Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 154“ im Online-Nebelspalter vom 23. Juni 2025 zu lesen.
In vorangegangenen Beiträgen habe ich gezeigt, dass die enorme Stromlücke im Winter 2050 weder mit zusätzlichen Solaranlagen noch mit zusätzlichen Wasserkraftwerken gedeckt werden kann. Jetzt gehe ich auf die beiden Speichermethoden ein, von denen Viele sich erhoffen, dass damit die Energie aus überschüssigem Sommerstrom von PV-Anlagen für den Winter gespeichert werden kann: Batterien und Wasserstoff.
Was wichtig ist:
– Um die Winterlücke 2050 zu decken, müsste man 1,7 Millionen Batteriespeicheranlagen vom Typus Dättwil (AEW) bauen – das würde 8500 Milliarden Franken kosten.
– Um dasselbe Ziel mit Wasserstoffspeicherung zu erreichen, müsste im Sommer die gigantische Menge von 43 Terawattstunden überschüssigem Solarstrom zur Verfügung stehen.
– Zusätzlich wäre ein unterirdisches Lagervolumen in der Grösse von 22 Gotthard-Basistunneln erforderlich – was in der Schweiz geologisch gar nicht möglich ist.
Eine Winterstromlücke von 17 Terawattstunden
Zur Erinnerung: Das Ausmass der Winterstomlücke von 17 Terawattstunden (TWh) geht auf Berechnungen zurück, bei denen ich die Annahmen der «Energieperspektiven 2050+» des Bundes (siehe hier) realisiert habe. 17 TWh sind fast die Hälfte des Stroms, der im Winter 2050 voraussichtlich nachgefragt wird. Die Lücke gilt im Jahr 2050 wohlverstanden für ein Schweizer Stromsystem ohne Kernkraftwerke und mit einem Ausbau der Solaranlagen um das Vierfache gegenüber heute (siehe hier).
Batteriespeicher Dättwil
Überlegen wir uns jetzt, wie wir diese 17 TWh Strom mit Batterien vom Sommer in den Winter speichern könnten. Als Vergleichsmassstab wähle ich dabei den 2024 in Betrieb genommenen «Batteriespeicher Dättwil» der AEW Energie AG (siehe hier). Wie das nächste Bild zeigt, sind in diesem Speicher mehrere Batterien zu einer grösseren Anlage auf einer Fläche von 370 Quadratmetern zusammengeschlossen:

1’700’000 solche Anlagen wären nötig
Die Anlage kann aus den installierten 5,5 Megawatt Leistung bei einer vollständigen Leerung 10 Megawattstunden Strom erzeugen. Verglichen mit dem Speicher der EKZ in Volketswil, der sechs Jahre früher in Betrieb ging (siehe hier), bedeutet das eine beachtliche Effizienzsteigerung der Speicherkapazität um mehr als das Vierfache. Trotzdem müsste man immer noch 1,7 Millionen Anlagen vom Typus Dättwil bauen, um 17 TWh saisonal zu speichern.
Bei Kosten von 8’500’000’000’000 Franken
Wie unrealistisch das ist, zeigt auch der Platzbedarf: Insgesamt müsste eine Fläche von 630 Quadratkilometern zur Verfügung stehen – das entspricht siebenmal dem Zürichsee. Und bei Kosten von 5 Millionen Franken pro Anlage wären für diese Batteriespeicherlösung gigantische 8500 Milliarden Franken an Investitionen notwendig.
Selbst der für 2028 geplante riesige Batteriespeicher im Technologiezentrum Laufenburg (siehe hier), dessen Leistung um das Achtzigfache grösser ist als bei der Dättwiler Anlage, würde an dieser Bilanz nicht viel ändern: Denn nach bisherigen Angaben kann die Speicherkapazität dieses Zukunftsprojekts nur um marginale 10 Prozent verbessert werden.
Bleibt noch die Speicherung mit Wasserstoff
Wenn die Winterstromlücke also auch mit Batterien nicht vernünftig gedeckt werden kann, bleibt nur noch die Anwendung von Wasserstoff (H2) als Speichermedium. Der dafür notwendige Prozess wird auch als Power-to-Gas-to-Power (P2G2P) -Prozess bezeichnet: Das heisst, man erzeugt unter Verwendung von Strom zuerst Wasserstoff, der gelagert und anschliessend wieder rückverstromt wird. Dieses Verfahren scheint auf den ersten Blick ideal geeignet zu sein, überschüssige Sommerenergie für den Winter zu speichern.
