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Klimatote: Krasse Falschaussage von Magdalena Erni in der «Arena»

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 138“ im Online-Nebelspalter vom 3. Februar 2025 zu lesen.

In der SRF-« Arena» vom 24. Januar 2025 über die Umweltverantwortungsinitiative der Jungen Grünen hat deren Co-Präsidentin, Magdalena Erni, Folgendes gesagt: «Die Klimakrise fordert heute schon in der Schweiz Tausende von Menschenleben pro Jahr. » (siehe hier). Die Grünen reden also nicht mehr von der Klimaerwärmung, sondern von der Klimakrise. Und dies, weil angeblich jedes Jahr Tausende von Menschen wegen dem Klima sterben, was für Magdalena Erni und ihre Partei als Rechtfertigung für die extremen Massnahmen dient, die bei Annahme ihrer Initiative erforderlich wären.

Was wichtig ist:

– Magdalena Erni, Co-Präsidentin der Jungen Grünen, hat in der « Arena» behauptet, in der Schweiz würden jedes Jahr Tausende Menschen wegen der Klimakrise sterben.
– Doch zusätzliche Todesfälle wegen Hitzewellen gab es nur dreimal in den letzten 25 Jahre. Trotz steigenden Temperaturen ist die Hitzesterblichkeit tendenziell abnehmend.
– Die Gefahr wegen Unwettern zu sterben, ist sogar rasant zurückgegangen.
– Die Aussage von Erni ist somit völlig falsch.

Magdalena Erni hat leider auf meine Anfrage, auf welchen Quellen ihre Aussage beruht, nicht reagiert. Deshalb behandle ich hier das Thema klimabedingte Todesfälle umfassend: Zuerst gehe ich auf die Folgen von Hitzewellen ein, dann betrachte ich die Opferzahlen der übrigen Naturkatastrophen, um schliesslich mit den jährlichen Sterbeziffern alles zusammenzufassen.

Um das Sterberisiko von Hitzewellen beurteilen zu können, muss man die Veränderungen der allgemeinen Sterblichkeit im Jahresverlauf betrachten. Dies ist möglich mit der Statistik der wöchentlichen Todesfälle des Bundesamtes für Statistik (BFS, siehe hier). Die folgende Grafik zeigt die wöchentliche Zahl aller Todesfälle in der Schweiz von 2010 bis heute:

Wöchentltodesf.seit2010
Quelle: BFS

Die Zahl der wöchentlichen Todesfälle wird für zwei Gruppen angegeben: oben für die Menschen ab 65 Jahre und unten für alle Jüngeren. Da Hitzewellen nur für ältere Menschen eine besondere Gefahr bedeuten, betrachten wir die obere Kurve. Das graue Hintergrundband gibt dabei den statistischen Streubereich an, innerhalb dessen die Todeszahlen aufgrund der Vorjahre zu erwarten sind. Wenn sich die aktuellen Zahlen innerhalb dieses Bereichs befinden, ist ihre Kurve blau. Wenn die Zahl ausserhalb des Bereichs liegt, wird sie rot: Dann kann es sich um eine Übersterblichkeit (mehr Tote als erwartet) oder eine Untersterblichkeit (weniger Tote als erwartet) handeln.

Im Winter sterben mehr Menschen als im Sommer

Wenn man die Kurve der Über-65-Jährigen mit den Jahreszahlen unten koordiniert, sieht man, dass die Kurve immer am Jahresbeginn kurz vor ihrem Scheitelpunkt steht. Danach sinkt sie bis zum Sommer auf einen Tiefstand ab, um im Herbst bis zum Winter wieder anzusteigen. Ganz offensichtlich verursacht die Kälte des Winters deutlich mehr Todesopfer als die angenehmere Sommerwärme.

