Börse die Nachfrage übertrifft. Dies ist typischerweise der Fall an einem sonnenreichen Wochenende mit tiefem Verbrauch und hoher (nicht steuerbarer) Stromerzeugung. Weil aber Input und Output beim Strom in jeder Sekunde (!) praktisch gleich gross sein müssen, kann der überschüssige Strom nicht irgendwo gelagert werden: Er muss genau zu diesem Zeitpunkt irgendwo verwendet werden – das ist der grosse Unterschied zu anderen Märkten, wo «überschüssige» Ware einfach eine Zeitlang liegenbleibt.
Die unsinnige Situation, dass man ausgerechnet beim Strom mehr produziert als man verbrauchen kann, tritt systematisch erst seit der Energiewende mit dem Einsatz von Wind- und Solaranlagen auf, deren Primärenergie, die Sonneneinstrahlung und der Wind, nicht steuerbar ist. Damit haben wir unser Stromsystem wieder teilweise abhängig vom Wetter gemacht: Technologisch kommt das einem Rückschritt in die Zeit vor der Industriellen Revolution gleich.
Negative Strompreise gibt es zunehmend auch in der Schweiz
Und weil wir in der Schweiz in letzter Zeit beschleunigt Solaranlagen zugebaut haben, tritt das Problem der negativen Strompreise auch bei uns langsam ins Blickfeld der Öffentlichkeit. So hat die SRF-Tagesschau am 1. Februar 2025 diesem Thema einen ganzen Beitrag gewidmet (siehe hier). Dort wurde eine Grafik gezeigt, welche die Häufigkeit der negativen Strompreise in der Schweiz veranschaulicht:

Die Zahlen der Grafik stammen vom Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmer (VSE), der sich wiederum auf die Strombörse EPEX Spot abstützt. Die Säulen geben die Häufigkeit negativer Strompreise in Stunden pro Jahr an. Die Grafik zeigt, dass diese Häufigkeit bis 2023 tendenziell angestiegen ist. Die rückläufige Entwicklung in den Jahren 2021/2022 ist auf die Gasknappheit wegen dem Ukraine-Krieg zurückzuführen, die das europäische Strompreisniveau so stark angehoben hat, dass es praktisch keine Negativpreise mehr gab.
2024 viermal häufiger Negativpreise als 2023
Nachdem sich die Preise 2023 wieder etwas normalisiert hatten, gab es in diesem Jahr während 74 Stunden negative Preise, das entspricht dem Wert von 2020. Dann aber, im vergangenen Jahr, folgte ein Sprung nach oben: Mit 292 Stunden gab es viermal mehr Stunden im Jahr, in denen wir den Strom wie Abfall behandelt haben. Wesentlich zu dieser Steigerung beigetragen hat der zunehmende Ausbauboom der Solaranlagen in der Schweiz.
Haushaltstrom wird teurer
Problematisch ist diese Entwicklung natürlich zuerst für die Stromproduzenten, die dabei mit dem «Verkauf» von Strom an der Börse Geld verlieren. Weil sie das kalkulatorisch aber auf ihre Endkunden abwälzen können, erhöht das letztlich die Strompreise der Haushalte und der Industrie. Zudem verursacht diese Entwicklung einen ständig zunehmenden Regelbedarf, um die Netzstabilität zu gewährleisten: Immer häufiger müssen Massnahmen ergriffen werden, damit das Stromnetz nicht instabil wird. Auch das kostet.
Was können wir also tun, damit diese negativen Effekte des Solarstroms eingedämmt werden? Gegenmassnahmen sind auf drei Ebenen denkbar: Erstens mit Verbrauchsanpassungen, zweitens mit Energiespeicherung und drittens mit Abregelung der Solaranlagen.
Den Stromverbrauch steuern
Um unsere Verbrauchsgewohnheiten zu ändern, könnten wir ein Anreizsystem einführen, das dem Stromkunden über unterschiedliche Preise signalisiert, wann der Strom knapp und wann er im Überfluss vorhanden ist. Für viele von uns dürfte es kein Problem sein, das Waschen der Wäsche zu einem Zeitpunkt zu erledigen, wo genügend Strom vorhanden ist. Aber bei einer Mehrzahl von Anwendungen gibt es keine Alternative: Ich will jetzt Licht, ich will jetzt den Computer anstellen, ich will jetzt kochen, et cetera. Solche Preisdifferenzierungen schränken also meine Freiheiten ein, und ich muss mich damit auseinandersetzen, sie stehlen mir Zeit.
In Batterien speichern
Natürlich lässt sich die Energie des überschüssigen Stroms speichern. Aber dafür muss man Batterien anschaffen oder ein bidirektionales E-Fahrzeug kaufen, das Strom abgeben kann. Und auch das kostet. Und zusätzlich muss man noch ein Steuerungssystem haben, mit dem gewisse Prozesse automatisiert werden, damit man sich nicht immer damit beschäftigen muss. Das kostet ebenfalls.
Solaranlagen abregeln
Und schliesslich werden wir kaum darum herumkommen, Solaranlagen abregelungsfähig zu machen: sie also so auszurüsten, dass eine Netzleitstelle jederzeit entscheiden kann, ob die Leistung einer Anlage in kritischen Situationen eingeschränkt werden muss, womit deren Stromerzeugung reduziert wird. Was wiederum bedeuten kann, dass der Besitzer der Anlage mit der Stromeinspeisung ins Netz weniger verdient.
Insgesamt zielen diese drei Massnahmen also darauf ab, dass wir beim individuellen Stromverbrauch weniger frei sind, und dass alles teurer wird. Und paradoxerweise fördern wir das noch dadurch, dass wir den Ausbau der Solaranlagen subventionieren: Wir geben also Geld dafür aus, dass der Strom immer teurer wird, unsere Freiheiten eingeschränkt werden und wir auch noch für den «Abfall» aufkommen müssen.
Früherer Beitrag zu diesem Thema: siehe hier.
Der Autor hat Recht: Negativpreise sind eine Absurdität. Dies könnte man relativ einfach vermeiden:
1. Reduktion der übertriebenen Subventionen;
2. Verwendung des Überschuss-Stromes zu günstigen Preisen in Pumpspeicherwerken;
3. Eine sinnvolle Subvention für die Batterien von Kleinproduzenten;
4. Saugen von CO2 aus der Atmosphäre zu günstigen Elektrizitätspreisen im Falle von Überschuss-Strom (DAC-Technologie);
5. Ergänzung mehrerer Wasserkraftwerke durch Pumpbetrieb. Potenziale sind vorhanden.
Dieser informative Beitrag zeigt die Perversität der Energiewende mit logisch begründeten Beispielen glasklar und überzeugend auf.
Fazit: Energiewende 🇨🇭 🇩🇪 führt sowohl kaufmännisch als auch netzstabilitätsbezogen ins Chaos.
Die Subventionsjäger kümmert das kaum. Ob das Bundesamt für Energie dereinst Gegensteuer geben wird bleibt abzuwarten.