Schauen wir uns diesen Prozess genauer an. Die nächste Grafik zeigt alle notwendigen Schritte in der entsprechenden Reihenfolge. Die beigefügten Zahlen ergeben sich aus der Bedingung, dass wir am Schluss 17 TWh Winterstrom bekommen wollen. Alle Umrechnungszahlen der Grafik verdanke ich Andreas Züttel, Professor für Physikalische Chemie an der Eidgenössisch Technischen Hochschule Lausanne (EPFL).

Ich beschreibe den Prozess von hinten nach vorne. Die 17 TWh Winterstrom (rot) werden in einem Kombikraftwerk verstromt, bei dem ich einen Wirkungsgrad von 60 Prozent annehme (grün). Entsprechend müssen im Wasserstofflager 28 TWh Energie gespeichert sein. Dazu kommen noch 2 TWh, die für die H2-Komprimierung benötigt werden. Und weil der Wasserstoff in einem Elektrolyseur mit einem Wirkungsgrad von 70 Prozent hergestellt wird, müssen am Anfang der Kette 43 TWh überschüssiger Sommerstrom aus Solaranalgen zur Verfügung stehen.
Bei der H2-Speicherung gehen 60 Prozent verloren
Kombiniert man diese beiden konservativ angenommenen Wirkungsgrade, resultiert bei der Methode mit der Wasserstoff-Speicherung ein Energieverlust von insgesamt fast 60 Prozent: Dies kann man kaum als nachhaltig bezeichnen. Und selbstverständlich steigt deswegen der Material- und Flächenbedarf bei dieser Speichermethode stark an und treibt die Kosten in die Höhe.
Darüber hinaus gibt es aber auch noch technisch-physikalische Probleme, etwa bei der notwendigen Bereitstellung von 43 TWh grünem Strom im Sommer. Die nach den Bundesvorgaben in meiner Rechnung bereits installierten PV-Anlagen würden im Sommer etwa 22 TWh Strom liefern. Weil aber nicht die ganze Menge für die saisonale Speicherung verwendet werden kann, müsste der geplante PV-Ausbau nochmals mindestens verdoppelt werden. Das wäre aber nur mit einem starken Netzausbau verkraftbar.
4000-mal der grösste Elektrolyseur der Schweiz
Unter der Annahme, dass die Elektrolyseure den ganzen Sommer über ununterbrochen mit voller Leistung laufen, müsste man für die Tag-Nacht-Speicherung des Sonnenstroms zusätzlich noch 12’000 der oben beschriebenen Batteriespeicher Dättwil zur Verfügung haben. Unter diesen Voraussetzungen müsste bei den Elektrolyseuren eine Leistung von 10 Gigawatt (GW) installiert werden. Zur Veranschaulichung: Diese Leistung käme zustande, wenn man 4000-mal die Anlage baut, die im nächsten Bild zu sehen ist:

Das Bild zeigt einen der grössten Elektrolyseure in der Schweiz: Die «Wasserstoffanlage Domat/Ems» der Axpo mit einer Leistung von 2,5 Megawatt (siehe hier). Aber selbst wenn wir Tausende von solchen Anlagen bauen könnten, scheitert die Winter-Speicher-Strategie mit H2 in der Schweiz definitiv an der Wasserstoff-Lagerung.
Lagerung in 22 Gotthard-Basistunneln
Wie die Grafik zeigt, müsste man für die 17 TWh Winterstrom 710’000 Tonnen Wasserstoff speichern. Für die Lagerung im gasförmigen Zustand wäre dafür ein Volumen von 44 Millionen Kubikmetern notwendig – das ist 22-mal das Volumen des Gotthard-Basistunnels. Eine solche unterirdische Lagerung müsste aber gasdicht sein und den massiven Druck bis 200 bar aushalten – genau gleich wie bei Erdgas-Speichern.
Keine geeigneten Lagerstätten in der Schweiz
Solche Speicher sind geologisch aber nur in sogenannten Salzstöcken möglich, von denen es in der Schweiz aber leider keine gibt. Aus diesem Grund importieren wir auch unser Erdgas vollständig aus dem Ausland. Eine unterirdische Lagerung von gasförmigem Wasserstoff wird es in der Schweiz deshalb nie geben.
Das Fazit ist ernüchternd: Die Speicherung von überschüssigem Sommerstrom in den Winter mit Batterien sprengt jedes vernünftige Mass und sie scheitert beim Wasserstoffprozess am miserablen Wirkungsgrad und vor allem an der Geologie.
