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Die schlimmste Hochwasserkatastrophe Europas fand 1342 statt

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Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 121“ im Online-Nebelspalter vom 29. Juli 2024 zu lesen.

Nach einem Sommer mit Flüssen und Bächen, die wegen sturzflutartigem Regen über die Ufer getreten sind, fragen sich viele, ob das noch «normal» sei. Oder ob mit den steigenden Temperaturen im Rahmen des Klimawandels solche Ereignisse in Zukunft nicht noch häufiger und verheerender auftreten werden. Ein Blick in das Unwetterarchiv des letzten Jahrtausends zeigt jedoch, dass die schlimmsten Hochwasserkatastrophen nicht in jüngster Vergangenheit sondern in früheren Jahrhunderten stattfanden.

Was wichtig ist:

– Im Sommer 1342 ereignete sich in Europa mit der sogenannten Magdalenenflut das Jahrtausendhochwasser unserer Zeit.
– Die Flüsse Main, Rhein, Weser, Elbe und Donau sind seither nie mehr so hoch angeschwollen.
– Diese Unwetterkatastrophe fand im Übergang von der mittelalterlichen Warmzeit zur Kleinen Eiszeit statt – unmittelbar vor der grössten Pestepidemie Europas.

Ein Video des österreichischen Tourismusforschers Günther Aigner mit dem Titel «Die Jahrtausendflut von 1342», das auf einer ausgezeichneten Recherche basiert, hat mich zu diesem Beitrag angeregt (siehe hier).

In einer Chronik der Stadt Würzburg (siehe hier) lesen wir über das Hochwasser von 1342: «Am Maria Magdalenatag und am folgenden Tag (am 21./22. Juli) fiel ein ausserordentlicher Wolkenbruch, welcher den Mainstrom so sehr anschwellte, dass der selbe allenthalben weit aus seinem Bette trat, Äcker und Weingärten zerstörte und viele Häuser samt ihren Bewohnern fortriss. Auch die Brücke in Würzburg sowie die Brücken anderer Mainstädte wurden durch die Wuth des Gewässers zertrümmert. In der Stadt Würzburg trat der Strom bis an die erste steinerne Säule an den Domgreden.»

Höchster Pegelstand des Main in Würzburg im Jahr 1342

Aufgrund seines Auftretens am Maria Magdalenatag bekam dieses Hochwasser den Namen Mgdalenenflut. Zum gleichen Zeitpunkt waren offenbar aber neben dem Gebiet um den Main auch Städte und Landschaften am Rhein, an der Weser, der Elbe und der Donau betroffen. Überall, wo man Zeugnisse von verheerenden Überflutungen kennt, stufen diese die Schäden vom Juli 1342 als die schlimmste bekannte Hochwasserkatastrophe der letzten tausend Jahre ein.

Ein solches Zeugnis ist die Darstellung verschiedener Hochwasser-Pegelstände des Main in Würzburg, die in der folgenden Grafik zu sehen sind:

Quelle: Günther Aigner

Mit dem blauen Massstab wird der Pegelstand des Main in Zentimetern ausgedrückt. Der mittlere Wasserstand beträgt 176 Zentimeter. Mit dem höchsten je erreichten Pegel von 1000 Zentimeter haben die Fluten vom 21. Juli 1342 (ganz oben) den Normalstand also um mehr als acht Meter übertroffen – das ist fast nicht vorstellbar.

Verglichen mit den übrigen verzeichneten Hochwasserpegeln fällt auf, dass alle, die in den letzten fünfzig Jahren stattgefunden haben, zur Gruppe mit den tiefsten Werten gehören: So zeigt das jüngste Beispiel aus dem Jahr 2003 einen Pegel von 648 Zentimeter – dreieinhalb Meter weniger als bei der Magdalenenflut.

