Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 119“ im Online-Nebelspalter vom 15. Juli 2024 zu lesen.
Vor zwei Wochen habe ich hier gezeigt, dass der Winteranteil des Wasserstroms unter Verwendung aller Schweizer Speicherseen von 27 Prozent (nur natürliche Zuflüsse) auf 43 Prozent gesteigert werden kann (siehe hier). Wie dort dargelegt, sind für diesen Sommer-Winter-Speicherprozess ausschliesslich Speicherkraftwerke verantwortlich. Auf die Spezialkategorie der Pumpspeicherkraftwerke bin ich dabei nicht eingegangen, weil sie für die saisonale Speicherung keine Rolle spielen. Im Folgenden beschäftige ich mich mit den Einsatzmöglichkeiten solcher Pumpspeicherwerke.
Was wichtig ist:
– In einem Pumpspeicherwerk kann Wasser von einem tiefgelegenen in ein hochgelegenes Wasserreservoir gepumpt und bei Bedarf wieder abgelassen werden.
– Weil dabei zum Pumpen mehr Strom benötigt wird als daraus Strom generiert werden kann, sind die Einsatzmöglichkeiten stark abhängig vom Börsen-Strompreis.
– Pumpspeicherwerke pumpen deshalb in kurzfristigen Zyklen bei tiefen Strompreisen und turbinieren, wenn die Preise hoch sind – langfristige saisonale Speicherung hat dabei keinen Platz.
Ein Pumpspeicherkraftwerk unterscheidet sich von einem Speicherkraftwerk, indem es nicht nur auf einen hochgelegenen Speichersee, sondern auch noch auf einen zweiten tieferliegenden Speichersee zugreifen kann. Diese beiden Wasserreservoirs müssen mit Druckleitungen miteinander verbunden sein. Das Kraftwerk, das an diese Leitungen angeschlossen ist, muss zusätzlich mit stromgetriebenen Pumpen ausgerüstet sein, die das Hochpumpen des Wassers ermöglichen. Damit wird ein wechselseitiger Betrieb des Füllens und Leerens der beiden Wasserspeicher möglich.
Pumpspeicherung weist Verluste um 25 Prozent aus
Das heisst aber nichts anderes, als dass mit einem Pumpspeicherwerk aktiv gesteuerte Stromspeicherung betrieben werden kann – analog zu einer Batterie. Dies hat aber natürlich seinen Preis: Denn für das Hochpumpen von Wasser wird im Schnitt 20 bis 25 Prozent mehr Strom benötigt, als danach beim Turbinieren wieder gewonnen werden kann. Liegt also die Preisdifferenz zwischen Pumpstrom und erzeugtem Strom höher als diese Verluste, kann ein Pumpspeicherwerk wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden.
Von den 17 bestehenden Pumpspeicherwerken der Schweiz ist Limmern im Kanton Glarus dasjenige mit der höchsten maximalen Turbinenleistung. Die Gesamtleistung von 1000 Megawatt (MW) kommt durch vier Turbinen zu je 250 MW zustande, die mit acht Umdrehungen pro Sekunde rotieren. Jede Turbine kann individuell auf Pumpen oder Turbinieren geschaltet werden. Die nächste Grafik zeigt eine schematische Übersicht des Pumpspeicherwerks Limmern in Linthal, das von der Axpo betrieben wird (siehe hier):

Limmern konnte seinen Betrieb 2016 nach siebenjähriger Bauzeit und Kosten von 2,1 Milliarden Franken aufnehmen. Das 600 Meter im Berginnern in einer riesigen Kaverne gebaute Kraftwerk kann Wasser aus dem Limmernsee (in der Grafik links) in den 620 Meter höheren Muttsee (oben) hochpumpen und bei Bedarf wieder zur Stromproduktion nutzen. Dabei wurde die Staumauer des Muttsee stark erhöht, womit das Speichervolumen des Sees von 9 auf 23 Millionen Kubikmeter Wasser erweitert wurde. Die Muttseestaumauer ist mit einer Kronenlänge von 1054 Metern die längste und die höchstgelegene Staumauer Europas.