Grippe und vor allem Corona sind viel schlimmer

Gefährliche Hitzewellen müssen sich durch eine erhöhte Sterblichkeit im Sommer manifestieren. In den 15 Jahren, die in der Grafik gezeigt werden, ist dies aber nur zwei Mal der Fall (gelbe Pfeile): relativ schwach im Sommer 2015 und stärker im Sommer 2022. Die Übersterblichkeit, die in diesen beiden Jahren ausgewiesen wird, ist aber deutlich kleiner als diejenige der beiden Grippewellen von 2015 und 2017 (schwarze Pfeile). Und sie wird massiv übertroffen von den verschiedenen Coronawellen – vor allem von derjenigen von 2021 auf 2022.

Damit soll natürlich nicht gesagt werden, dass man alte Menschen bei Hitzewellen nicht optimal schützen sollte – die Mittel dazu haben wir ja (schattige Wohnlagen, Gebäudedämmung, Klimaanlagen). Von der Zahl der Opfer her kann man aber bei der Covid19-Pandemie von einer Krise sprechen, bei den Hitzewellen jedoch sicher nicht.

Das Sterberisiko an Hitzetagen ist trotz steigenden Temperaturen gesunken

Dazu kommt, dass die Temperaturen in diesen 15 Jahren deutlich gestiegen sind: Wir hören ja fast jedes Jahr wieder, dass ein Temperaturrekord gebrochen wurde. Von einem entsprechenden Aufwärtstrend bei der Übersterblichkeit bei Hitzewellen ist aber nichts zu sehen. Denn ausser 2022 (und dort ist nicht ganz klar, welche Rolle Corona gespielt hat) gibt es immer mehr Untersterblichkeit im Sommer: Weniger Todesfälle als erwartet sehen wir zum ersten Mal im Sommer 2016 und 2018, und dann ab 2020 jedes Jahr, ausser 2022.

Diese sinkende Tendenz wird in einer Studie des Schweizerischen Tropeninstituts von 2023 bestätigt: Im Synthesebericht «Monitoring hitzebedingte Todesfälle 2000 bis 2022» heisst es: «Über die Zeit lässt sich eine leichte Abnahme des hitzebedingten Sterberisikos an Hitzetagen beobachten.». Ich habe diese Studie in Schlumpfs Grafik 82 genauer besprochen (siehe hier).

Wegen Unwettern stirbt praktisch niemand mehr

Wie sieht es aber bei den übrigen Naturgefahren aus, von denen auch immer wieder behauptet wird, sie würden wegen dem Klimawandel häufiger auftreten und immer mehr Opfer fordern? Diese zwei Fragen wurden in der ETH-Studie «Todesfälle durch Naturgefahrenprozesse von 1946 bis 2015» bei Hochwassern, Rutschungen, Murgängen, Felsstürzen, Windstürmen, Blitzschlägen und Lawinen untersucht (siehe hier).

Das Resultat: Die Zahl der durch Unwetter verursachten Katastrophen hat im untersuchten Zeitraum von fast 70 Jahren abgenommen, und die von diesen Naturereignissen verursachten Todesfälle sind im Schnitt von über zwanzig auf fünf pro Jahr gesunken. Damit liegt heute das Risiko, wegen eines solchen Unwetters zu sterben bei 0,007 Prozent der jährlichen Todesfälle.

Und auch da gilt: Trotz Klimawandel, also trotz steigenden Temperaturen wegen mehr CO2 in der Atmosphäre, ist die Zahl der Todesopfer wegen Naturkatastrophen sogar gesunken – und zwar unabhängig davon, ob und wie weit diese Klimaveränderungen das Wetterverhalten beeinflusst haben.

Bei Hitzewellen und den übrigen Naturkatastrophen gibt es positive Trends

Sowohl bei den Opferzahlen wegen Unwettern als auch bei den Todesfällen wegen Hitzewellen konstatieren wir also positive Trends: Todesfälle wegen diesen Ursachen nehmen längerfristig ab. Und diese Trends über mehrere Jahre oder Jahrzehnte sind entscheidend, auch wenn es immer wieder Ausreisser gibt.