Auch Hochwassermarken in Frankfurt zeigen die Einzigartigkeit der Marienflut

Als weitere Vergleichsquelle dienen ausserdem sogenannte Hochwassermarken, die in vielen Städten angebracht wurden. Diese zeigen die Höchststände der Wassermassen bestimmter Ereignisse mit Markierungen an wichtigen Gebäuden nahe der Flüsse. Die nächste Grafik zeigt solche Marken am Eisernen Steg in Frankfurt, einer Fussgängerbrücke über den Main:

Quelle: Günther Aigner

Das linke Bild in der Grafik zeigt, wo sich der Eiserne Steg befindet. Im rechten Bild sind die dort angebrachten Hochwassermarken genauer zu sehen. Wiederum sticht das Jahr 1342 (ganz oben) heraus: Der Abstand zur nächstgrössten Überflutung von 1682 beträgt gegen zwei Meter. Und auch hier sind die jüngst vergangenen Ereignisse von 1920 und 1970 diejenigen mit den tiefsten Überflutungsmarken.

Der «Grosse Hunger» von 1315 bis 1322

Wie aber sah das Leben der Menschen zur Zeit der Magdalenenflut aus? Bei den folgenden Ausführungen stütze ich mich auf Informationen des Buchs «Kulturgeschichte des Klimas» von Wolfgang Behringer ab (siehe hier). Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde Europa von einer ausserordentlichen Hungersnot heimgesucht: dem sogenannten «Grossen Hunger» von 1315 bis 1322. Diese Plage wurde stark von abnormen Witterungsverhältnissen mitverursacht: Lange kalte Winter verkürzten die Vegetationsperiode, und anhaltender Regen schädigte die Ernte.

Diese verhältnismässig kalten und niederschlagsreichen Jahreszeiten beendeten im 14. Jahrhundert schubweise die für das Leben günstige «mittelalterliche Warmzeit» von 1000 bis 1300, in der die Wikinger auf Grönland sogar Getreidebau und Viehwirtschaft betreiben konnten. Mit der nun einsetzenden «Kleinen Eiszeit» fielen die Ernteerträge oft wesentlich geringer oder sogar ganz aus.

Grössere Erosionsgefahr wegen kleineren Waldbeständen

Zudem war als Folge einer relativen Blütezeit im 13. Jahrhundert die Bevölkerung gewachsen, und die wirtschaftliche Tätigkeit weitete sich aus. Weil dadurch der Rohstoff Holz als praktisch einzige Energiequelle immer mehr gefragt war, und weil auch immer mehr Ackerflächen benötigt wurden, nahmen die Waldbestände Europas massiv ab: Deutschland hatte noch etwa die Hälfte des Bestandes von heute. Bei schweren Überflutungen hatte dieser Waldverlust aber teilweise zur Folge, dass die Böden gegen Erosion weniger gut geschützt waren.

Es wird vermutet, dass bei der Magdalenenflut allein ein Drittel der Bodenerosion der letzten 1500 Jahre stattgefunden hat: Manche Dörfer verloren mehr als die Hälfte ihres Ackerlandes. Einschneidende Landschaftsveränderungen, wie zum Beispiel tiefe Schluchten, die auf die Fluten von 1342 zurückzuführen sind, sind bis heute sichtbar. Die Menschen wurden damals durch Missernten, kontaminierte Trinkwasserquellen, Hunger und eine anziehende Teuerung geplagt.

Nach der Flut kam der Schwarze Tod

Und dann kam auch noch die Pest: Von den Mongolen aus China über die Seidenstrasse eingeschleppt, verbreitete sich dieser «Schwarze Tod» von 1346 bis 1352 von Italien aus über ganz Europa. Und weil er dort auf eine durch Hunger und Unwetter stark geschwächte Bevölkerung traf, war sein Blutzoll verheerend: Im Zeitraum von wenigen Jahren soll an vielen Orten die Bevölkerung bis zur Hälfte gestorben sein.

Fazit: Hochwasserkatastrophen – die es zu allen Zeiten gab – scheinen in früheren Jahrhunderten tendenziell schlimmer gewesen zu sein als heute. Und die grösste bekannte Katastrophe, die Magdalenenflut, fand klimatisch in einer Zeit statt, in der sich das Klima Europas abgekühlt hatte und die Gletscher weit vorgestossen waren – zur Zeit eines Klimawandels also, der konträr zum heutigen steht.

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