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Unausgegorene Energiewende
Mit der Annahme des Stromgesetzes hat die Schweiz letztes Jahr die Weichen für die Energiestrategie neu gestellt: Künftig soll ein grosser Teil der Elektrizität von Wind und Sonne kommen. Doch was bedeutet dieser Wechsel für die Stabilität des Stromsystems? Können wir künftig ohne neue Grosskraftwerke auskommen? Und schützen wir damit wirklich das Klima? In einer Serie beleuchtet Kolumnist Martin Schlumpf die Probleme und Grenzen der «Energiestrategie 2050» und zeigt, welche Lösungen es gäbe.
Bisher erschienen:
- Energieverbrauch der Welt: Ökologische Wende lässt auf sich warten
- Bei der Energie hat die Schweiz Vieles richtig gemacht
- Der Stromverbrauch der Schweiz wird fast um die Hälfte steigen
- Im Winter fehlt beinahe die Hälfte des Stroms
- Die Sonne bringt im Winter 2050 nicht genug Strom
- Auch Wasserkraft deckt die Stromlücke im Winter 2050 nicht
Guter Klartext und für die Leute ( Inkl. Räte ), die nicht einmal den Unterschied zwischen KWh und kW wissen, aber ein Maul haben, dass Gott erbarm
Es nervt ungemein, dass du Julian Simon kritiklos zitierst, den technologischen Fortschritt der letzten 40 Jahre feierst, dem technologischen Fortschritt in alternativer Stromgewinnung für die nächsten 30 Jahre aber nicht mal den Funken einer Chance lässt. Hat das mit deinem Alter zu tun? Tut mir leid persönlich zu werden, allerdings sind deine Angriffe, in denen du Leute der Lüge beschuldigst, auch persönlich. Simon hätte selbst seine Metall Wette längerfristig gegen Paul Ehrlich verloren.
Zahlen sind zuweilen gnädige Abbilder der Natur, oder etwas pragmatischer ausgedrückt, der realen Welt, Sie sind allerdings auch interpretierbar und werden immer wieder dem sich ändernden Lauf der Zeit und Technik angepasst, manchmal gebogen und politisch eingenommen. Du scheinst dir in deiner Zahlen und Statistik Verliebtheit nicht bewusst zu sein, dass auch deine Sammlungen von Graphiken und Tabellen keine absoluten sind und dereinst angepasst werden müssen. Aber im Moment vermittelst du deinen Lesern den Eindruck als hätten wir Menschen im Bereich der Techniken der alternativen Stromgewinnung einen Zenit erreicht und keine weitere Entwicklung mehr möglich ist. Das halte ich nicht für visionär, sondern nur für konservativ und steht in einem eklatanten Widerspruch zu Simons eben auch einseitiger Fortschrittsgläubigkeit, denn er beschränkt seine Idee des technologischen Fortschritts auf die Ausbeutung der Ressourcen.
Lieber Gabriel
Schade, dass Du so pauschal gegen mich schreibst, und nichts Konkretes widerlegst.
Deine Behauptung, Simon hätte die Wette gegen Ehrlich längerfristig verloren, ist falsch. Im Buch „Superabundance“, auf das ich mich im Weltwoche-Beitrag beziehe, berechnen die Autoren die Preisentwicklung der fünf Metalle zwischen 1980 und 2018 (die Wette galt ja nur für zehn Jahre) und kommen zum Schluss, dass man im Schnitt vom ganzen Warenkorb 2,4-mal mehr hätte kaufen können. Und zurückgerechnet bis 1900, ist es 9,3 mal mehr. Simon hätte also längerfristig immer gewonnen. Bitte zeig mir deine Zahlen, die belegen, warum Simon die Wette verloren hätte.
An keiner Stelle schreibe ich, dass die Techniken der alternativen Stromgewinnung einen Zenith erreicht hätten, oder dass ich ihnen keine Chance gebe. Aber ich bringe ganz konkrete Beispiele für die Unmöglichkeit der saisonalen Stromspeicherung mit Batterien und Wasserstoff. Was ist falsch daran?
Danke für die anschauliche Darstellung der Mengen- und Grössenverhältnisse. Ich kann nicht so gut rechnen wie sie, muss mich deshalb auf mein Bauchgefühl verlassen. Und siehe da, es stimmt ziemlich genau mit ihren Berechnungen überein.