Der gezeigte positive Befund wird durch die Entwicklung der allgemeinen Sterblichkeit bestätigt. Das Bundesamt für Statistik (BFS) berechnet die sogenannte Sterbeziffer pro 100’000 Einwohner geschlechtergetrennt für jedes Jahr. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung dieser Sterbeziffer von 1970 bis 2023:

Sterbeziffer Seit1970+
Quelle: BFS

Die Sterbeziffer gibt an, wie viele Männer und wie viele Frauen in einem Jahr pro 100’000 Einwohner gestorben sind. Das Bevölkerungswachstum wird also eingerechnet. Und wer es noch nicht gewusst hat: Offensichtlich sorgen Frauen besser für ihre Gesundheit als Männer, was sich in einer tieferen Sterbeziffer zeigt (immerhin holen die Männer auf).

Langfristig sinkende Sterbeziffern

Für unsere Betrachtung ist aber entscheidend, dass bei beiden Geschlechtern die Sterbeziffern im langjährigen Vergleich deutlich sinken. Wenn aber pro 100’000 Einwohner immer weniger Menschen sterben, heisst das, dass sich unsere Lebensbedingungen immer mehr verbessert haben, was dazu führt, dass wir immer älter werden. Genau diesen Wohlstandsfortschritt in Form einer sinkenden Sterblichkeit ignoriert Magdalena Erni.

Und die Grafik zeigt ausserdem, was eine wirkliche Krise bewirken kann: Ich habe das Jahr 2020 mit einem blauen Pfeil markiert, weil dort mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie der stärkste Rückschlag bei der Sterbeentwicklung seit 1970 zu sehen ist (vor allem bei den Männern). Der Rückschlag war aber nur vorübergehend.

Sandro Brotz interveniert nicht gegen Ernis Falschaussage

Wir haben also nicht jedes Jahr Tausende von zusätzlichen Todesfällen wegen einer angeblichen Klimakrise, wie Magdalena Erni behauptet, sondern wir haben in den letzten 25 Jahren dreimal im Sommer eine Hitzewelle mit einigen Hundert Todesfällen erlebt, deren Tödlichkeit aber trotz tendenziell steigenden Temperaturen abgenommen hat – sonst war da nichts, ausser, dass die Sterblichkeit ganz allgemein immer weiter abnimmt.

Dass eine junge Frau, die von ihrer Mission überzeugt ist, so daneben liegt, kann passieren. Dass aber Sandro Brotz, der Moderator dieser Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, eine so krasse Falschaussage nicht hinterfragt und korrigiert, ist bedenklich und alarmierend: Wir haben keine Klimakrise, wir haben eine SRF-Krise.

4 Kommentare zu “Klimatote: Krasse Falschaussage von Magdalena Erni in der «Arena»

  1. Peter A.Schmid

    Ich habe mich auch masslos über die offensichtliche Falschaussage (resp. Lüge) von Frau Erni in der Arena geärgert, der weder vom Moderator noch anderen Gesprächsteilnehmern widersprochen wurde.
    Besten Dank für diese klare Faktendarstellung!
    Erbärmlich, dass Frau Erni dazu keine Stellung nimmt…

  2. Arturo Romer
    Arturo Romer

    Es handelt sich tatsächlich um eine falsche Behauptung. Vielen Dank an Prof. Martin Schlumpf für die klare und sehr dokumentierte Stellungnahme.

  3. F. Dörig

    in der “Arena” werden öfters Spezialsten des Diskussions- Thema eingeladen. z.b. CS Banken- Krise: Die Dame wusste nicht was eine Billion Doller ist. “Die UBS ist nun die grösste Bank der Welt!” Was für ein Vorbild für die jungen Zuhörer,

  4. Hans Rentsch

    Wer politisch auf Kindergartenniveau stecken geblieben ist, braucht keine Fakten.

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