Das Speicherpotenzial Limmerns beträgt nur 0,026 TWh
Die maximal mögliche Stromerzeugung aus einer vollständigen Leerung des Muttsees wird durch das Volumen des Sees und die Fallhöhe begrenzt. Aus der angegebenen Durchflussmenge von 47 Kubikmeter Wasser pro Sekunde pro Turbine (siehe hier) lässt sich ausrechnen, dass der See bei Vollleistung aller Turbinen nach 34 Stunden leer ist. Mit einer installierten Leistung von 1000 MW resultiert daraus eine Strommenge von 34’000 Megawattstunden (MWh) – abzüglich 25 Prozent Speicherverlusten entspricht das einem gesamten Speicherpotenzial des Kraftwerks Limmern von 26’000 MWh oder 0,026 Terawattstunden (TWh).
Mit dieser Zahl lässt sich die immer wieder vorgebrachte falsche Meinung widerlegen, mit Pumpspeicherung liesse sich das Winter-Stromdefizit aus Solaranlagen kompensieren. Nehmen wir als Referenzzahl die Berechnung von Andreas Züttel und seinen Kollegen von der ETH Lausanne, die in ihrer Studie von einer Lücke von 20 TWh bis ins Jahr 2050 ausgehen (siehe hier). Würde man ein solches Winterstromdefizit mit dem Speicherpotenzial von Limmern decken wollen, wären schliesslich 770 solche Werke notwendig. Das ist natürlich ein vollkommen absurder Gedanke, denn wir hätten weder den Platz noch das Geld dafür.
Pumpspeicherung trägt nichts zur saisonalen Speicherung bei
Und es zeigt sich auch, dass hinter dieser Meinung eine völlig falsche Vorstellung von Pumpspeicherung steckt: Man geht davon aus, dass nur einmal (im Sommer) gepumpt und nur einmal (im Winter) turbiniert wird. Das würde aber bedeuten, dass Limmern während fast des ganzen Jahres stillstehen würde, was betriebsökonomisch einer reinen Katastrophe gleichkäme. In Wirklichkeit aber versuchen die Betreiber von Limmern so oft wie möglich zu pumpen und zu turbinieren, weil so billiger Überschussstrom zu wertvollem Spitzenstrom veredelt wird, der dann geliefert werden kann, wenn es vom Stromsystem her nötig ist.
Stellen Sie sich einen schönen Sommertag vor: Tagsüber, wenn die Sonne scheint, pumpt Limmern mit billigem Solarstrom Wasser in den Muttsee. Wenn der Solarstrom dann gegen Abend ausfällt und gleichzeitig der Verbrauch ansteigt, wird er durch wertvollen (also teuren) Limmern-Strom ersetzt. So funktioniert das Geschäftsmodell der Pumpspeicherung: Bei Stromüberfluss mit tiefen Preisen wird gepumpt, bei Strommangel mit hohen Preisen wird turbiniert. Und dies in möglichst kurzen Zeitabständen, damit das Werk rentabel betrieben werden kann.
Der Muttsee wird im Zwei-Wochen-Rhythmus gefüllt und geleert
Tatsächlich zeigt der letzte Jahresbericht der Kraftwerke Linth-Limmern (siehe hier), dass das Pumpspeicherwerk Limmern im Berichtsjahr 2022/23 aus dem Muttsee 1,42 TWh Strom erzeugt hat. Unter Berücksichtigung des berechneten Speicherpotenzials von 0,026 TWh bedeutet das theoretisch, dass der Muttsee im Schnitt innert zwei Wochen einmal ganz gefüllt und einmal ganz geleert wurde. Dies bestätigt, dass Pumpspeicherung nur dann sinnvoll ist, wenn sich Pumpen und Turbinieren in relativ kurzfristigen Zyklen abwechseln.
Fazit: Ein Pumpspeicherkraftwerk kann kurzfristig auf Differenzen von Angebot und Nachfrage im Stromsystem sehr flexibel reagieren, weil es sowohl den Zufluss als auch den Abfluss eines Speichersees beliebig steuern kann. Für die langfristige Stromspeicherung vom Sommer in den Winter trägt das aber nichts bei: Dafür sind allein die Speicherkraftwerke zuständig. Bei diesen kann aber nur der Abfluss aus ihren Speicherseen selbständig gesteuert werden, die Zuflüsse aus Regen und Schmelzwasser unterliegen den Launen der Natur.
Vielen Dank für diesen klaren, informationsreichen und kompetenten Beitrag. Ich teile ihn vollständig.
Linth-Limmern speicher effizienter als 75%. Die Francis-Turbinen haben einen sehr hohen Wirkungsgrad. Linth-Limmern hat etwa 10% Verlust.
Das ändert aber nichts an der Richtigkeit dieses Blogpost.